Grafik: James-Webb-Teleskop
Das James Webb Weltraumteleskop hat die ersten spektakulären Bilder aus dem All eingefangen. Bildrechte: NASA

Astronomie James Webb Teleskop liefert faszinierende Fotos aus den Tiefen des Universums

11. April 2024, 15:59 Uhr

Es ist der tiefste Blick in die Unendlichkeit und die Geschichte des Universums, den die Menschheit jemals gewagt hat: Die Nasa hat die ersten Farbbilder des James Webb Weltraumteleskops veröffentlicht. Sie eröffnen einen faszinierenden Blick auf ferne Galaxien, Sterne und Nebel. Mit der Veröffentlichung startet nun auch offiziell die wissenschaftliche Arbeit mit dem bislang größten und leistungsfähigsten Teleskop, das je ins All gebracht wurde.

Es ist eine gemeinsame Anstrengung der US-amerikanischen, europäischen und kanadischen Weltraumbehörden Nasa, Esa und CSA, die den atemberaubenden Blick ins Weltall möglich macht. Sie haben das James Webb Weltraumteleskop – kurz JWST – in Kooperation ins All gebracht. Und nun können die ersten Farbbilder der Öffentlichkeit präsentiert werden. Sie liefern beispiellos detaillierte Ansichten des Universums. Die Nasa spricht gar von dem Beginn einer neuen Ära in der Astronomie. Jedes der ersten Vollfarbbilder und auch die spektroskopischen Daten des Teleskops deckten zahlreiche kosmische Merkmale auf, die bisher schwer zu fassen oder gar komplett unentdeckt waren.

Heute präsentieren wir der Menschheit eine bahnbrechende neue Sicht auf den Kosmos vom James Webb Weltraumteleskop – eine Sicht, die die Welt noch nie zuvor gesehen hat.

Bill Nelson, Nasa

Eine neue Ära der Astronomie, mit Technik aus Thüringen

Das Weltraumteleskop wird Antworten auf Fragen liefern, die wir jetzt noch nicht einmal kennen, sagte Nasa-Administrator Bill Nelson. "Fragen, die uns helfen werden, unser Universum und den Platz der Menschheit darin besser zu verstehen." Denn das James Webb Teleskop soll das Unbekannte im Weltraum erforschen. Und schon die ersten Aufnahmen erzählen uns etwas über die Geschichte des verborgenen Universums – fast bis hin zum Urknall.

Die ersten Bilder des Teleskops sind heute (12. Juli) mit einer großen Live-Übertragung von der Nasa präsentiert worden. Sie reichen vom Sternenkindergarten in unserer eigenen Galaxie, über den benachbarten Exoplaneten bis hin zu den am entferntesten jemals beobachteten Galaxien des frühen Universums. Und sie demonstrieren die Fähigkeiten aller vier hochmodernen wissenschaftlichen Messinstrumente des Teleskops, an denen auch Forscher aus Thüringen mitgearbeitet haben. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena lieferte Präzisionsspiegel und half mit seinem Knowhow bei der Kalibrierung wichtiger Messinstrumente.

SMACS 0723 – diese Galaxie ist ein Vergrößerungsglas

Der Galaxienhaufen SMACS 0723 liegt rund 4,6 Milliarden Licht von der Erde entfernt im südlichen Bereich des Sternbilds Fliegender Fisch. Das von Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschriebene Prinzip der Krümmung des Raums durch massehaltige Objekte sorgt als sogenannter Gravitationslinsen-Effekt dafür, dass dieser Galaxiehaufen wie eine Art Vergrößerungsglas für die Objekte im Hintergrund wirkt – also noch weiter entfernte, lichtschwächere Galaxien.

Das James Webb Teleskop zeigt ein erstes Farbfoto
Bildrechte: NASA, ESA, CSA, and STScI

Das Bild von SMACS 0723 war bereits vorab von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus präsentiert worden. Es ist die bisher tiefste und schärfste Infrarotaufnahme des fernen Universums. Es ist eine Komposition aus Mehrfachbelichtungen, die jeweils etwa zwei Stunden lang waren und es hat ungefähr die Größe eines Sandkorns, das auf Armlänge gehalten wird. Und trotzdem sind auf dieser "Deep Field"-Aufnahme einige der entferntesten Galaxien zu finden, die jemals entdeckt wurden. So stammten etwa die weißen Galaxien aus der Zeit, in der die Erde entstanden ist. Weil das Licht aber so lange gereist ist, können wir diese jetzt sehen, heißt es bei der Nasa-Präsentation. So klar wie auf diesem Bild, sehen Astronomen das zum ersten Mal, in einigen der Galaxien seien sogar Sterne zu erkennen. Besonders spannend sind die roten Galaxien: Die seien mehr als 13 Milliarden Jahre alt und stammten damit aus einer Zeit kurz nach dem Urknall – ein Blick fast bis an den Beginn der Geschichte des Universums also. Mithilfe der Messinstrumente des JWST könne sogar die chemische Zusammensetzung dieser Galaxien bestimmt werden.

