Frau betrachtet Labyrinth
Brauchen wir immer eine Belohnung fürs Lernen? Oder funktionieren auch negative Erfahrungen als Feedback? Bildrechte: IMAGO/Design Pics

Neurobiologie-Forschung aus Magdeburg Feedback-Mechanismen: Warum das Gehirn nicht immer eine Belohnung braucht

24. Februar 2023, 13:20 Uhr

Brauchen wir ständig Belohnungen, wenn wir etwas Neues lernen? Müssen die von außen kommen, oder ist unser Gehirn auch belohnt, einfach nur, weil es etwas gelernt hat? Oder funktioniert das auch ganz ohne Belohnung, etwa bei negativem Feedback? Das haben Forschende in Magdeburg untersucht.

Unser Gehirn ist ein Lernorgan. Ständig will es neue Dinge wissen. Dabei spielen Belohnungen eine wichtige Rolle. Als Feedback in der Schule – da sind es das Lob der Lehrer, die guten Noten. In wissenschaftlichen Lernexperimenten wird in der Regel mit Belohnungsreizen wie Geld gearbeitet. Belohnungen sind ein wichtiger Teil unseres Lebens und Lernens. Selbst unsere Smartphones verlocken mit ständigen Belohnungsreizen. Lernen wir also nichts ohne Belohnung? Funktioniert das Feedback im Gehirn sonst nicht?

55 Probanden, Tasten und Töne

Ein Forscherteam aus Magdeburg hat darauf eine Antwort gesucht – und laut der jetzt veröffentlichten Studie gefunden: Mit einem 3-Tesla-Magnetresonanztomographen, 55 Freiwilligen und einem nicht ganz einfachen Spiel mit Tasten und Tönen. Und dieses Spiel ging so: Die Probanden lagen im MRT und warteten auf einen Ton. Jetzt mussten sie bei der richtigen Kombination von Toneigenschaften die korrekte Taste zu drücken. Insgesamt waren es fünf Eigenschaften in zwei Ausprägungen, auf die sie reagieren sollten: laut und leise, kurz und lang, auf und ab, hoch und tief sowie schnell und langsam. Studienleiter André Brechmann, der am LIN die Abteilung "Kombinatorische Neurobildgebung" leitet, über das Ziel der Übung: "Wir haben bei 55 Teilnehmenden untersucht, welche Strategien sie entwickeln, um die richtige Kombination zu finden, und ob sie ihre Strategie anpassen können, wenn wir die Tastenbelegung wechseln."

Dr. André Brechmann und Dr. Susann Wolff vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg stehen vor einem MRT
Dr. Susann Wolff und Dr. André Brechmann vor dem 3-Tesla-Magnetresonanztomographen (MRT), in dem die Teilnehmenden das Experiment zum auditorischen Kategorielernen durchgeführt haben Bildrechte: LIN/Reinhard Blumenstein

Mit Versuch und Irrtum die richtige Strategie finden

Die Probandinnen und Probanden konnten durch Versuch und Irrtum mit akustischem Feedback herausfinden, welche Tonkombination richtig ist und welche nicht. Zuerst mussten die Teilnehmenden raten und dann eine Strategie entwickeln, um die Zielkategorie herauszufinden. Offenbar eine nicht ganz einfache Angelegenheit, denn nicht allen gelang das, manche hatten nur eine der Toneigenschaften herausgefunden, und wieder andere hatten spätestens beim Tausch der Tastenbelegung Schwierigkeiten, umzulernen. "Es kam also für alle darauf an, aus negativen Rückmeldungen zu lernen, um die richtige Strategie zu finden. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie konnten wir sehen, wo im Gehirn diese negative, aber hilfreiche Erfahrung für eine zusätzliche Aktivierung sorgte", berichtet Susann Wolff, die zusammen mit André Brechmann die Studie durchführte, in einer Mitteilung des LIN.

Diese Region ist laut Wolff und Brechmann "neurophysiologisch im dorsalen Teil des posterioren cingulären Kortex (dPCC) kodiert", wie sie in der Studie schreiben, die im Fachmagazin Cerebral Kortex erschienen ist. Wenn Sie sich dafür interessieren, finden Sie in der englischsprachigen Wikipedia einen umfangreichen Artikel dazu.

Die Rolle des negativen Feedbacks

Bleibt die Frage: Ist es nicht für das Gehirn auch eine Belohnung, wenn es in der Lage ist, aus Fehlern zu lernen? Ja, es geht darum, aus den Fehlern zu lernen und flexibel eine Strategie zu entwickeln, so Brechmann. Die zentrale Funktion von Feedback aus informationsverarbeitender Sicht bestehe nämlich in der Fehlerkorrektur. Daher müsse aber das negative Feedback stärker bewertet werten als das positive, das belohnungszentrierte. Mit Blick auf die Forschungsergebnisse erklärt er: "Um komplexe Zusammenhänge zu begreifen, braucht das Hirn zwar die sogenannten Belohnungszentren, aber nicht unbedingt eine Belohnung."

Es gibt Einschränkungen

Die Studie hat mit 55 Probandinnen und Probanden eine sehr überschaubare Teilnehmerzahl. Und die Untersuchungen beschäftigten sich allein mit den Reaktionen im Gehirn. Die Forschenden wollen sich in weiteren Untersuchungen auf die Teilnehmenden konzentrieren, die Probleme beim Umlernen hatten, und diese mit individuellem Feedback unterstützen. Dabei sollen weitere Messwerte wie Puls, Hautleitwert, Atmung oder elektrische Hirnströme in die Auswertung einfließen.

Links/Studien

Die Studie Wolff, Brechmann: "Der dorsale posteriore cinguläre Kortex reagiert auf negative Rückkopplungsinformationen, die das Lernen und Wiedererlernen von Reaktionsstrategien unterstützen" ist in Cerebral Cortex erschienen.
DOI: https://doi.org/10.1093/cercor/bhac473

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