Photonik aus Jena Demenzforschung: Holografische Endoskope aus Jena schauen ins Gehirn
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06. April 2021, 16:23 Uhr
Mit Endoskopen lässt sich schon heute ein gutes Bild vom Inneren des Körpers gewinnen. Komfortabel sind die Dinger aber oftmals nicht. Und schwer zugängliche Areale im Körper bleiben schwer zugänglich. Forschung aus Jena will helfen, Endoskopie besser zu machen, und gleichzeitig Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson den Kampf ansagen.
Wenn es darum geht, irgendwie in den Menschen reinzuschauen – und zwar ohne ihn im größeren Sinne zu öffnen –, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Mund auf, zum Beispiel – der Blick reicht nur nicht weit. Tiefere Einblicke liefern Röntgenstrahlen, Ultraschall und MRT. Wenn man als Laie auf die Ergebnisse schaut, stellt man fest: Fotorealistisch ist was anderes. Anders sieht es da mit Endoskopen aus. Mit diesen häufig flexiblen und schlauchförmigen Dingern lässt es sich recht weit in den menschlichen Körper vordringen und ein Livebild bekommen. Lichtleiter aus Glasfasern oder ein kleiner Kamerachip an der Spitze machen es möglich.
Da Endoskope irgendwie in den Menschen rein sollen, dürfen sie nicht allzu dick ausfallen. Gebräuchlich sind – je nach Art – Durchmesser zwischen fast zwei Zentimetern und 0,3 Millimetern. Gerade die dickeren Kandidaten sind für Patientinnen und Patienten nicht immer angenehm und manchmal geht es gar nicht ohne Betäubung. Außerdem lassen sich manche Bereiche, z.B. bestimmte Hirnareale, gar nicht endoskopieren. Eine Lösung muss her. Das denkt man sich auch auf dem Beutenberg in Jena, genauer gesagt am Leibniz-Insititut für Photonische Technologie. Einer, der dort mitdenkt ist Tomáš Čižmár, Professor an der Uni Jena und Leiter der Abteilung für Faserforschung am Leibniz-Institut. Sein Steckenpferd: Holografische Endoskopie.
Eine Kamera, so dünn wie ein Haar
"Holografische Endoskopie unterscheidet sich von gewöhnlicher Endoskopie in vielerlei Hinsicht", erklärt der Wissenschaftler. "Allen voran: Das Endoskop kann so dünn sein wie menschliches Haar." Das wären dann 0,1 Millimeter. Eine Kamera also, die so dick – oder eher dünn – wie ein Haar ist. Dass das in der Erforschung des menschlichen Körpers praktisch ist, steht außer Frage. Im Gegensatz zu herkömmlichen Endoskopen, die auf Faserbündeln oder Stablinsen basieren, setzt man bei der holografischen Endoskopie auf sogenannte Multimode-Lichtwellenleiter. Die liefern allerdings keine schönen Bilder, sondern codieren sie bis zur Unkenntlichkeit. Mittels digitaler Holographie kann dann am Computer ein Bild errechnet werden. Das klingt recht einfach, ist aber ein komplexes Feld, auf dem es viel zu lernen gibt – z.B. wie sich das Licht durch die Fasern ausbreitet.
"Der größte Vorteil ist, dass wir mit mikroskopischer Auflösung Zellen und subzelluläre Strukturen mit beispielloser Tiefe an lebenden Organismen beobachten können", so Tomáš Čižmár. Auch durch empfindliches oder schwer zugängliches Gewebe, weil das Endoskop eben so dünn ist. Zum Beispiel die Eierstöcke, die Bauchspeicheldrüse oder das Gehirn. Forschenden ist es damit künftig möglich, etwa unsere neuronalen Schaltkreise genauer unter die Lupe zu nehmen – und die Beeinträchtigung ebendieser durch Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson. Tomáš Čižmár nennt es den "Traum von der leichten Biopsie", den es zu verwirklichen gilt.
Soll heißen: Durch die mikroskopisch genaue Auflösung müssen Proben vielleicht gar nicht mehr aus dem Körper genommen werden. Die Untersuchung unter dem Vergrößerungsglas findet sozusagen direkt im Körper statt. Ein weiterer Vorteil: Für die Untersuchung muss das Endoskop gar nicht ganz ran ans Objekt. Selbst bei einem halben Meter Abstand werden brauchbare Bilder geliefert, haben die Jenaer jetzt festgestellt.
Traum von der leichten Biopsie kann noch bisschen dauern
Etwa zehn Jahre wird an der Technik bereits geforscht. Čižmár schätzt, dass selbst bei größeren Investitionen in die Technologie noch mal so viel Zeit vergehen kann, bis sie beim Menschen eingesetzt wird. Richtig: Holografisch endoskopiert wird derzeit nur in Tierversuchen. Wobei das Wörtchen "nur" hier eigentlich nichts zu suchen hat, lässt Tomáš Čižmár durchblicken. Eine Anwendung am Menschen sei wünschenswert, klar, aus den genannten Gründen. Aber auch die Untersuchungen an Tieren seien eine wichtige Sache: "Sollte die holografische Endoskopie bei Tierversuchen hilfreich sein, um beispielsweise Geheimnisse hinter Demenz aufzudecken und die Entwicklung geeigneter Medikamente zu ermöglichen, wäre dies für sich genommen eine große Bestätigung dieser Technologie, die die Anstrengungen und Investitionen wert ist."
Bis eine Endoskopie für Patientinnen und Patienten etwas komfortabler wird, dauert es also noch. Dass Mensch und Medizin von den Vorteilen der Forschung aus Jena profitieren, könnte aber womöglich etwas schneller gehen.
Link zur Studie
Die Ergebnisse der Forschung sind in APL Photonics erschienen: Observing distant objects with a multimode fiber-based holographic endoscope