328 Tage im All Frauen im Weltraum: Christina Koch ist neue Rekordhalterin

06. Februar 2020, 14:30 Uhr

Raumfahrt ist längst keine reine Männerdomäne mehr. Heute, am 6. Februar 2020, landete die US-Astronautin Christina Koch auf der Erde. Mit 328 Tagen ist sie die Frau, mit dem längsten Weltraumeinsatz am Stück. Doch auch andere Frauen haben Rekorde eingefahren - und Kurioses erlebt. Denn auch im All gilt: Männer sind anders, Frauen auch.

Astronautin Christina Koch ist auf der erde gelandet und steigt aus der Landekapsel. 3 min
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US-Astronautin Christina Koch ist zurück auf der Erde. Mit 328 Tagen ist sie jetzt die Frau mit dem längsten Weltraumeinsatz am Stück. Ihr Einsatz war ein Meilenstein für die weibliche Raumfahrt.

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Angefangen hat alles 1961, die Zeit des Kalten Krieges zwischen den USA und der damaligen UdSSR. Am 12. April schicken die Russen Juri Gagarin in der Raumkapsel "Wostok-1" ins Weltall. In 108 Minuten umrundet er die Erde. Der erste Mensch im All. Der erste Russe im All. Der erste Mann im All. Als erste Frau folgt zwei Jahre später Walentina Tereschkowa, die 26 jährige Sowjetbürgerin. Sie verbringt drei Tage im Weltall und ist die erste Frau, die einen Weltraumspaziergang unternommen hat.

In den USA steht man Frauen im Raumanzug eher skeptisch gegenüber. Erst 1978 werden die ersten sechs Frauen zu Astronautinnen ausgebildet. Doch die nächste Frau im Weltraum war 1982 erneut eine Russin, Swetlana Sawizkaja. Erst ein Jahr später fliegt die erste US-amerikanische Astronautin ins Weltall. Dabei hat Sally Ride sicherlich einige Male den Kopf geschüttelt, denn ihre männlichen Kollegen wussten recht wenig über die weibliche Biologie.

Die Toiletten-Frage

Bevor die Frauen ins All aufbrechen durften, verrichteten ihre männlichen Kollegen ihr Geschäft in Plastikbeutel. Nun mussten Toiletten in Raumschiffen konstruiert werden, die auch für Frauen geeignet waren. Für die damaligen NASA-Ingenieure eine Herausforderung: Der weibliche Urin sei schleimbasiert und könnte die Leitungen verstopfen – so die damalige Meinung unter führenden NASA-Mitarbeitern. Das war 1978!

Weiteres Unwissen über die weibliche Biologie bewies die NASA 1983, als sie Sally Ride auf eine Weltraummission schickten. Ihnen war nicht klar, wie viele Tampons Rides für die siebentägige Mission benötigte. Ob 100 Stück die richtige Menge seien, sei sie gefragt wurden. Sie verneinte.

Wanderlust im Weltraum

In den nächsten Jahrzehnten haben einige Nationen ihre ersten Frauen in den Orbit befördert. Doch 2001 geht die US-Astronautin Susan Helms, zusammen mit ihrem Kollegen Jim Voss, in die Weltraumgeschichte ein. Beide installieren von außen eine Druckluftkammer, an der Raumnschiffe andocken sollten. Ihr Außeneinsatz dauerte knapp neun Stunden und ist bis heute der längste Spacewalk aller Zeiten.

