Ein 3D-Scan des Raumanzugs von Neil Armstrong steht in der Galerie der bayerischen Staatskanzlei.
Ein 3D-Scan des Raumanzugs von Neil Armstrong steht in der Galerie der bayerischen Staatskanzlei. Bildrechte: picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Weltraumforschung Deutschland: Zukunftsland der Raumfahrt?

13. April 2021, 13:43 Uhr

Die Welt befindet sich im Weltraumfieber. Überall werden Start-ups aus dem Boden gestampft und wollen ein Stück vom großen Weltraumkuchen abhaben. Unternehmen wie SpaceX dominieren den Markt. Doch dieser ist facettenreich und bietet genug Platz – auch für die deutsche New Space-Industrie.

Im Süden werden Raketen gebaut, im Norden sollen Weltraumflughäfen entstehen. Im Westen werden die europäischen Raumfahrenden der Zukunft ausgebildet. Und was passiert in Mitteldeutschland? Dort forscht man vor allem an der erdbasierten Zukunft der Raumfahrt.

Wie der Bauer sein Feld in der Zukunft bestellt

Heute müssen Landwirtinnen und Landwirte noch aufs Feld raus und selbst schauen, ob sie bald ernten können. In Zukunft lassen sie sich einfach ein Bild aus dem Weltall schicken. Das Julius Kühn-Institut im sachsen-anhaltischen Quedlinburg forscht an der Auswertung von Satellitendaten. Anhand der Farbe des Feldes sollen Landwirtinnen und Landwirte erkennen, ob bereits die Ernte ansteht. Und schon davor ist klar, wie hoch der Ernteertrag sein wird.

Nicht alle Feldbereiche liefern denselben Ertrag. Mit den Satellitendaten könnten Minderertrag-Bereiche genau erfasst werden und zu ökologischen Lebensräumen umgewandelt werden. Bis dahin müssen die Satellitendaten noch mit dem Reifegrad der Ackerflächen verglichen werden.

Ähnliches wird auch am Kompetenzzentrum Wald- und Forstwirtschaft am Staatsbetrieb Sachsenforst für den Wald gemacht. Mittels Satellitendaten kann man erkennen, welche Baumbestände beschädigt sind. Dadurch können Försterinnen und Förster frühzeitig agieren und die beschädigten Bäume möglicherweise noch retten.

Weltraumflughafen an der Ostsee

Damit Deutschland in die Zukunft der Raumfahrt schauen kann, braucht es einen eigenen Weltraumflughafen. Bereits 2019 forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einen Weltraumhafen auf deutschem Boden. Kurz darauf verspricht Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), den Vorschlag des BDI zu prüfen. Zwei Ministerien in Mecklenburg-Vorpommern (das für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung sowie das für Bildung, Wissenschaft und Kultur) haben im Anschluss die Erstellung einer Machbarkeitsstudie veranlasst, die im September 2020 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) veröffentlicht wurde.

Darin sieht das DLR den Flughafen in Rostock-Laage als idealen Kandidaten für Weltraumflüge. Wann der Flughafen Rostock-Laage für Weltraumflüge startbereit ist, bleibt abzuwarten. Das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung von Mecklenburg-Vorpommern steht gerade am Anfang der Gespräche und kann deshalb keinen möglichen Termin nennen.

Ein Flugzeug steht auf dem Flughafen Rostock-Laage-Güstrow.
Ein Flugzeug steht auf dem Flughafen Rostock-Laage-Güstrow. Bildrechte: imago/Fotoagentur Nordlicht

Bei der Studie geht es aber nicht um senkrechte Raketenstarts, sondern vielmehr um Air-Launchs – um Raketen, die mit einem Flugzeug in den Orbit gebracht werden. Gaia Aerospace arbeitet mit ihrer zweistufigen Valkyrie-Trägerrakete an einem solchen System, das bereits 2025 in den Weltraum aufbrechen könnte. Die Rakete kann anschließend mit einem Fallschirm zurück zur Erde kehren und ist somit wiederverwendbar.

Raketenbauer im Süden

Mit ihren circa zwölf Metern Länge wird die Valkyrie eine der kleinsten Raketen auf dem Markt sein. Eine Nummer größer haben drei deutsche Unternehmen aus dem Süden im Angebot: Hyimpulse Technologies aus Neustadt am Kocher in Baden-Württemberg, Isar Aerospace aus Ottobrunn in Bayern und die bayerische Rocket Factory Augsburg. Alle drei Start-ups bauen an bis zu dreißig Meter langen Trägerraketen, die vertikal in den Orbit starten sollen.

