Ansicht von schräg oben: Frau sitzt in Raum mit Backsteinmauer an Fenster und hält Glas Cola mit Eiswürfeln in der Hand. Schaut etwas schuldig in Kamera. Moderne, entsättigte, künstlerische Farben.
Eine Cola pro Woche. Oder ein Ginger-Ale. Und dann ist gut. Bildrechte: imago/agefotostock

Ernährungsmedizin Zucker: Maximal sechs Teelöffel — 45 Krankheiten mit Zuckerkonsum als klarer Ursache

06. April 2023, 16:49 Uhr

Dass Zucker im Alltag nur sehr reduziert verzehrt werden sollte, ist mittlerweile ein alter Ernährungshut. Tausende Studien zum Thema weisen auf Erkrankungen durch zu hohen Zuckerkonsum hin. Eine neue Forschungsarbeit hat sich jetzt ans Sortieren gemacht –und gleich mal 45 Krankheiten rausgesucht, bei denen der Zusammenhang mit Zuckerkonsum besonders deutlich ist.

Die Zeiten der Zahnmännlein sind längst vorbei – inzwischen ist bei vielen Menschen angekommen, dass übermäßiger Zuckerkonsum durchaus mannigfaltigere Folgen haben kann als Löcher im Gebiss, auch wenn letztere tunlichst zu vermeiden sind. Zehn Prozent der täglichen Gesamtenergieaufnahme darf Zucker sein, nicht mehr, sagt die WHO. Wobei hier die Rede von zugesetztem Zucker ist, Würfelzucker zum Beispiel, aber auch solcher in verarbeiteten Lebensmitteln. Zuckervorkommen im natürlichen Verbund wie Laktose (Milchzucker) und Fruktose (Fruchtzucker) zählen nicht als zugesetzter oder "freier" Zucker – außer eben, sie wurden zugesetzt.

Nun ist Zucker seit geraumer Zeit ein großes Thema in der Ernährungswissenschaft, in der Medizin und im Alltag. Neue Erkenntnisse zum Zuckerkonsum gibt es zuhauf, da lässt sich schnell der Überblick verlieren. Gut, dass Forschende aus den USA und China jetzt eine Umbrella Review genannte Übersichtsstudie zum Thema durchgeführt haben. Umbrella Reviews werden in der Medizin eingesetzt, um eine Übersicht über Übersichtsstudien zu erhalten, also eine Bewertung von Meta-Studien. Mit anderen Worten: Eine strenge Prüfinstanz für Forschung zum Thema Zuckerkonsum, aus der auch klare Richtlinien für den täglichen Zuckerkonsum abgeleitet werden können.

Mehr als 8.600 Forschungsarbeiten im Blick

In ihrer Übersichtsstudie haben die Forschenden mehr als achteinhalbtausend wissenschaftliche Artikel zu den Folgen des Zuckerkonsums einbezogen. Für die methodische Qualität der Studienergebnisse gab es ein Siegel in verschiedenen Qualitätskategorien – hoch, mäßig, niedrig oder sehr niedrig.

Im Ergebnis konnte die Forschungsgruppe 45 signifikante Gesundheitsfolgen von Zuckerkonsum festgestellt:

  • 18 Endokrine bzw. Stoffwechselerkrankungen, wie:
  • Diabetes
  • Gicht
  • Fettleibigkeit
  • 10 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie:
  • Bluthochdruck
  • Herzinfarkt
  • Schlaganfall
  • 7 Krebserkrankungen, wie:
  • Brustkrebs
  • Prostatakrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • 10 weitere Gesundheitsfolgen, wie:
  • Asthma
  • Zahnverfall
  • Depression
  • frühzeitiger Tod

Es liegt in der strengen Natur einer Übersichts-Übersichtsstudie, dass den meisten Ergebnissen ein niedrige oder sogar sehr niedrige Qualität attestiert wurde – trotz der berichteten Signifikanz. So wurden keine Artikel mit einer Evidenz von hoher Qualität gefunden, was die Beurteilung etwas einschränkt. Einige wenige waren von mäßiger Qualität. Zum Beispiel Hinweise darauf, dass jeder Zuckerkonsum mit einer Zunahme von Leber- und Muskelfett assoziiert war und – Überraschung – der Konsum von zuckergesüßten Getränken signifikant mit einer Zunahme des Körpergewichts verbunden war. (Also: Zu viel Cola macht dick. Daran zweifelt wohl kaum jemand.)

Beobachtungen von "geringer Qualität"

Wenig Aussagekraft attestierten die Forschenden hingegen Belegen, die darauf hindeuten, dass jeder Zuwachs der Fruktosezufuhr um 25 Gramm pro Tag mit einem um 22 Prozent erhöhten Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs verbunden war. Die Forschenden fanden auch keine Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen zugesetztem Zucker und Gesundheitsfolgen, bis auf wenige Ausnahen wie Typ-2-Diabetes.

Ein Häufchen gold-brauner Fruchtgummicolaflaschen vor einem weiteren unscharfen Haufen im Hintergrund vor schwarzem Hintergrund.
Sagen Sie nein zum Verzehr. Denn so hübsch können Gummi-Colafläschchen aussehen. Viel zu schade zum Essen. Bildrechte: imago/Panthermedia

Die Forschenden räumen ein, dass es sich bei den vorliegenden Erkenntnissen größtenteils um Beobachtungsdaten handelt, die von geringer Qualität sind, und betonen, dass die Beweise für einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Zucker in der Nahrung und Krebs nach wie vor begrenzt sind – aber weitere Untersuchungen rechtfertigen.

Zucker: Nur noch echt wenig am Tag

Und auch die Empfehlungen sind klar: Der Konsum von freiem oder zugesetztem Zucker sollte auf unter 25 Gramm pro Tag begrenzt werden, das sind in etwa sechs Teelöffel. Eine Hundert-Gramm-Tafel klassische Vollmilchschokolade besteht bereits über die Hälfte aus Zucker (Varianten mit Nüssen, bittere und vegane Schokoladen enthalten im Gesamtprodukt mitunter weniger Zucker). Bei der marktführenden Cola kommen 27 Gramm auf eine kleine 250-Milliliter-Flasche. Das ist schon mehr als die empfohlene Tagesmenge. Für zuckergesüßte Getränke gibt es ohnehin fast keinen Spielraum mehr: Weniger als eine Portion pro Woche – etwa 200 bis 355 Milliliter – dürfen es der Empfehlung nach maximal sein.

Was auch sein darf: Mehr Forschung hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen von zugesetztem Zucker. Das sei zwingend erforderlich, um insbesondere bei Kindern und Jugendlichen die Konsumgewohnheiten zu ändern und eine Kombination aus umfassender öffentlicher Gesundheitserziehung und politischen Maßnahmen zu erreichen. Denn Zahnmännlein alleine sind kein Argument mehr, auch nicht im Kindergarten.

flo

Link zur Studie

Die Studie Dietary sugar consumption and health: umbrella review erschien am 5. April 2023 im Fachjournal BMJ.

DOI: 10.1136/bmj-2022-071609

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