Sprachforschung Woher wissen wir, wann ein neues Wort anfängt?
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25. September 2024, 16:17 Uhr
Intuitiv wissen wir, wenn wir miteinander reden, wann ein neues Wort beginnt. Aber woher? Ein internationales Forscherteam unter Leipziger Leitung hat den universellen Mechanismus gefunden. Es geht um Millisekunden.
Sprachen sind so verschieden wie wir Menschen. Es gibt Sprachen, die keine Zahlen kennen oder ganz andere Konzepte für rechts oder links, oben und unten. Aber selbst in fremden Sprachen können wir erkennen, wann ein Wort endet und ein neues beginnt. Warum ist das so? Diese Frage war bisher nicht erforscht. Aber offenbar so bedeutsam, dass gleich ein internationales Team sich auf die Suche nach der Antwort gemacht hat. Forscherinnen und Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, des CNRS Laboratoire Structure et Dynamique des Langues (SeDyL) in Villejuif/Frankreich, der Humboldt Universität zu Berlin und des Leibniz-Zentrums Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS), ebenfalls in Berlin.
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist jetzt in der Fachzeitschrift „nature human behaviour“ veröffentlicht worden. Es lautet: Es gibt ein für fast alle untersuchten Sprachen gültiges Muster akustischer Effekte – die systematische Verlängerung von Konsonanten am Wortanfang. "Ursprünglich hatten wir erwartet, die Hypothese zu widerlegen, dass verlängerte Wortanfänge ein universelles Merkmal von Sprache sein könnten. Daher waren wir von den Ergebnissen unserer Analyse sehr überrascht”, sagt Erstautor Frederic Blum, Doktorand am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Blum hat die Studie initiiert und geleitet.
13 Millisekunden länger
In 43 der 51 untersuchten Sprachen gab es eindeutige Hinweise auf verlängerte Wortanfänge. In den restlichen acht Sprachen waren die Ergebnisse nicht eindeutig. In Zeit übersetzt, zeigte sich, dass die Konsonanten am Wortanfang etwa 13 Millisekunden länger sind. Diese Verlängerung sei allerdings nur einer von mehreren Faktoren, die dem Hörer helfen, Wortgrenzen zu erkennen und gesprochene Sprache in einzelne Wörter zu segmentieren, so das Autorenteam. Die anderen Faktoren, wie etwa besondere Artikulation, seien allerdings noch nicht genau untersucht. Dafür konnten die Forschenden noch einen weiteren Effekt erkennen. Gibt es im Sprachfluss Pausen, dann fällt die Verlängerung am Wortanfang weg.
Teilweise nur wenige Sprachbeispiele
Wie allgemeingültig sind die Aussagen? Für die Studie wurden nur Konsonanten am Wortanfang untersucht, keine Vokale. Auch die Anzahl der Sprachbeispiele unterlag gewissen Beschränkungen, stellen die Forscher zur Diskussion. So standen bei einigen Sprachen "nur einer (Kamas, Texistepec Popoluca und Yongning Na) oder zwei Sprecher (Tabasaran, Northern Alta, Kurmanji und Southern British English) zur Verfügung", während es bei vielen andere Sprachen Daten von mehr als zehn Sprechern gab. Dennoch sieht das Team die Ergebnisse der Studie als klaren Beleg dafür, dass "die Verlängerung von Wortanfangskonsonanten ein potenziell grundlegender Prozess ist, der die menschliche Sprache strukturiert"
Links/Studien
Frederic Blum, Ludger Paschen, Robert Forkel, Susanne Fuchs, Frank Seifart
Consonant lengthening marks the beginning of words across a diverse sample of languages
Nature Human Behaviour
gp
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Sprache als Quelle von Missverständnissen | 03. Oktober 2024 | 10:45 Uhr