Podcast: Die großen Fragen in zehn Minuten Wozu ist Eifersucht gut?

19. Februar 2023, 07:00 Uhr

Wer von Ihnen war noch nicht eifersüchtig? Sehen Sie! Aber wofür ist dieses Gefühl gut? Hat es einen Nutzen? Oder ist das krankhaft und man muss es behandeln? Wozu Eifersucht? Eine wahrlich große Frage.

Große Fragen in zehn Minuten

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In einem im Boden vergrabenen Buch wurzelt eine blühende Pflanze. Als Wasszeichen die Zahl Zehn.
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Glücklich erscheinder Mensch, auf seinem Kopf sitzt ein Schmetterling.
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Große Fragen in zehn Minuten Ist Dankbarkeit gesund?

Ist Dankbarkeit gesund?

Dankbarkeit hilft uns, das Leben zu genießen.
Dieses Gefühl macht uns nicht nur zufrieden und gelassen, sondern ist auch noch gesund.

Mo 29.04.2024 14:32Uhr 10:38 min

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Portrait von Marylin Monroe im Comic-Stil mit virtuellen Vermessungshilfslinien
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Eifersucht – keiner ist frei davon, wir alle kennen das Gefühl. Auch Wolfgang Krüger nicht. Er ist Psychologe und kennt das Gefühl nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern kennt sogar eine Menge Patienten, die derart an Eifersucht leiden, dass er ihnen helfen soll. Krüger erzählt eine typische Geschichte wie Eifersucht beginnt:

"Ein Mann sitzt mit einer Frau zusammen und erzählt ihr am Wochenende von seiner Sekretärin. Und die Ehefrau wundert sich, weil normalerweise erzählt er ihr das nicht. Und nach einer halben Stunde erzählt er ihr nochmal was von seiner Sekretärin. Und am Montag stellt sie fest, er wäscht sich jeden Tag die Haare, was er sonst nicht macht, er nimmt ab, was ihm schwerfiel, und er ist gut gelaunt und sie weiß, das liegt nicht an mir!"

Wenn das Kopfkino angeht

Und schon geht der ganze Zinnober los. Und schon sind wir mitten in der Eifersucht. Jetzt steht die Frage Warum gibt es sowas wie Eifersucht? Wozu ist das gut? 

Schauen wir mal in den Kopf der Ehefrau. Die denkt, sie streift ein Bus. 'Begreife ich das richtig, der Olle findet die Sekretärin steil und macht sich vielleicht sogar ran ... und was ist mit mir? Liebt er mich nicht mehr? Wer weiß, was da alles schon gelaufen ist .... wieso habe ich bisher nichts gemerkt?' Das Kopfkino schlägt Purzelbäume. Neben diesem Vorstellungswahnsinn beginnt der Körper Stresshormone wie Cortisol auszuschütten.

Eifersucht ist ein Hauptmordmotiv in der Menschheit.

Dr. Wolfgang Krüger, Psychotherapeut und Autor

Es geht los, sagt Dr. Wolfgang Krüger. "Es ist absoluter Stress, wo ich aufhöre zu denken, wo ich nur noch fühle, wo ich in einem Gefühl der Panik bin. Und deshalb ist Eifersucht auch so schrecklich, weil mich das regelrecht überfluten kann. Ich bin in einem Zustand von Bedürftigkeit. Ich fühle mich abhängig vom anderen. Und insofern ist die Eifersucht eines der schrecklichsten Gefühle, die wir haben. Und es ist eines der kränkendsten. Eifersucht ist ein Hauptmordmotiv in der Menschheit."

Eifersucht ist vor allem ein Warnsignal

Eifersucht ist wahrscheinlich ein typisch menschliches Gefühl. Man ist sich ziemlich sicher, dass Tiere das so nicht fühlen. Mit einer Ausnahme: Haustiere, die also in großer Abhängigkeit von ihren Bezugspersonen leben, die diese Abhängigkeit spüren. Sie zeigen Verhaltensweisen, die an Eifersucht erinnern. Also, was will uns unser Körper sagen, was bedeutet dieses Gefühl?

Also Eifersucht ist eine Grundangst mit einem Warnsignal, dass für die Aufrechterhaltung von Bindungen ungeheuer wichtig ist.

Dr. Wolfgang Krüger

Eifersucht ist also ein Warnsignal beschreibt Dr. Krüger dieses Gefühl. Eigentlich ein Signal (wenn ich das richtig verstehe) wie Hunger oder Durst. Irgendetwas stimmt hier nicht – ich sollte handeln. Das ist die Botschaft. Und auch Science Influencerin und Psychologin Pia Kabitzsch sagt: eigentlich ist Eifersucht super.

