Familie von Rhesusaffen
Bisexuelle Rhesusaffen haben bei der Fortpflanzung die Nase vorn Bildrechte: imago/CHROMORANGE

Rhesusaffen Gleichgeschlechtlicher Sex: Für Rhesus-Affen ein Vorteil bei der Fortpflanzung

20. September 2023, 15:15 Uhr

Aus gleichgeschlechtlichem Sex gehen keine Nachkommen hervor. Dies galt lange als Argument dafür, dass er der Evolution widerspreche und daher "unnatürlich“ sein müsse. Eine Langzeitbeobachtung wildlebender Rhesusaffen kommt nun zu einer ganz anderen Erkenntnis.

Dass es auch im Tierreich Homo- und Bisexualität gibt, ist nicht neu. Bei rund 1.500 Tierarten haben Forschende verschiedene Spielarten dieses Miteinanders beobachtet, unter anderem bei Pinguinen, Meeressäugern und Bonobos. Allerdings meist nur gelegentlich und bei Tieren in menschlicher Obhut. Daher blieb bislang strittig, inwieweit diese Verhaltensweisen für wildlebende Artgenossen wirklich typisch sind. Bei Rhesusaffen gibt es solche nicht-heterosexuellen Kontakte allerdings häufig; das zeigen die Ergebnisse einer Langzeitstudie aus Puerto Rico, die in freier Wildbahn durchgeführt wurde.

Gleichgeschlechtliche Paarungen kamen sogar häufiger vor als Paarungen zwischen Männchen und Weibchen.

Sex mit anderen Männchen ist bei dieser Primatenart offenbar Gang und Gäbe, denn 72 Prozent der beobachteten männlichen Rhesusaffen praktizieren ihn, dokumentierten Jackson Clive und seine Kollegen vom Imperial College London. Drei Jahre lang analysierten sie das "Wer mit Wem?“ von insgesamt 236 Männchen auf der Insel Cayo Santiago. Das überraschende Ergebnis: "Insgesamt stellten wir fest, dass gleichgeschlechtliche Paarungen sogar häufiger vorkamen als Paarungen zwischen Männchen und Weibchen", so Clive.

Bisexuelle Rhesusaffenmännchen haben bei der Fortpflanzung die Nase vorn

Obwohl das zunächst absurd erscheint, haben die Wissenschaftler dafür eine durchaus schlüssige Erklärung: Zum einen sind die meisten männlichen Rhesusaffen der beobachteten Gruppen bisexuell und daher von der Fortpflanzung nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus konnten die Biologen nachweisen, dass sie ihre Gene sogar besonders erfolgreich weitergaben. Die Männchen, die auch Sex mit anderen Männchen hatten, zeugten mehr Nachkommen als rein heterosexuelle Geschlechtsgenossen. Das ließ sich anhand der bereits seit 1956 dokumentierten Genproben der Population detailliert nachweisen.

Die Analyse zeigte auch, dass die Neigung zu gleichgeschlechtlichem Sex bei den Rhesusaffen zumindest zu 6,4 Prozent genetisch bedingt ist. Zum Vergleich: Bei uns Menschen liegt der Anteil zwischen acht und elf Prozent. "Dies ist unseres Wissens nach der erste Beleg für eine genetische Basis gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens bei einem Primaten außer dem Menschen", sagt Clive.

Durch Sex entstehen offenbar Allianzen in der Gruppe

Rhesusaffen beim Sex
Bisexuelle Rhesusaffenmännchen sind für paarungsbereite Weibchen attraktiv. Bildrechte: imago/blickwinkel

Offenbar schmieden die Rhesusaffen durch die gleichgeschlechtlichen Kopulationen Allianzen, die ihnen helfen, sich bei Konflikten besser durchsetzen zu können. Das steigert ihre Chancen bei den paarungsbereiten Weibchen. "Diese sozialen Vorteile können zumindest zum Teil erklären, warum sich diese Praxis bei dieser Affenart evolutionär erhalten hat“, so Clive und seine Kollegen.

Sie sehen darin sogar eine evolutionäre Strategie. Denn auch bei Rhesusaffen in Thailand und Indien sei das beobachtet worden und die Tiere von Cayo Santiago wären demnach keine Ausnahme. Übrigens pflegen auch weibliche Primaten gleichgeschlechtlichen Sex, die Forscher hatten sich jedoch in ihrer Studie auf die Männchen konzentriert.

Homo- und Bisexualität wahrscheinlich evolutionär verankert

Clive und sein Team sehen in den Ergebnissen ihrer Arbeit eine Bestätigung für Homo- und Bisexualität als ein durchaus natürliches und evolutionär verankertes Verhalten. "Unglücklicherweise gibt es noch immer die Ansicht unter einigen Menschen, dass gleichgeschlechtlicher Sex 'unnatürlich' sei und in einigen Ländern steht auf Homosexualität sogar noch immer die Todesstrafe", so Seniorautor Vincent Savolainen vom Imperial College London. "Unsere Studie zeigt dagegen, dass gleichgeschlechtliches Verhalten auch bei nichtmenschlichen Primaten häufig sein kann."

Links/Studien

Die Studie "Verbreitung und Vererbbarkeit von gleichgeschlechtlichem soziosexuellen Verhalten bei Rhesusaffen" ist in Nature Ecology and Evolution erschienen. (Nature Ecology and Evolution, 2023; doi: 10.1038/s41559-023-02111-y)

krm

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1 Kommentar

Anni22 vor 35 Wochen

Da fehlt mir die Betrachtung der weiblichen Affen. Homo- oder bisexualität ist ja kein rein männliches Phänomen.