Frauen im Weltraum

Walentina Tereschkowa, 1963
1963 bricht die erste Frau ins Weltall auf. Es ist Walentina Tereschkowa, die von der damaligen Sowjetunion für drei Tage in den Orbit befördert wird. Dort führt sie auch den ersten weiblichen Weltraumspaziergang aus. Bildrechte: IMAGO / United Archives International
Walentina Tereschkowa, 1963
1963 bricht die erste Frau ins Weltall auf. Es ist Walentina Tereschkowa, die von der damaligen Sowjetunion für drei Tage in den Orbit befördert wird. Dort führt sie auch den ersten weiblichen Weltraumspaziergang aus. Bildrechte: IMAGO / United Archives International
Sally Ride
Als erste US-Amerikanerin wird die Astronautin Sally Ride 1983 ausgewählt. Für ihren Einsatz haben die NASA-Ingenieure ihr einen Schminkköfferchen mitgegeben - den sie allerdings nie benutzt hat. Bildrechte: NASA
Helen Sharman
Nach und nach schickten einzelne Länder ihre ersten Frauen nach oben. Helen Sharman war die erste Britin (1991) im All. Großbritannien war somit das erste Land, dass als ersten Astronauten eine Frau ausgewählt hat. Bildrechte: NASA
Roberta Lynn Bondar
Doch die 1990er waren auch für andere Nationen die Zeit, in der sie Frauen ins Weltall beförderten. 1992 schickt Kanada Roberta Lynn Bondar ins All. Bildrechte: NASA
Chiaki Mukai
Die erste Asiatin im Weltall kommt aus Japan: Es ist Chiaki Mukai, die 1994 auf den Weg geschickt wurde. Bildrechte: NASA
Die Astronautin Claudie Haigneré im Raumanzug
Frankreich schickt 1996 Claudie Haigneré in die unendlichen weiten unseres Orbits. Bildrechte: MDR / ESA / CNES
Nancy Jane Sherlock Curie
Nach Jahren der Rivalität legen die USA und Russland ihre Feindschaft bei Seite und arbeiten gemeinsam an der Internationalen Raumstation ISS. Diese wird 1998 im Orbit installiert. Zunächst befördert Russland das Modul Sarja ins All. Daran andocken sollte der Verbindungsknoten Unity, der von den USA gebaut wurde. Angebracht wird es unter anderem von der Astronautin Nancy Jane Sherlock-Curie. Sie ist somit die erste Frau auf der ISS. Bildrechte: NASA
Eileen Collins
Eileen Collins fliegt 1999 ins Weltall. Bereits 1993 war Eileen Collins (USA) die erste Frau, die auf dem Pilotensitz des Spaceshuttles saß. Zwei Jahre später flog sie das Raumschiff Discovery zur russischen Raumstation Mir. Es war die erste amerikanische Raumfähre in der Geschichte, die die russische Station anflog. Doch den wohl größten Rekord durfte Collins 1999 einfahren:  Sie bekam das Kommando über das Spaceshuttle und war somit die erste Kommandantin in der Geschichte der weiblichen Raumfahrt. Bildrechte: NASA
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Wie der Bosten-Marathon ins Weltall kam

Sechs Jahre später will Sunita Williams (USA) am Boston-Marathon teilnehmen, doch sie befindet sich währenddessen auf der Internationalen Raumstation. Aus diesem Grund verlegt sie den Marathon einfach in 400 Kilometer Höhe. Während die ISS dreimal die Erde umrundet, läuft Williams die 42 Kilometer auf einem Laufband. Dabei schaut sie sich Videos vom Streckenverlauf an und erreicht die Zielgerade nach vier Stunden, 23 Minuten und 46 Sekunden. Die Startnummer 14.000 hat somit den höchsten und schwerelosesten Marathon der Welt absolviert.

The first all-female spacewalk

2019 gab es zwei Heldinnen zu feiern. Die US-Amerikanerinnen Jessica Meir und Christina Koch vollziehen den ersten all-female spacewalk, den ersten Weltraumspaziergang, bei dem die Crew rein weiblich besetzt ist. Zuvor sind Frauen immer nur in männlicher Begleitung aufgebrochen. Per Telefonverbindung überschüttet der amerikanische Präsident die Astronautinnen in gewohnter Trump-Manier mit Lobesbekundungen und beschreibt den Einsatz als "wirklich historisch" – das ist er auch, doch Meir stellt klar, dass sie und Koch hier nur ihren Job machen.

Damit es zum Einsatz kommen konnte, musste ein weiterer Raumanzug zur ISS gebracht werden. Ein altes Problem, dass die NASA bereits seit Jahren belastet: Die Raumanzüge waren zu groß. Als die ersten Astronautinnen ihren Dienst antraten, wurde angenommen, dass sie die gleichen Anzüge tragen könnten, wie ihre männlichen Kollegen. Schließlich gab es Größen von XS bis XL. Dass ihr Körperbau dabei ein ganz anderer ist, wie der eines Mannes, war kein Faktor, der berücksichtigt wurde. Zwar wurde diese Problematik über die Jahre behoben, doch Einsparungen in der Raumfahrt führten dazu, dass sich auf der ISS keine zwei Anzüge in der Größe M befinden. Der historische Einsatz verzögerte sich somit um ein halbes Jahr.