WASP-96b – Wolken auf dem Exoplaneten in der Milchstraße

Exoplanet WASP 96b ist ein Gasriese. Er ist 1.120 Lichtjahre von der Erde entfernt und liegt im Sternbild Phoenix. Er umkreist seinen Stern alle 3,4 Tage.

Eine grafische Darstellung zeigt anhand eines Graphen, dass es Wasser in der Atmosphäre des Exoplaneten WASP 96b gibt und wie des verteilt ist.
Bildrechte: NASA, ESA, CSA, and STScI

Das James Webb-Bild zeigt im Fall des Exoplaneten kein Bild des Himmelkörpers, sondern ein Spektrum – also eine Analyse, die Forschenden mehr darüber verrät, wie der Exoplanet beschaffen ist und woraus sich seine Atmosphäre zusammensetzt. Es ist das erste Spektrum von WASP 96b überhaupt. Es enthüllte die klare Signatur von Wasser, zusammen mit Hinweisen auf Dunst und Wolken. Bisher nahmen Forschende an, dass der Gasriese völlig wolkenfrei sei.

Südlicher Ringnebel: Das Leuchten eines sterbenden Sterns

Der Südliche Ringnebel ist ein sogenannter Planetarer Nebel, der einen sterbenden Stern umgibt. Er ist nur am Südhimmel zu sehen und liegt ungefähr 2.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schiffssegel. Er besteht aus einem leuchtenden Gas, das aus den äußeren Schichten eines sterbenden Sternes stammt. Die Gaswolke breitet sich immer weiter aus mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Sekunde.

Farbaufnahmen des James Webb-Weltraumteleskops vom Südlichen Ringnebels mit zwei verschiedenen Messgeräten.
Bildrechte: NASA, ESA, CSA, and STScI

Das JWST hat nicht nur extrem detailreiche erste Aufnahmen dieser sich ausdehnenden Gaswolke geliefert, sondern auch zum ersten Mal einen zweiten sterbenden Stern mit ins Blickfeld geholt. Das Bild zeigt Aufnahmen zweier Instrumente: links in nahem Infrarotlicht und rechts im mittleren Infrarotlicht.

Stephans Quintett: Der Tanz der Galaxien

Stephans Quintett war die erste Galaxiengruppe, die als solche erkannt wurde. Sie besteht aus den Galaxien NGC 7317, NGC 7318A, NGC 7318B, NGC 7319 und NGC 7320C. Vier von ihnen sind etwa 300 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Sie befinden sich aufgrund der Gravitationskräfte in einer Art kosmischem Tanz miteinander. Die gegenseitige Anziehung sorgt auch für ihre verformte Erscheinung. Eine weitere Galaxie, die neben Stephans Quintett zu sehen ist, gehört nicht dazu und ist mit 40 Millionen Lichtjahren deutlich näher bei uns. Alle diese Galaxien liegen im Sternbild Pegasus.

Farbaufnahme des James Webb-Weltraumteleskops von der Galaxiengruppe Stephans Quintett.
Bildrechte: NASA, ESA, CSA, and STScI

Dank seines Infrarot-Instruments kann das JWST die Staubschleier dieser Galaxiengruppe durchbohren und enthüllte so die Geschwindigkeit und Zusammensetzung des Gases in der Nähe ihres supermassiven Schwarzen Lochs. Forschende können jetzt in nie dagewesener Detailtreue beobachten, wie die Galaxien interagieren und zum Beispiel ineinander die Entstehung von Sternen auslösen. So lernen sie etwas über die Evolution von Galaxien.

Carinanebel: Sternekindergarten in der Milchstraße

Der Carinanebel (NGC 3372) liegt in einem hellen Teil unserer Galaxie, der Milchstraße. Der große Nebel umfasst mehr als 300 Lichtjahre und ist etwa 7.500 Lichtjahre entfernt. Der Emmissionsnebel liegt im Sternbild Schiffskiel und enthält massereiche Sterne und veränderliche Nebel. Besonders interessant ist der Carinanebel, weil er einer der größten Sternenkindergärten der Milchstraße ist. Hier werden nämlich neue Sterne geboren. Der energiereichste Stern im Carinanebel dagegen heißt Eta Carinae und hat den Großteil seiner Leuchtkraft bereits verloren. Es wird vermutet, dass er kurz vor einer Supernovaexplosion stehen könnte.

Farbaufnahme des James Webb-Weltraumteleskops vom Sternenkindergarten Carinanebel in der Milchstraße.
Bildrechte: NASA, ESA, CSA, and STScI

Das James Webb Teleskop blickt in diesem Bild auf die "kosmischen Klippen" des Carinanebels. Das Bild enthüllt erstmals die frühesten Phasen der Sternenentstehung. Künftig kann im Sternenkindergarten ganz genau das Gas und der Staub untersucht werden, aus dem sich neue Sterne gebildet haben. Das James Webb-Bild zeigt den Nasa-Fachleuten zufolge zahlreiche völlig neue Sterne – jeder leuchtende Punkt sei ein Stern, der auch Planeten haben könnte. Das JWST eröffne jetzt ganz neue Einblicke in die Entstehungsprozesse neuer Sterne.