Diese gesunde Eifersucht ist dieses Wachsam-Sein und gucken, was die Partnerin so macht und vielleicht sich wieder etwas Mühe zu geben und zu hinterfragen, was braucht mein Partner, meine Partnerin grade, was ich ihm oder ihr nicht geben kann.

Pia Kabitzsch, Psychologin und Wissenschaftsjournalistin

Woher kommt das Gefühl?

Es gibt verschiedene Theorien zu Herkunft und Sinn der Eifersucht. Sie ist biologisch sinnvoll sagen die einen, weil sie kopulationswillige Rivalen von einer Partnerin fernhält und damit die Weitergabe der eigenen Gene möglich macht.  Und bei Frauen glaubt man, geht es vor allem darum, den Erzeuger ihrer Kinder dauerhaft emotional an sich zu binden, damit er sie und die Kinder versorgt. Damit könnte wie so oft etwas ganz Großes, Grundsätzliches hinter einer so konkreten Angst stecken, dass der Mann mit der Sekretärin fremdgeht – um bei dem klassischen Stereotyp zu bleiben.

Psychologe Krüger z.B. hält gar nichts von diesen Theorien. Er hält solche naturwissenschaftlichen Erklärungsmuster für reine Ablenkungsmanöver. Er sieht in dem Gefühl der Eifersucht kein Naturereignis, sondern einen rein individuellen Vorgang. Für ihn geht es um Liebesverlust, es geht darum, ausgeschlossen zu werden aus einer Beziehung, die einem zuvor Halt und Sinn gegeben hat. Wir spüren die Gefahr, das zu verlieren, was uns als Menschen am wichtigsten ist: Liebe, Anerkennung, Halt, Geborgenheit, soziale Bindung.

Wir sind darauf angewiesen, dass wir mit Menschen enge, verlässliche Kontakte und Beziehungen haben. Und deshalb gibt es seit Menschengedenken – deshalb bei Kain und Abel, Bibel –  im Grunde Eifersucht.

Dr. Wolfgang Krüger

Ich habe wieder die Szene vom Anfang vor Augen. Ich stelle mir das Paar am Wochenende beim Frühstück vor. Und der Typ erzählt also in dem ganzen geschilderten Kontext mit Haare waschen etc. von seiner Sekretärin. Die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten ist, dass in der Frau gar nichts passiert. Andererseits könnte sie jetzt austicken, den Kaffee dem Alten übers Hemd schütten, ihn anschreien, "Du Schwein betrügst mich" - also das volle Programm. Oder sie könnte denken: "Ha, dir zeige ich‘s, das kann ich auch!" Oder sie beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, mal ins Handy zu gucken, ihm nachzuspionieren.

Eifersüchtiger Freund, der das Handy seiner Freundin im Park ausspioniert.
Eifersucht in Hochform: Mit wem textet sie da? Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Und es gibt noch eine Variante: Die Partnerin oder der Partner bricht zusammen, ist zu nichts mehr in der Lage, völlig außer Betrieb. Bei allen diesen Reaktionen würde die Eifersucht rufen: Hey, ihr missbraucht mich dafür bin ich als Warnsignal nicht da! Ich will doch die Beziehung retten. Das ist doch meine Aufgabe.

"Die Eifersucht, die hier entsteht, könnte mir helfen als ein Warnsignal, das mir sagt, Du musst Dich mehr um Deine Ehe kümmern", sagt Psychologe Krüger. "Also man muss gucken, mehr Gespräche zu haben, mehr Hand in Hand spazieren gehen, mehr miteinander ins Bett gehen, Anerkennung zu geben. Wenn ich das nicht täte, kann es mir passieren, der andere geht mir verloren, ohne dass ich das irgendwo mitkriege."

Das Wort ist verheerend

Das hört sich gut an. Eine Prise Eifersucht ist also genau das, was viele Beziehungen bräuchten. Aber Eifersucht wird wie in meiner Fragestellung nicht als Chance, als Salz in der Suppe wahrgenommen, sondern in der Regel als Qual empfunden, als Folter. Wir fühlen uns hilflos, kläglich, klein – Eifersucht empfinden wir als unerträgliches Gefühl der Machtlosigkeit. Die Liebe, die Aufmerksamkeit eines Menschen an einen anderen zu verlieren, scheint schlimmer, kränkender, verletzender, schmerzhafter, als wenn der Mensch einfach nicht mehr da wäre. Verrückt, oder? Wie verheerend dieses Gefühl ist, scheint schon die Wortbedeutung zu verraten. "Ai" bedeutet indoeuropäisch Feuer, Althochdeutsch bedeutet "eiver" bitter und "suht"  bedeutet Krankheit oder Seuche. Wir sprechen hier also von dem Zustand, den unsere Vorfahren als brennende Seuche oder bittere Krankheit bezeichneten. Krüger sprach davon, dass der Verstand aussetzt, dass wir aus Eifersucht morden. 

