Teasergrafik Altpapier vom 11. Mai 2020: Porträt Autor René Martens
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Das Altpapier am 11. Mai 2020 Sehnsucht nach Armageddon

11. Mai 2020, 12:30 Uhr

Ein Mann, den die Bild-Zeitung zu "Deutschlands klügsten Corona-Skeptikern" zählt, vergleicht die "Schauergeschichten über Corona" mit der NS-Propaganda vom "Volk ohne Raum" - und ARD und ZDF mit nationalsozialistischen Medien. Außerdem: Geisterspiele sind ohne das Lumpenproletariat des Fernsehens nicht möglich. Und der NDR ist arm dran. Ein Altpapier von René Martens.

Von Heidegger bis Klopp

Das Heitere dominiert in dieser Kolumne selten, also versuchen wir heute zumindest mal, den Einstieg heiter zu gestalten. Möglich machen das Ulf Poschardt und Matthias Warkus. Der Chefredakteur der Welt-Gruppe, weil er das Buch ‚Mündig‘ geschrieben hat, und Warkus, weil er für 54 Books "Die zehn größten Quatschsätze in 'Mündig'" zusammengestellt und als Service für jene, die im Buchladen ein bisschen blättern wollen, die entsprechenden Seitenzahlen mitgeliefert hat.

Einer dieser "Quatschsätze" lautet:

"In rhizomatisch geführten Betrieben sind die unterschiedlichen Tentakel eben auch Wahrnehmungsassistenten." (125)

Ein weiterer:

"Heideggers Dystopie von der Herrschaft des Gestells ist als eine Art infames Entlastungs-Spa mächtig geworden." (12)

Und ein bisschen was zum Fußball gibt es auch:

"[Jürgen] Klopp weiß, dass er nur mehr eine Anti-Aging-Cremetube entfernt ist von seinem kulturellen Schatten." (196)

Warkus hat allerdings nicht nur eine Liste zusammengestellt, sondern auch eine amtliche Rezension abgeliefert, aus der eine Passage mit starkem Medienbezug hervorgehoben sei:

"Das Stakkato von Popkulturphänomenen, auf die reflektiert wird, wirkt allerdings über weite Strecken merkwürdig angejahrt. Poschardt fällt schon online damit auf, deutsche Mentalitäten der Gegenwart hartnäckig an Kulturprodukten zu messen, von denen schon Mittdreißiger heute wenig bis nichts mehr wissen (z.B. die ZDF-Serie 'Diese Drombuschs'). Auch in 'Mündig' orientiert er sich gern an Phänomenen der 80er- und 90er-Jahre: Kirchentagsrhetorik, Holger Börner (178), Guido Westerwelle, Rennfahrer der Zeit vor Michael Schumacher, Marxistische Gruppe (174), 'Unser Lehrer Doktor Specht' (58), 'Sex and the City', immer wieder Popmusik der frühen 80er. Bei aller zwangscoolen Aufgedrehtheit haben Poschardts Überlegungen daher etwas merkwürdig Antiquiertes (…)"

"Es die Pflicht der Aufgeklärten, die Kritik der Verwirrten zurückzuweisen"

Verlassen wir nun aber das heitere Feld, bleiben wir aber (unter anderem) bei Poschardt und seiner Zeitung. "Der Abstand zwischen Mitte und Rand wird geringer", lautete die Überschrift im Altpapier am vergangenen Mittwoch, und der Anlass dafür waren unter anderem zwei Begebenheiten: Poschardt hatte kurz zuvor in einem Tweet den Nationalsozialismus verharmlost, und sein Glaubensbruder Julian Reichelt hatte mal wieder was in einem Blog veröffentlicht, der noch weiter rechts steht als die Bild-Zeitung.

Eine weitere Person über die man in diesem Zusammenhang erwähnen muss, heißt Stefan Homburg (Institut für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover). Auch hier bietet es sich an, kurz etwas auszuholen: Am Montag haben wir hier die "Geschichte eines abgelehnten Gastbeitrags" aufgegriffen: Die Welt hatte einen Homburg-kritischen Text von Wirtschaftsprofessor Rüdiger Bachmann zunächst angenommen, dann abgelehnt. Kurz darauf erschien dieser abgelehnte Gastbeitrag dann bei Übermedien - mit der Vorbemerkung, dass Bachmann vor allem kritisiere, dass die Zeitung "den Ökonomen Thomas Straubhaar und Stefan Homburg mit ihren Thesen und Politikempfehlungen breiten Raum gegeben habe. Auf Twitter nannte er die beiden 'brandgefährlich' und 'Scharlatane'".