Das Start-up Hyimpulse entwickelt derzeit zwei Micro-Launcher: Eine dreistufige Trägerrakete, die Kleinsatelliten in die Erdumlaufbahn bringen soll sowie eine Höhenforschungsrakete. Die dreistufige Trägerrakete Small Launcher SL1 wird eine Länge von 27 Metern haben und kann eine Nutzlast von bis zu 500 Kilogramm in den niedrigen Erdorbit (400 bis 600 Kilometer) transportieren. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation ISS befindet sich in einer Höhe von ungefähr 400 Kilometern. Für Höhenforschungstest in bis zu 200 Kilometern Höhe soll die Suborbitalrakete SR75 zum Einsatz kommen. Sie kann eine Nutzlast von bis zu 350 Kilogramm transportieren und ihr Start soll noch Ende 2021 erfolgen. Die SL1 soll 2023 getestet werden und könnte bereits 2025 mit zwölf jährlichen Starts in den Normalbetrieb übergehen.

Isar Aerospace arbeitet an einer 27 Meter langen, zweistufigen Trägerrakete: die Spectrum. Sie wurde für die Aufstellung von Satelliten-Konstellationen konzipiert, wie sie beispielsweise die Starlink-Satelliten von SpaceX. Mit der Spectrum kann eine Nutzlast von bis zu tausend Kilogramm in den niedrigen Erdorbit (LEO) oder bis zu 750 Kilogramm in den sonnensynchronen Orbit (SSO) befördert werden.

Dann gibt es da noch die Raketenbauer der Rocket Factory Augsburg. Diese wollen bereits Ende 2022 in den Weltraum starten. Die dreistufige RFA One-Trägerrakete soll dreißig Meter lang sein und eine Nutzlast von bis zu 1,5 Tonnen in den Weltraum bringen. Durch ihre kompakte Größe soll sie wie die anderen Microlauncher auch flexibel einsetzbar sein und kurzfristige Raketenstarts ermöglichen. Besonders für Forschungseinrichtungen sind solche Anbieter attraktiv, da sie günstiger und nicht zwingend abhängig von weiteren Kunden sind.

Eine künstlerische Darstellung des Microlaunchers des deutschen Start-ups Rocket Factory Augsburg.
Eine künstlerische Darstellung des Microlaunchers des deutschen Start-ups Rocket Factory Augsburg. Bildrechte: RFA

Senkrechtstarter von der Nordsee aus?

Damit die Microlauncher von Hyimpulse, Isar Aerospace und der Rocket Factory Augsburg von Deutschland aus starten können, braucht es eine entsprechende Plattform. Die deutschen Flughäfen kommen dabei nicht infrage. Anders sieht es mit einer Plattform in der Nordsee aus. Daran arbeitet gerade die German Offshore Spaceport Alliance (dt. Deutsche Offshore-Raumfahrt-Allianz) aus Bremen dran.

Von Bremerhaven aus soll einer der Microlauncher auf ein Schiff beladen werden. Die Rakete wird dann auf die offene See gebracht. Am Launch-Ort angekommen, soll die Rakete senkrecht aufgestellt werden: 3… 2… 1… Lift-off von der Nordsee. Ein erster Raketenstart könnte nach Angaben der German Offshore Spaceport Alliance bereits 2023 erfolgen.

Europäische Astronaut:inn:en

Damit die menschenbasierte Erforschung des Weltalls auch von Europa aus weiter vorangetrieben wird, sucht die Europäische Raumfahrtagentur Esa nach neuen Raumfahrerinnen und Raumfahrern. Seit dem 31. März können sich potenzielle Kandidaten auf die Ausschreibung bewerben, die acht Wochen lang online sein wird. Die Bekanntgabe der ausgewählten Raumfahrerinnen und Raumfahrer wird zwischen Mitte und Ende 2022 erfolgen.

Die Grundausbildung soll ein Jahr dauern und unter anderem am europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln stattfinden. Anschließend folgen die einjährige Aufbauausbildung – die die Kandidatinnen und Kandidaten unter anderen in den Betrieb der Internationalen Raumstation ISS einweisen – sowie die 18-monatige missionsspezifische Ausbildung. Diese Ausbildungsphase soll die angehenden Raumfahrerinnen und Raumfahrer auf ihre jeweilige Mission vorbereiten. Deutschland könnte somit ein Zukunftsland der Raumfahrt werden.

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