Oder Heinrich Heine hat den Papagei seiner Frau vergiftet, weil er das Gefühl hatte, dass seine Frau eine so innige Beziehung hatte, dass er dabei zu kurz kam.

Dr. Wolfgang Krüger

Das sind genau die Fälle, in denen wir Eifersucht wahrnehmen, das sind Fälle, über die man redet, das ist typisch Eifersucht. Da, wo Eifersucht moderat bleibt, wo sie nicht total den Verstand raubt und zur Verzweiflung führt, diese Fälle nehmen wir in der Regel gar nicht so wahr. Denn Eifersucht ist eben nicht nur furchtbar. Eifersucht kann in leichter Form daherkommen, schwerer verlaufen oder eben extrem zerstörerisch sein. Das ist genau wie beim Hunger. Darauf reagieren wir auch total unterschiedlich. Die Antwortmuster, mit denen wir auf ein Warnsignal reagieren, das uns eigentlich nur über unseren Beziehungsstatus informieren soll, liegen also in uns selbst und – hört, hört – in gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begründet.

Krüger: "Also die gesellschaftliche Bewertung von Eifersucht schwankt ungefähr alle 30 Jahre. Es gibt Zeiten, wo die Eifersucht angesehener ist, und insgesamt ist sie oftmals angesehen, weil ich in der Eifersucht etwas bewahren will. Da sind die Zeiten einer gesellschaftlichen Instabilität, Krisenzeiten, wo wir die Treue schätzen, wo wir die Stabilität schätzen, die Sicherheit. Und dann ist die Eifersucht auch salonfähig. Wir haben aber jetzt Jahrzehnte gehabt, wo wir eher gesagt haben, ach, man sollte ruhig auch mit anderen Beziehung haben, dürfe die Beziehung öffnen, Treue ist nicht so wichtig. Und dann ist die Eifersucht eher schlecht angesehen, weil sie dieses Modell behindert."

Es geht um das Selbstwertgefühl

Die alten 68-er lassen grüßen. Gegen die Eifersucht war auch deren Konzept der freien Liebe machtlos. Das ist das eine. Ob sich aber ein Partner von der gesellschaftlichen Bewertung am Frühstückstisch entscheidend beeinflussen lässt, glaube ich nicht wirklich. Entscheidend sind Persönlichkeitsstrukturen. Es geht vor allem um Selbstwertgefühl, verstehe ich mich als wichtig, als Glück und Gewinn für den Partner, sagt Krüger. Oder habe ich emotionale Defizite erfahren, früh Verlustängste gehabt, Menschen verloren. Dann kann ich das Gefühl der Eifersucht nur schwer händeln sagt Pia Kabitzsch: "Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Entweder lässt du keine Beziehungen zu, weil du halt sagst, nein, das willst du nicht. Du hast gar keine Lust wieder verletzt zu werden. Das sind dann diese bindungsängstlichen Typen. Oder Du hast halt das Kontrastprogramm, dass du alles auf deinen Partner legst, Deinen ganzen Fokus. Es dreht sich alles um diese Beziehung, weil Du Angst hast, diesen Menschen zu verlieren. Und das macht psychisch auch was mit einem, weil man immer die Angst hat austauschbar zu sein und sich viel über diese Beziehung identifiziert, weil man sich häufig nicht als ich wahrnimmt, dann ist natürlich diese Bedrohung nochmal viel größer."

Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Entweder lässt du keine Beziehungen zu, weil du halt sagst, nein, das willst du nicht.

Pia Kabitzsch

Neben diesen ganz grundsätzlichen Dingen, die beeinflussen, wie wir mit Eifersucht umgehen, was wir aus diesem emotionalen Instrument machen, gibt es noch einen anderen interessanten Gedanken. Wolfgang Krüger hat den Eindruck, dass das mit der Eifersucht in Zeiten der Moderne nicht einfacher wird, sondern eher komplizierter. Stichwort: die Suche nach der wahren Liebe. "Weil wir in der romantischen Liebe einen Menschen suchen, der sehr speziell ist. Wo wir sagen, wir glauben, dass der Alltag möglich ist, dass die Lebensziele gleich sind aber auch das Thema Leidenschaft, Sexualität – all das soll ein Mensch, eine Spezialanfertigung quasi, der soll das bieten."

Und natürlich haben wir berechtigt Angst, dass uns dieser Mensch, der der Mittelpunkt unseres Lebens ist, dass der verlorengeht.

Dr. Wolfgang Krüger