Noch in derselben Woche fand man den "Scharlatan" Homburg dann in der Bild-Zeitung unter dem Label "Deutschlands klügste Corona-Skeptiker" wieder - neben der Falschberichterstattungs-Baronin Patricia Riekel und einem Eppendorfer Mediziner, "der sich mal lautstark für die Genitalvermessung jugendlicher Geflüchteter starkmachte" (Leo Fischer/ND).

"Deutschlands klügste Corona-Skeptiker" - das ist, um mal ein weiteres Superlativ in Anschlag zu bringen, möglicherweise das bisher verheerendste Oxymoron dieses Jahrzehnts. Am Samstag performte der Superkluge dann bei einer Großkundgebung in Stuttgart unter dem Titel "Querdenken 711". Hier ab Minute 19:15 findet man die entscheidende Passage aus Homburgs Rede (die andernorts nur in kürzerer Form Erwähnung findet):

"Eine endlose Serie von Fake News der Bundesregierung hat uns jetzt wochenlang verfolgt (…) Die ganze Sache hat für mich persönlich als Wissenschaftler einen Vorteil gehabt: Ich habe nämlich nie verstanden, was in den 1930er Jahren eigentlich in Deutschland passiert ist."

Man hört Johlen und Klatschen, der Mob scheint zu ahnen, was kommt, nämlich Folgendes:

"Und wir haben jetzt leider gesehen, wie fragil unsere demokratische Ordnung ist, und wie schnell so etwas, was in den 1930er Jahren passiert ist, jederzeit wieder passieren kann. Damals, meine Damen und Herren, damals hat man Menschen gesagt, Deutschland ist ein Volk ohne Raum (…) Damit wurden die Bürger dazu gebracht zu akzeptiert, dass Deutschland einen Angriffskrieg gegen Polen und Frankreich führt. Heute werden den Leuten Schauergeschichten über Corona erzählt (…) Hätte es - das finde ich, ist eine der schlimmsten Sachen - 1939 schon Talkshows im Fernsehen gegeben, dann hätte man dort, damit Meinungsvielfalt besteht, Vertreter der Ansicht eingeladen, wir greifen jetzt Polen an, und Vertreter der Ansicht, wir greifen Polen und Frankreich an, aber Vertreter der Ansicht, dass wir lieber friedlich mit unseren Nachbarn zusammenleben, wären nicht eingeladen worden."

Heute sei das "genau so", Homburg spricht von einer "Scheinvielfalt der großen Talkshows", es würden nur unterschiedlich intensive "Verfechter des Corona-Irrsinns" eingeladen. Fassen wir zusammen: Jemand, den die Bild-Zeitung zu "Deutschlands klügsten Corona-Skeptikern" zählt und der bei der Welt als Gastautor gern gesehen ist, vergleicht die NS-Propaganda vom "Volk ohne Raum" mit den "Schauergeschichten über Corona" - und ARD und ZDF mit nationalsozialistischen Medien. Wie gesagt: Der Abstand zwischen Mitte und Rand wird geringer.

Aber nicht nur bei Springer hat dieser sehr spezielle Volkstribun Fans: Noch am 27. April hat die Rheinische Post einen "Gastbeitrag" von ihm gedruckt - obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt in Hannover bereits im Wahnwichtel-Milieu bewegt hatte (siehe hier, hier und hier)

Andreas Niesmann (RND) schreibt unter anderem unter Bezug auf die Veranstaltung in Stuttgart:

"Wir können und wir müssen es aushalten, wenn einige Wenige die Meinungsfreiheit auf diese Art missbrauchen. Was wir zum Glück nicht müssen, ist, den Schwachsinn unwidersprochen zu lassen. Im Gegenteil. Gerade in einer Phase der Unsicherheit, in der bei vielen die Ängste und die Sehnsucht nach vermeintlich einfachen Erklärungen steigen, ist es die Pflicht der Aufgeklärten, die Kritik der Verführer und Verwirrten zurückzuweisen. Anders als bei deren Demonstrationen geht es dabei tatsächlich um die Verteidigung unserer Demokratie."

