Künstliche Intelligenz (KI)
So rational handeln wie eine Maschine? Ganz schön viel Druck. Bildrechte: imago images / Panthermedia

Energie tanken! Lässt der Mensch-Maschine-Vergleich uns gesünder leben?

13. Februar 2021, 12:00 Uhr

Der Mensch ist die perfekte Maschine: Wie bei einem gut geschmierten Motor greift hier Zahnrad in Zahnrad. Und um perfekt zu leben, müssen wir uns also einfach so Verhalten wie ein Roboter, wollen Marketing und Werbung uns weismachen: Energie tanken mit Sport und gesunder Ernährung! Doch taugt dieser Mensch-Maschine-Vergleich tatsächlich dazu, Menschen zu einer gesünderen Lebensweise zu motivieren?

Es ist eine Strategie, die wohl jedem von uns schon einmal begegnet ist: In Werbe- und Marketingkampagnen wird der Mensch mit einer Maschine verglichen. Er funktioniert perfekt, optimiert sich selbst und trifft ganz rationale Entscheidungen. Mithilfe dieser Erzählung sollen uns dann oft Dinge verkauft werden – im Bereich Sport und Ernährung zum Beispiel. Aber nicht nur: Auch nicht-kommerzielle Kommunikatoren wie etwa Regierungen und NGOs haben schon auf den Mensch-Maschine-Vergleich gesetzt, um uns zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren.

Die Idee dahinter: Der Ansatz will die Assoziationen nutzen, die wir Menschen mit Maschinen verbinden. Denn die treffen Entscheidungen natürlich ausschließlich rational. Das soll wiederum dabei helfen, selbst so "maschinenartig" mit den Dingen umzugehen – zum Beispiel eben mit der Ernährung. Wir sollen also rational und berechnend wie der Roboter zum gesunden Lebensmittel greifen.

Strategie kann nach hinten losgehen

Aber funktioniert dieses Konzept? Um das herauszufinden, haben Forschende der Universität Amsterdam und der Stanford University untersucht, ob das klappt. Sie haben in insgesamt fünf Studien untersucht, wie sich die Darstellung des Menschen als Maschine auf Verbraucher auswirken – insbesondere im Hinblick auf das Essverhalten und ihre Gesundheit. Die Untersuchung ist im Fachmagazin Journal of Marketing veröffentlicht worden.

Das Ergebnis: Bei einem Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher funktioniert das. Allerdings ausgerechnet bei denen, die ohnehin einen gesunden Lebensstil pflegen. Bei denjenigen, die diese Kampagnen erreichen sollen, sieht das aber ganz anders aus, schreiben die Forschenden: Menschen, die ohnehin wenig Vertrauen in ihre Fähigkeit haben, gesunde Lebensmittel zu wählen, greifen sogar zur ungesünderen Option. Die Mensch-Maschine-Darstellung erreicht hier also genau das Gegenteil.

Eine unmögliche Erwartung

Die Begründung, die die Forschenden für diesen Effekt anführen, klingt nur allzu menschlich: Die Menschen haben schlichtweg das Gefühl, der Erwartung, eine perfekte, rationale Entscheidung zu treffen, gar nicht gerecht werden können. Und deshalb versuchen sie es gar nicht erst. Sie fühlen sich offenbar nicht einmal motiviert dazu, rationaler zu Handeln als sonst. Stattdessen löst das Gefühl, ohnehin nicht wie eine Maschine handeln zu können, also ein ungesünderes Verhalten aus. Forscherin Andrea Weihrauch hält Mensch-Maschine-Darstellungen deshalb insbesondere für Kampagnen, die gesundes Verhalten fördern sollen, für einen wenig geeigneten Ansatz.

Die Strategie, die mit guten Absichten zur Aufklärung der Verbraucher und zur Verbesserung ihrer Gesundheit genutzt wird, kann nach hinten losgehen, weil sie genau der Gruppe schadet, der Verbraucherschutzorganisationen helfen wollen.

Dr. Andrea Weihrauch, Universität Amsterdam
Groߟküche einer Kantine
Wer die Wahl hat, hat die Qual - auch in der Kantine. Bildrechte: imago/Olaf Döring

Doch die Forschenden schreiben diesen Ansatz nicht ganz ab, sondern liefern eine praktische Lösung, um diesen Effekt zu umgehen: Die Darstellung vom Menschen als Maschine müsse von der klaren Botschaft begleitet werden, dass es definitiv für jede Person möglich ist, auf eine "maschinenartige" Art und Weise – zum Beispiel Lebensmittel – auszuwählen. Sie haben das in einer Cafeteria getestet: Dort hat das Hinzufügen dieser Botschaft dafür gesorgt, dass die Wahl gesunder Lebensmittel bei den Kundinnen und Kunden um 22 Prozent zugenommen hat.

Dennoch warnen die Forschenden insbesondere in Hinblick auf Kampagnen gegen Fettleibigkeit und für einen gesünderen Lebensstil: Die Sache mit der Mensch-Maschine kann ordentlich nach hinten losgehen. Denn wir sind eben keine Maschinen, sondern Menschen mit all ihren Fehlern. Das wusste schon Popmusiker Tim Bendzko.

(kie)

0 Kommentare