Der Beginn von etwas Revolutionärem

Bei der Präsentation der Bilder war auch der Nasa-Wissenschaftler und Physik-Nobelpreisträger John Cromwell Mather mit dabei. Er begleitet das James Webb-Projekt seit der ersten Idee 1995 sagte er. Das sei direkt nach der Bestätigung der Urknalltheorie durch die Messungen des COBE-Satelliten gewesen. Und nun endlich sei die Zeit gekommen, mehr über diesen Zeitraum in der Geschichte des Universums erfahren zu können. "Absolut spannend!", freute sich der Astrophysiker und bedankte sich bei dem internationalen Projektteam.

Die Ausrüstung funktioniert perfekt und die Natur ist voller überraschender Schönheit.

John Cromwell Mather, Nasa-Forscher und Physik-Nobelpreisträger

Die Veröffentlichung von Webbs ersten Bildern und Spektren leitet den Beginn von wissenschaftlichen Operationen ein, bei denen Astronomen auf der ganzen Welt die Möglichkeit haben werden, mit den vier Instrumenten von Webb alles zu beobachten, von Objekten in unserem Sonnensystem bis hin zum frühen Universum.

Das Universum wird nie wieder so aussehen wie zuvor

"Heute ist der Beginn von etwas wirklich Revolutionärem in der astronomischen Forschung. Das Universum wird nie wieder so aussehen wie zuvor – es wird größer, dynamischer und detaillierter erscheinen als je zuvor", sagte Kenneth Sembach, Direktor am Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore/USA. "Diesen Beobachtungen zu folgen, wie sie von unseren Teams für die heutige Veröffentlichung akribisch geplant, durchgeführt und verarbeitet wurden, war eine aufregende und lohnende Erfahrung. Ich bin begeistert, dass unsere Mitarbeiter hier am STScI im Mittelpunkt stehen, um mit diesem unglaublichen neuen Observatorium astronomische Spitzenforschung zu ermöglichen und durchzuführen."

Die Veröffentlichung von Webbs ersten Bildern und Spektren leitet den Beginn der wissenschaftlichen Arbeit mit dem JWST ein. Astronominnen und Astronomen auf der ganzen Welt können mit den vier Instrumenten an Bord alles von Objekten in unserem Sonnensystem bis hin zum frühen Universum beobachten. Das ermöglicht unter anderem auch Technik aus Jena. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF hat Spiegel für das "Mid InfraRed Instrument" (MIRI) entwickelt und gefertigt. Das Instrument hat jetzt unter anderem das Bild vom Südlichen Ringnebel eingefangen.

Beobachtungen vom stabilsten Punkt

James Webb war am 25. Dezember an Bord einer Ariane-Trägerrakete vom europäischen Weltraum-Bahnhof Kourou in Französisch-Guayana ins All gestartet – nachdem es zuvor Kostenexplosionen und immer neue Verschiebungen gegeben hatte. Die Weltraumagenturen der USA, Kanadas und Europas kooperieren bei dem Projekt.

Das JWST wurde rund 30 Jahre lang entwickelt und kostete schlussendlich etwa 10 Milliarden Dollar (rund 8,8 Milliarden Euro). Es folgt auf das Teleskop Hubble, das seit mehr als 30 Jahren im Einsatz ist. Während Hubble im optischen und ultravioletten Bereich arbeitet, untersucht James Webb im infrarotnahen Bereich. Dafür umkreist es anders als Hubble nicht die Erde, sondern befindet sich am sogenannten Lagrange-Punkt L2.

Warum der Lagrange-Punkt?

Der Lagrange-Punk L2 ist was die Gravitation im Bezugssystem Sonne, Erde, Teleskop angeht ein sehr stabiler Punkt. Die Gravitationskräfte von Erde und Sonne und die Zentrifugalkraft der Bewegung eines kleinen dritten Körpers, in diesem Fall das Teleskop, sind weitgehend im Gleichgewicht. Das bedeutet: Die Bahn kann bei geringem Aufwand (mit einem Korrekturschub der Triebwerke alle drei Wochen) stabil gehalten werden. Sonne, Erde und Mond befinden sich immer hinter dem Teleskop, so dass sie die Beobachtung nicht behindern und durch die Umkreisung kann das JWST den gesamten Weltraum sehen. Dadurch, dass das Teleskop aber nicht auf L2 verharrt, sondern ihn umkreist, steht es niemals im Erdschatten, was für die Energieversorgung wichtig ist.

Wissenschaftler erhoffen sich von den Aufnahmen des Teleskops unter anderem Erkenntnisse über die Zeit nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren. Sie hoffen auf Bilder von Sternen, die älter sind als unser Sonnensystem und vielleicht nicht mehr existieren – und möglicherweise sogar auf Hinweise auf eine zweite Erde. Die Lebensdauer von James Webb ist dabei zunächst auf zehn Jahre angelegt. Genug Treibstoff hat das Teleskop jedenfalls.

Wissen

Das James Webb Weltraumteleskop 5 min
Bildrechte: ESA

Links/Studien

Alle veröffentlichten Bilder und Informationen finden Sie auf der Website des James Webb Teleskops der Nasa.

(kie)