Verhängnisvolles Framing

Ein Problem: "Die Aufgeklärten" unter den Journalisten weisen die "Kritik der Verführer und Verwirrten" durchaus zurück, sie übernehmen aber, wie exemplarisch dieser Bericht der Stuttgarter Zeitung zeigt, erst einmal das Framing der Nicht-Aufgeklärten, die Rede ist hier zum Beispiel von "besorgte Bürgern, die dauerhafte Einschränkungen der Grundrechte befürchten".

Der uralte schlechte Witz von den "besorgten Bürgern" wird also wieder aufgewärmt. Indes: Obwohl die Verharmlosungs-Strategien an die einstige Berichterstattung über Pegida erinnern, haben wir es dann eben doch nicht nur mit Pegida in neuen Schläuchen zu tun, wie Benno Stieber in einem taz-Bericht aus Stuttgart bemerkt:

"Die Menge, die sich bei Sonnenschein versammelt hat, sieht aus, als hätte jemand Pegida-Klientel mit linken Protestbewegungen verquirlt. Am Rande wird meditiert und zum Frieden aufgerufen; Impfgegner und Tierfreunde treffen auf Leute, die sagen, es sei ihre erste Demonstration. Darunter viele Kleinunternehmer, Gastronomen, Friseure, die stolz ihr Firmenlogo auf Mütze oder Poloshirt gedruckt haben (…) Aber man erkennt auch geübte Demonstrationsgänger. Darunter Rechtsextreme, die etwa Jürgen Elsässers Compact-Magazin verteilen. Die Rechten stehen etwas unentschlossen herum, während von der Bühne "We shall overcome" gesungen wird, die Hymne der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Die Mischung könnte altgediente Grüne entfernt an ihren Gründungsparteitag 1980 in Karlsruhe erinnern, wo ebenfalls Bürgerliche und Esoteriker auf Linke und Ganzrechte trafen."

Die mediale Übernahme des Framings der Demonstranten ("Bürger, die dauerhafte Einschränkungen der Grundrechte befürchten", siehe Stuttgarter Zeitung) ließe sich mit einem prägnanten Tweet des Journalisten Alex Feuerherdt kontern:

"Die Diktatur, die sie halluzinieren, ist in Wirklichkeit die Gesellschaftsform, die sie herbeisehnen, inklusive ihrer Methoden und dem gesamten antisemitischen Überbau. Es ist die konformistische Rebellion jener, die von 'Freiheit' schwadronieren und das Armageddon meinen."

Wie außergewöhnlich die Situation derzeit ist, erkennt man auch daran, dass plötzlich ein ultrakonservativer Knochen wie Jasper von Altenbockum auf der Seite der Vernünftigen zu verorten ist - wie ein FAZ-Kommentar unter der Überschrift "Brett vor dem Kopf gehört nicht zu den Grundrechten" zeigt.

Über eine fehleranfällige Polizeidatei

Weiterhin nicht klar ist, wer am 1. Mai in Berlin ein ZDF-Team der "Heute Show" brutal angegriffen hat (Altpapier). Warum - das schildern Volkan Agar und Erik Peter in der taz vom Wochenende:

"Nach der Festnahme wurden die Verdächtigen an den Tatort gebracht, auch das sagt die Polizei der taz. Sie sagt aber nicht, warum, also ob dies etwa zum Zweck einer Gegenüberstellung erfolgte. Fotos von der Festnahme zeigen zwei Frauen in Handschellen, klein und schmächtig, zu sehen sind auch zwei der Männer. Satiriker Zemhoute sagt im Interview, drei oder vier Angreifer seien 'durchtrainiert' gewesen, die anderen 'schlank'. Von den Verdächtigen auf den Fotos hat keine die Statur eines Kampfsportlers. Auch Berliner Demo-Fotografen, die in ihren Archiven, auch der vergangenen Hygiene-Demos, nach ihnen suchen, sind ratlos. Niemand hat je einen von ihnen gesehen."

Ein weiteres Problem benennen die Autoren unter Bezugnahme auf den Strafverteidiger Hannes Honecker. Es geht um eine Datei namens "PMK":

"Drei Personen, die beiden 25-Jährigen und der 24-Jährige, sind bei der Polizei in (dieser Datei) gespeichert, wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung, so die Berliner Polizei. "PMK" steht für politisch motivierte Kriminalität, die Statistik wird seit 2001 für rechte, religiös motivierte, aber auch linke Gewalt als 'Eingangsstatistik' erhoben, das heißt, die Einträge erfolgen schon zu Beginn polizeilichen Ermittlungen und somit auf Basis von Anfangsverdacht. Weil die Einordnung von der Polizei abhängt, sei sie anfällig für Verzerrungen, kritisieren Expert:innen. Auch Honecker sagt: 'Die Datei ist fehleranfällig, die Kriterien nicht öffentlich überprüfbar.'"

