Alternativen zu fossilen Brennstoffen Stroh als Kraftstoff-Quelle

19. Mai 2021, 12:05 Uhr

Stroh als Energiequelle: Eine Firma aus Sachsen-Anhalt macht das jetzt im großen Maßstab. Ein Prozess, der das Restprodukt aus der Landwirtschaft mittels Vergärung zu Methan umwandelt.

Stroh zu Gold spinnen – das kennen wir aus dem Märchen Rumpelstilzchen, in dem die arme Müllerstochter das tun soll, weil ihr Vater vor dem König mit der vermeintlichen Fähigkeit der Tochter geschwärmt hat. In der Uckermark, in der Gemeinde Pinnow nahe der polnischen Grenze, wird derzeit etwas ähnliches Realität. Aus Stroh wird hier Biokraftstoff hergestellt. Oliver Lüdtke arbeitet für die Verbio AG aus Sachsen-Anhalt, die diesen Verarbeitungsprozess entwickelt hat. Er sagt: Allein in Deutschland ließen sich mit diesen Anlagen ungefähr 50 Prozent des Schwerlastverkehrs auf diese Kraftstoffvariante umrüsten. Stroh gibt es ihm zufolge genug – deutschlandweit 20 Millionen Tonnen.

Wie funktioniert die Verwandlung Stroh zu Kraftstoff?

In einer Anlage wird das Stroh zerkleinert und vorbehandelt, bevor es für 30 Tage in einen Gärtank, den Fermenter, geht. Also ähnlich dem Prozess, der in einem Rindermagen teilweise stattfindet: Bei der Fermentierung zersetzen Bakterien das vorbehandelte Stroh, und dabei entsteht wertvolles Methan aus Zellulose. Dieses Roh-Biogas wird anschließend gereinigt, getrocknet und verdichtet. Von da geht das Biomethan direkt in die Erdgas-Pipeline. Nutzen lässt sich Biomethan zum Heizen oder um Fahrzeuge zu betanken. Vier große Ballen Stroh ergeben genug Kraftstoff, um einen Mittelklasse-Wagen ein Jahr lang zu fahren, so Verbio.

Warum die Treibhausgasbilanz von Stroh besser ist

Strohballen
Vier Ballen Stroh reichen der Verbio AG zufolge, damit ein Mittelklasse-Wagen ein Jahr lang fahren kann. Bildrechte: MDR WISSEN, Wolfram Huke

Am Deutschen Biomasse-Forschungszentrum DBFZ in Leipzig wird genau so etwas erforscht: Wie gelingt es, Rest- und Abfallstoffe wie Stroh oder Grünschnitt zu Kraftstoff zu machen? Wie gut verbrennen Biokraftstoffe im Motor? Kati Görsch leitet die Arbeitsgruppe Kraftstoffe und Motoren am DBFZ. Wichtiges Arbeitsmittel dabei ist der Motorprüfstand. Görsch zufolge geht es darum, das motorische Verhalten zu untersuchen, also zu schauen, wie gut sich der Kraftstoff verbrennen lässt, welche Emissionen entstehen, welche Partikel entstehen, welche Ablagerungen sich auf dem Katalysator ablagern. Die Leistung, die fortschrittliche Biokraftstoffe im Motor zeigen, sind vielversprechend, meint Dr. Görsch:

Wir konnten nachweisen, dass sich diese Kraftstoffe tatsächlich im Motor genauso anwenden lassen wie Kraftstoffe fossilen Ursprungs. Sie haben aber den Vorteil, dass das CO2, was als Treibhausgas ausgestoßen wird, vorher über die Pflanzen aus der Luft assimiliert wurde. Dadurch fällt am Ende die Treibhausgasbilanz besser aus als bei fossilen Kraftstoffen.

Zwar erzeugen auch Biokraftstoffe klimaschädliches CO2, aber weil Pflanzen zuvor CO2 aus der Luft aufgenommen haben, spart Biomethan etwa 90 Prozent davon ein. Hinzu kommt: Ernte-Abfälle wie Stroh müssen nicht extra angebaut werden. Das Dilemma "Tank oder Teller" ist damit vom Tisch.

Stroh statt Elektro?

Franziska Müller-Langer leitet am Biomasse-Forschungszentrum den Bereich der Bioraffinerien. Sie verweist darauf, dass wir zum Einhalten der Klimaziele keinesfalls nur auf Elektro setzen dürfen.

Wir haben in Deutschland 60 Millionen Bestandsfahrzeuge. Die kann man nicht von heute auf morgen elektrifizieren. Die kann man aber auch nutzen, um Klimaschutz im Verkehr zu machen, indem man erneuerbare Kraftstoffe einsetzt.

Dr. Franziska Müller-Langer, DBFZ

Wie zum Beispiel Kraftstoffe aus Stroh. Oliver Lüdtke von der Verbio AG würde lieber heute als morgen auf Biokraftstoffe setzen, schließlich seien sie auf dem Markt verfügbar und die Technologien dafür da. Aus seiner Sicht momentan die beste Möglichkeit, kurzfristig Klimaschutz zu betreiben. "Wir reden jetzt nicht über 2050, wir reden über 2021 bis 2030".

Auch aus Reisstroh lässt sich Biogas erzeugen

Bei der Erzeugung von Biomethan bleibt am Ende Biodünger übrig, hier schließt sich also ein Kreislauf.

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Biogas aus Agrarabfällen - in Indien funktioniert es, in Deutschland noch nicht. Warum eigentlich nicht?

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Die Restkomponenten des Strohs, die nicht zu Erdgas umgesetzt werden können, können zurück aufs Feld gebracht und wieder untergepflügt werden. Das funktioniert auch in Indien mit Reisstroh, erzählt Bernd Sauter, Vorstand der Verbio-AG. Normalerweise verbrennen die Reisbauern das Reisstroh, dann sei die Luft verpestet vom Rauch. Die Sachsen-Anhalter Firma biete den Farmern an, das Reisstroh in ihren Anlagen zu verarbeiten und die Reste zurück auf die Felder zu bringen. Auch in den USA investiere das Unternehmen.

Auch die Verwertung von Agarreststoffen kostet

Warum zündet der Kraftstoff in Deutschland nicht wirklich, rechnet sich das nicht? Generell sei es sinnvoll, Reststoffe aus der Landwirtschaft zu nutzen, meint Professor Walter Stinner, der ebenfalls am Biomasse-Forschungszentrum Leipzig arbeitet. Er sagt aber auch: "Durch Agrarreststoffe, auch wenn der Begriff impliziert, dass es kostenfrei zur Verfügung steht, entstehen trotzdem wirtschaftliche Herausforderungen und Kosten." Ob die Verarbeitung von Silomais oder Stroh zur Energiegewinnung billiger sei, hänge von der jeweiligen Prozesskette ab, von der Ernte des Rohstoffs über die Verarbeitung bis zum fertigen Gas. Das könne bis zu 25 Prozent niedrigere Bereitstellungskosten ergeben, sagt der Wissenschaftler, man müsse da sehr genau hinschauen.

(wh/rg/lfw)

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1 Kommentar

AlexLeipzig am 19.05.2021

Ein sehr interessanter Artikel! Wird dieser vielversprechende Ansatz auch staatlich gefördert? Aus meiner Sicht ist das ein riesiges Potenzial, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich im Sinne von regionaler Wertschöpfung, das wir schnellstmöglich verfügbar machen sollten, von Kfz über Heizungsanlagen bis zu dezentraler Energiegewinnung (Stichwort: regenerative Energie bei Sonnen-/Windflaute).