Kochs first all-female spacewalk beschreibt sie als besonderes Erlebnis: "Ich hoffe, es hat zwei Effekte: Es soll künftige Weltraumforscher inspirieren, aber auch eine Huldigung für diejenigen sein, die uns den Weg hierhin geebnet und die Grundarbeit dafür gemacht haben." Die erste weibliche Besatzung aus Deutschland könnte mit Insa Thiele-Eich oder Suzanna Randall gebildet werden.

Frauen im Weltraum im neuen Jahrtausend

Susan Helms
2001 gehört die US-amerikanische Astronautin Susan Helms zur ersten festen Besatzung der Internationalen Raumstation. Zusammen mit ihrem Kollegen Jim Voss macht sie den längsten Spacewalk der Geschichte: Fast neun Stunden befinden sich beide im All, um eine Luftdruck-Kammer anzubringen. Bildrechte: NASA
Susan Helms
2001 gehört die US-amerikanische Astronautin Susan Helms zur ersten festen Besatzung der Internationalen Raumstation. Zusammen mit ihrem Kollegen Jim Voss macht sie den längsten Spacewalk der Geschichte: Fast neun Stunden befinden sich beide im All, um eine Luftdruck-Kammer anzubringen. Bildrechte: NASA
Anousheh Ansari
Der US-amerikanischen Iranerin Anousheh Ansari half ihr Geld 2016 auf die Raumstation. Sie ist die erste weibliche Weltraumtouristin. Bildrechte: NASA
Sunita Williams
2007 ist die US-Amerikanerin Sunita Williams den Boston-Marathon auf der ISS gelaufen. Bildrechte: NASA
Yi So Yeon
Das zweite Land der Welt, dass als ersten Astronauten eine Frau in den Weltraum schickt, ist Südkorea. 2008 wird Yi So Yeon in den Orbit befördert. Bildrechte: NASA
Taikonautin Liu Yang im chinesischen Raumfahrzentrum in Jiuquan.
China schickt 2012 seine erste Taikonautin zu den Sternen. Zwölf Tage verbringt Liu Yang im Orbit und nimmt dort die erste chinesische Raumstation Tiangong 1 in Betrieb. Bildrechte: imago/China Foto Press
Samantha Cristoforetti
Die nächste Astronautin gehört zum europäischen Astronautenkorps und stammt aus Italien. Samantha Cristoforetti brach im November 2014 für eine Langzeitmission zur ISS auf. Bildrechte: MDR / ESA / M. Koell
Peggy Whitson
So lange wie Peggy Whitson war noch keine Frau im Weltraum. Insgesamt verbrauchte sie auf all ihren Missionen rund 665 Tage im All. Bei ihren zehn Außeneinsätzen kommt sie bereits auf 60 Stunden - so viele wie keine andere Astronautin. Zudem war sie der erste weibliche Commander auf der ISS. Mittlerweile hat sie den Astronautenhandschuh bei Seite gelegt und den Weg für weitere Astro-Frauen frei gemacht. Bildrechte: NASA
Anne McClain
Von sportlich wechseln wir zu kriminell: 2019 fand vielleicht das erste Verbrechen im All statt. Die mögliche Täterin ist Anne McClain (USA). Sie soll Identitätsdiebstahl begannen haben, so der Vorwurf ihrer Noch-Ehefrau. Seit 2018 befindet sich das Paar im Scheidungsverfahren. Während sich ihre Frau auf der Erde befindet, schaut sich McClain ihr gemeinsames Bankkonto an. Ein Rosenkrieg in zwei Welten, der weiterhin anhält. Bildrechte: NASA
Christina Koch & Jessica Meir
Hier sieht man zwei Frauen, die ein einzigartiges Zeichen setzt: Jessica Meir und Christina Koch kurz vor ihrem first all-female spacewalk im Jahr 2019. Bildrechte: NASA
Christina Koch
So lange war noch keine im All - zumindest am Stück. Nach ihrer Rückkehr zur Erde am 6. Februar 2020 hat die Amerikanerin Christina Koch 328 im All verbracht. Bildrechte: NASA
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 10. März 2019 | 22:30 Uhr

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