Derweil ist leider ein weiterer Angriff auf Journalisten zu vermelden - dieses Mal auf Mitarbeiter des WDR in Dortmund. Der Täter sei ein "bekannter Rechtsextremer" (DJV NRW). Siehe auch dpa/Tagesspiegel.

Das Lumpenproletariat des Fernsehens

Wahrscheinlich eines der großen Themen der gerade beginnenden Woche: Die Geisterspiele im Profifußball. Torsten Körner befasst sich im "Tagebuch" von epd medien damit:

"Bis heute ist noch nicht wirklich erforscht und begriffen, wie sich die atmosphärische Interaktion zwischen Spielern, dem Spiel und den Zuschauern anbahnt und vollzieht, wie der Zuschauerkörper en masse im Spielerkörper und Spielkörper anwesend ist und diese modelliert. Was ist das? Alchemie? Chemie? Quantenphysik? Was der Fernsehfußball noch nicht verstanden hat, ist, dass seine Siegeszüge Vernichtungsfeldzüge sind. Je perfekter das Produkt Fußball funktioniert, desto lebloser, entfremdeter wird es. Wenn jetzt wieder angepfiffen wird, wird abgepfiffen, ein für allemal."

Dieser "Vernichtungsfeldzug" wird nicht möglich sein ohne das Lumpenproletariat des Fernsehens. Diesem geben Klaus Ott und der vom Spiegel gekommene, erst vor wenigen Tagen als Leitender Redakteur des SZ-Investigativressorts angetretene Jörg Schmitt in der SZ vom Wochenende eine Stimme:

"Mit der Fürsorge der Liga für das TV-Personal ist es nicht weit her. Das Corona-Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL), in der sich die 36 Profiklubs aus erster und zweiter Liga zusammengetan haben, sieht keine Infektionstests beim TV-Personal vor. Weder bei den Mitarbeitern der Sportcast, die der DFL gehört. Noch bei Beschäftigten anderer TV-Firmen, die an Spieltagen normalerweise zu Hunderten unterwegs sind. Wenn der Ball von Samstag, 16. Mai, an wieder rollen soll, muss das TV-Personal teils unter widrigen Bedingungen arbeiten. In den Übertragungswagen geht es bisweilen fast genauso eng zu wie in den Zweikämpfen auf dem Platz. Doch die Corona-Tests sind begrenzt auf die Fußball-Profis und deren engeres Umfeld. Kein Wunder, dass es aus dem Kreise der Freelancer heißt, man fühle sich als 'Menschen zweiter Klasse’."

Man könnte sie auch die Westfleisch-Arbeiter des Profifußballzirkus nennen. Ott/Schmitt weiter:

"Vor allem Vorgaben für die Ü-Wagen werden von den Freelancern als weltfremd betrachtet. ‚Im Idealfall erfolgen die Produktionen mit geöffneten Türen‘, sieht das Corona-Konzept unter anderem vor. Wenn aber von draußen zu viel Licht in den Ü-Wagen falle, sehe man nichts mehr auf den Monitoren, heißt es aus dem Kreise der Freelancer. Dort ist jetzt generell die Rede von ‚Verhungern oder Verseuchen‘. Das zeigt, wie groß die Ängste um die eigene Existenz und Gesundheit sind."

Armer NDR

Seit vergangenem Donnerstag wissen die Angestellten des NDR, dass "die schmerzhaftesten Programmeinschnitte seit Jahrzehnten" (Imre Grimm, Redaktionsnetzwerk Deutschland) bevorstehen, und am Freitagnachmittag - der in der Medienbranche beliebteste Verkündungstermin für die Verbreitung schlechter Nachrichten - hat der Sender dann die Öffentlichkeit informiert. Demnach sollen 300 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren eingespart werden. Eine der Maßnahmen laut NDR-Pressemitteilung:

"'Zapp' und das 'Kulturjournal' verlagern, auch mit Blick auf die veränderte Mediennutzung, ihre Inhalte zunehmend in Online-Angebote und digitale Verbreitung."

