Superconductor
Ein Supraleiter in einem Experiment. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Panthermedia

Physik Angeblicher Raumtemperatur-Supraleiter: Dresdner Physiker extrem skeptisch

02. August 2023, 11:26 Uhr

Koreanische Forschende wollen ein Material entwickelt haben, das Strom bei gewöhnlichen Temperaturen und Drücken nahezu verlustfrei leiten kann. Doch dieser Raumtemperatur-Supraleiter könnte fake sein.

Es wäre ein fulminanter Durchbruch der Forschung, praktisch der Stein der Weisen, der heilige Gral der Physik: Eine Gruppe südkoreanischer Forscher behauptet, ein supraleitendes Material entwickelt zu haben, also ein Metall, das elektrischen Strom bei Temperaturen um die 100 Grad Celsius und gewöhnlichem Atmosphärendruck ohne Widerstand leiten kann. Der sogenannte Raumtemperatur-Supraleiter würde verlustfreien Energietransport quer über Weltmeere und Kontinente hinweg ermöglichen und damit eine ganze Reihe von Problemen der Energiewende im Handumdrehen lösen.

Die Skepsis der internationalen Forschergemeinschaft ist deshalb groß, ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse der noch nicht begutachteten Studie das nun anstehende Review nicht überstehen.

Supraleiter "LK-99": Dresdner Forschende sehen viele Fragen ungeklärt

Bei dem synthetischen Material mit der Bezeichnung "LK-99" soll es sich um eine Blei-Apatit-Legierung handeln. Zur Demonstration ihres Materials haben die Forschenden ein Video veröffentlicht, dass das supraleitende Material dabei zeigen soll, wie es von einem Magneten angehoben wird.

Forschende vom Leibniz-Institut für Festkörper und Werkstoffforschung (LIFW) in Dresden haben auf Anfrage von MDR WISSEN einen Blick auf die beiden Aufsätze geworfen, die das koreanische Team veröffentlicht hat. Das Urteil der Dresdner Wissenschaftler fällt allerdings vernichtend aus. "Auf der Grundlage der experimentellen Beweise in den noch nicht begutachteten Manuskripten ist meine erste schnelle Reaktion, dass es sich nicht um einen Supraleiter handelt", sagt Nicola Poccia, Forschungsgruppenleiter am LIFW.

Supraleiter: Bislang nur bei extrem niedrigen Temperaturen oder sehr hohem Druck

Poccia glaub stattdessen, dass das Experiment fehlerhaft ist. "Was beobachtet wird, ist wahrscheinlich ein experimentelles Artefakt, gemischt mit mangelnder wissenschaftlicher Sorgfalt, im besten Fall. Die Präsentation ihrer Daten ist jedoch unübersichtlich, so dass es schwierig ist, in diesem Stadium eine endgültige Schlussfolgerung zu ziehen."

Die Idee eines Raumtemperatur-Supraleiters ist nach Ansicht vieler Wissenschaftler extrem faszinierend, die Einsatzmöglichkeiten wären enorm vielfältig. Allerdings: Bislang ist verlustfreie Übertragung von Strom nur möglich, wenn die leitenden Materialien entweder extrem stark abgekühlt oder unter sehr hohen Druck gesetzt werden.

Korrektur In einer früheren Fassung dieses Beitrags war im letzten Absatz die Rede von einer spannungsfreien Stromübertragung. Das ist falsch: ohne Spannung würde kein Strom fließen. Richtigerweise muss von verlustfreier Übertragung die Rede sein. Danke für den Hinweis.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | SWR Aktuell | 16. August 0022 | 19:56 Uhr

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