One Health Kann Klimaschutz Pandemien verhindern?
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09. Mai 2024, 17:02 Uhr
Corona hat es gezeigt: Erreger kennen keine Landesgrenzen. Wie also kann die nächste Pandemie verhindert werden? Die Forschung versucht es mit einem globalen Ansatz, bei dem der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt.
Eigentlich klingt es banal: One Health heißt der Forschungsansatz, der eigentlich nur besagt, dass die Gesundheit von uns Menschen mit der Biodiversität um uns herum, der Umwelt samt Klima und den Tieren zusammenhängt. Die globalen Dimensionen hat uns Corona bereits vor Augen geführt.
Global will deswegen auch die Forschung denken. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Pandemien auftreten, ist groß. Und auch, dass die Erreger aus dem Tierreich stammen: Schon jetzt stammen mehr als zwei Drittel der bekannten Infektionskrankheiten des Menschen laut Umweltbundesamt ursprünglich von Tieren. Tendenz steigend, glaubt man der WHO, dem Umweltbundesamt, zahlreichen Studien und auch Fabian Leendertz, Direktor des 2021 gegründeten Helmholtz-Zentrum für One Health.
Mit dem Konzept des Global Health will er an seinem Institut daran arbeiten, präventiv gegen Infektionskrankheiten vorzugehen. Und zwar gegen sogenannte Zoonosen, also jenen Krankheiten die zwischen Mensch und Tier übertragen werden können. Und dabei spielt der Klimaschutz eine wichtige Rolle.
(K)ein Platz für alle: Warum wir mit dem Klima auch die Gesundheit schützen
Krankheitserreger sind Bestandteil der Biodiversität. In artenreichen Ökosystem leisten sie sogar einen wichtigen Beitrag, dass Populationen einzelner Arten nicht Überhand nehmen. Je mehr aber der Mensch die natürliche Artenvielfalt stört, desto mehr gerät auch diese natürliche Kontrollinstanz aus dem Gleichgewicht. Wir schippern Krankheitserreger durch die Welt, widersetzen uns mit Antibiotika und dringen in die Lebensräume von Tieren ein, um für uns selbst Lebensräume zu schaffen. Was übrig bleibt, sind dominante Arten, sagt Fabian Leendertz. “Und wenn die dann ein gefährliches Virus tragen, wird der wahrscheinlicher auf den Menschen überspringen können."
Sie zu domestizieren und zu züchten, hilft da nur wenig. Im Gegenteil: Für Fabian Leendertz ist die massenhafte Haltung von Tieren eine "brandheiße Mixtur“, etwa wenn es um die Wildtierzüchtung für Pelze geht: "Wir sperren wilde Tiere auf engen Raum oder züchten sie. Sie sind aber nicht abgeschirmt vor den Wildtieren, die wirklich noch drumherum sind – Fledermäuse oder Nagetiere, die sehr von solchen Tierhaltungen angezogen werden, weil dort Insekten in Populationen entstehen." Auch in Sachen Klima ist die Massentierhaltung ein großer Faktor.
Und so ähneln die Lösungen für den Gesundheitsschutz auch stark denen des Klimaschutzes. Konkrete Maßnahmen dazu nennt das Umweltbundesamt in einer Publikation über den One Health-Ansatz: Neben der finanziellen Förderung von Naturschutzgebieten müsste die Abholzung eingeschränkt werden und das Fleisch speziell von Wildtieren besser reguliert werden. Nur fangen die Probleme da schon an.
Gesundheit ja, aber mit allen die gleiche?
Denn spätestens im Detail ist der universale Ansatz nicht mehr ganz so universal anwendbar. Die illegale Abholzung etwa ist oft die Lebensgrundlage ärmerer Menschen. Während wir über Nachwuchsmangel klagen, wächst in vielen Ländern die Bevölkerung und damit der Platzbedarf. Und auch der für Nahrung. Und wenn die Alternative Hunger ist, werden auch mal sichtbar kranke Tiere gegessen.
Überhaupt geht die Zerstörung von Biodiversität oft mit der Sicherung von Nahrung einher. Und selbst in Deutschland, wo genügend Nahrung vorhanden ist, gehen die Meinungen in Sachen Fleischkonsum weit auseinander. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland ist weiterhin über dem weltweiten Durchschnitt. Und das, obwohl auch unsere Massentierhaltung ein Paradies für Erreger ist.
Aber es stehen eben auch ökonomische Interessen über der Gesundheit einzelner. In den USA zum Beispiel gibt es das sogenannte "Cancer Valley" – eine Region am Flussdelta des Mississippi in Louisiana – und ja, der Name ist Programm. Denn dort, wo massenhaft Chemiefabriken für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sorgen, ist die Luft besonders schlecht und die Krebsrate besonders hoch. Weder Mensch, Tier, noch Umwelt sind hier gesund.
Auch hier haben ärmere Länder oft das Nachsehen. Und zwar im doppelten Sinne. Denn die Menschen sind dadurch nicht nur eher den Krankheitserregern ausgesetzt, sondern haben meist auch eine schlechtere Gesundheitsinfrastruktur. Ist One Health also überhaupt möglich?
One Health: Qual ja, Wahl nein!
Für Fabian Leendertz ist die Antwort klar: "Dem Erreger sind die Grenzen, die die Menschen gemacht haben, herzlich egal." Soll heißen: Wir müssen an einem Strang ziehen – ob wir wollen oder nicht.
Das wird nicht einfach. In der Wissenschaft etwa müssen viele Disziplinen zusammenarbeiten. Und für die Mittelgeber ist schwer zu belegen, dass man etwas verhindert hat, wenn es gar nicht passiert ist. Gleichzeitig treffen in der Politik oft gegensätzliche (ökonomische) Interessen und teilweise auch Skepsis gegenüber anderen Ländern aufeinander.
Der Ethikrat identifiziert noch ein weiteres Problem. Eine entscheidende Bedingung dafür, dass die Umweltbeziehungen von Menschen reguliert werden können, sei "ein funktionierender Staat und ein Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in den Staat und in die Art und Weise, wie die Staatsgewalt agiert." Dass das selbst in funktionierenden Demokratien ins Wanken geraten kann, hat Corona bereits offengelegt.
Für Fabian Leendartzs würde es aber fürs erste auch schon helfen zu sensibilisieren. "Schon in den Schulbüchern sollte vielleicht der Gedanke mit vermittelt werden, dass man eben sagt: Ja, wenn ich so und so mit meiner Umwelt umgehe, ist das nicht nur schlecht für die Umwelt und vielleicht auch das Klima, sondern kann auch was mit meiner Gesundheit zu tun haben."
Wie sehr, will er in den nächsten Jahren herausfinden. Forschende unterschiedlicher Disziplinen werden nun in einer Handvoll Dörfer in Afrika, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern Daten sammeln. Daten zu der Gesundheit der Menschen, ihrer Gemeinschaft, dem Lebensraum der Tiere, dem Mikroklima. Sie wollen so die Tragweite der verschiedenen Wechselbeziehungen erforschen, um sie dann für die globale Gesundheit einsetzen zu können.
Von so etwas wie Risikogebieten möchte Fabian Leendertz aber nicht sprechen. „Das klingt rein negativ.“ Vielmehr seien solche Gebiete mit eventuell erhöhtem Risiko eben oft auch Gegenden mit einer interessanten und wichtigen Biodiversität, die es für unseren Planeten und uns alle braucht. Die Verantwortung, wie in dieser Gegend mit Mensch, Tier und Umwelt umgegangen und zusammengearbeitet werde, liege bei uns allen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. April 2024 | 14:10 Uhr