Psychologie Videokonferenzen sind schlecht für die Kreativität
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27. April 2022, 17:00 Uhr
Videokonferenzen haben in Corona-Zeiten die klassischen Arbeitstreffen abgelöst. Doch ein adäquater Ersatz sind die virtuellen Begegnungen im Netz nicht. Vor allem die Kreativität der Teilnehmer leidet spürbar, wie US-Psychologen nachgewiesen haben.
Das Arbeiten von zu Hause hat während der Corona-Pandemie weltweit einen enormen Schub bekommen. Untersuchungen aus den USA ergaben, dass 20 Prozent aller Arbeitstage während der Pandemie im Homeoffice stattfanden. In Deutschland arbeiteten statistischen Erhebungen zufolge in Spitzenzeiten mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer von zu Hause aus.
Selbst große Arbeitsbesprechungen lassen sich mittlerweile dank verbesserter Software, Netzwerkqualität und hoher Bildschirmauflösung bequem im Homeoffice abhalten. Derartige Videokonferenzen vermitteln zumindest die gleichen akustischen und nonverbalen Informationen wie die persönliche Interaktion von Menschen im selben physischen Raum.
Kreativitäsverlust im Großversuch nachgewiesen
Doch das Ganze hat einen Haken, wie die US-Psychologen Melanie Brucks und Jonathan Levav nun herausfanden. Laut ihrer in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Studie reduzieren nämlich Videokonferenzen bzw. Videotelefonate im Vergleich zu persönlichen Begegnungen in spürbarem Maße die Kreativität der Beteiligten.
Für ihre Untersuchung ließen Brucks und Levav 1.490 Probanden in Europa und Asien paarweise entweder von Angesicht zu Angesicht oder per Videoschalte an Produktideen für ein Telekommunikationsunternehmen arbeiten, aus denen letztlich ein konkreter Innovationsvorschlag hervorgehen sollte. Dabei fanden sie heraus, dass die persönlichen Paare insgesamt mehr und auch kreativere Ideen entwickelten als die virtuellen Paare. Nur bei der Auswahl der einzureichenden Produktinnovation waren die Paare mit Videoanruf genauso effektiv wie die Paare, die sich persönlich trafen.
Kommunikation auf Bildschirm konzentriert
Die Studienergebnisse der beiden US-Psychologen bestätigten frühere Labortstudien, bei denen festgestellt wurde, dass virtuelle Partner mehr Zeit damit verbringen, ihr Gegenüber direkt anzuschauen. Unbewusst wollen sie damit den für die Kommunikation wichtigen Blickkontakt herstellen. Da jedoch keiner der Video-Partner den Eindruck hat, dass ihm der jeweils andere wirklich in die Augen schaut, bleibt die Kommunikation problembehaftet. So haben etwa virtuelle Paare nicht selten Schwierigkeiten, genau zu bestimmen, wer als nächstes spricht.
Brucks und Levav schlussfolgern, dass Videoanrufe die Kommunikation auf einen Bildschirm konzentrieren, was den kognitiven Fokus einschränkt und die kreative Ideenfindung verringert. Dies gelte für zufällig zusammengeführte wie für etablierte Teams gleichermaßen. Zudem bestätigten ihre Untersuchungen auch frühere Erkenntnisse, dass virtuelle Paare immer noch kreativer sind als große virtuelle Gruppen. Wer also bei Videokonferenzen ein Feuerwerk der Kreativität erwartet, könnte schwer enttäuscht werden.
Urteilsvermögen weniger beeinträchtigt
Weniger beeinträchtigt als die Ideenfindung ist nach den Erkenntnissen der US-Psychologen allerdings das Urteilsvermögen in Videokonferenzen. Da die kritische Bewertung kreativer Ideen einen anderen kognitiven Prozess erfordert als die Ideengenerierung, wird sie durch den eingeengten kognitiven Fokus nicht beeinträchtigt, schlussfolgern sie.
Sprich: Während das persönliche Treffen für die kreative Arbeit extrem wichtig ist, funktionieren weniger kreative Tätigkeiten auch in einer virtuellen Zusammenarbeit recht gut.
(dn)
part am 27.04.2022
Was, wenn KI zwischengeschaltet wird, ohne dass es die Teilnehmer bemerken, alles geht, nix muss und alles ist möglich...