Das könnte man so interpretieren, dass die Sendungen ihre lineare Präsenz peu à peu reduzieren. Was Joachim Knuth, der Intendant, im Interview mit dem oben erwähnten Imre Grimm sagt, klingt dann aber in Nuancen anders:

"(F)ür Sendungen wie das Medienmagazin 'Zapp', die 'Weltbilder' oder auch das 'Kulturjournal' (starten) wir eine multimediale Neuausrichtung (…), um sie zu einer crossmedialen Marke zu entwickeln. Das bedeutet nicht, dass es die Formate linear nicht mehr gibt, aber es geht eben über alle Ausspielwege hinweg um Reichweite, nicht mehr um Marktanteile im linearen Fernsehen."

Die Sendungen zu "crossmedialen Marken" weiterzuentwickeln, kostet ja erst einmal Geld - und das soll dann offenbar im linearen Bereich eingespart werden. In diesem Zusammenhang kann man daran erinnern, das "Weltbilder" eines der wenigen Formate ist, in denen die Auslandskorrespondenten der ARD noch Beiträge jenseits von Nachrichtensendungslänge unterbringen können - andere Landesrundfunkanstalten haben die Auslandsmagazine in ihren Dritten Programmen ja längst abgeschafft (siehe Altpapier).

Eines fällt grundsätzlich auf: "Zapp", "Weltbilder", "Kulturjournal" - es geht, wie üblich bei "Spardebatten", mal wieder um Nischensendungen. Also jene Sendungen, die zum Kern des öffentlich-rechtlichen Profils gehören - oder gehören sollten.


Altpapierkorb (Ex-WDR-Mitarbeiterin als Infokriegerin, Facebooks Kommunikationsrat, das Ende eines vorbildlichen Volontariats für Geflüchtete, staatliche Lokaljournalismusförderung)

+++ Erinnert sich eigentlich noch jemand an Claudia Zimmermann? Dem einen oder anderen Beobachter des medienjournalistischen Betriebs wird der Name bekannt vorkommen. Wir reden hier von einer früheren WDR-Mitarbeiterin, die 2016 "Wasser auf Pegida-Mühlen" goss (Altpapier) und diesen Weg seitdem quasi konsequent weitergegangen ist. Zu hören und zu sehen ist das in der heute in der ARD in der Reihe "Rabiat" laufenden Reportage "Infokrieger – Die neuen rechten Medienmacher". Heute betreibt Zimmermann den Kanal "Games of Truth" (siehe Belltower News), wartet mit Äußerungen wie "Wer sich impfen lässt, der ist verloren" auf und empfindet es als Kompliment, wenn man sie als "Verschwörungstheoretikerin" bezeichnet. Der Tagesspiegel hat die Reportage etwas hastig rezensiert. In einer anderen, längeren Fassung lief der Film zwar bereits Ende Dezember im YouTube-Kanal des Y-Kollektivs, aber seit Corona hat das Thema rechter Infokrieg ja noch einmal zusätzlich an Relevanz gewonnen.

+++ In der MDR-Reihe "Medien im Krisenmodus" ist eine weitere Folge erschienen. Steffen Grimberg hat ein 16-minütiges Video-Interview mit dem Journalistik-Professor und früheren Wissenschaftsjournalisten Holger Wormer geführt, unter anderem zum Thema "Parallelen zwischen Journalismus und Wissenschaft". Eine Gesprächspassage fasst Grimberg folgendermaßen zusammen: "Manche Journalistinnen und Journalisten hätten vielleicht das Gefühl, der Wissenschaft nicht gewachsen zu sein. 'Hier sage ich: Nur Mut!', so Wormer (…) Von Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten werde ja auch nicht erwartet, dass sie ein Unternehmen, über das sie berichten, besser leiten als dessen Vorstand."

+++ Rainer Stadler legt in seiner NZZ-Kolumne dar, dass er Facebooks neuen Kommunikationsrat prinzipiell "beachtenswert" findet: "Wenn es ihm gelingt, Massstäbe zu setzen, hat er die Chance, die Diskussion um Meinungs- und Medienfreiheit zu stärken." Die Meldung, dass sich dieses Gremium formiert habe, habe bisher "kaum Beachtung" gefunden, meint er zudem. Im Altpapier von Freitag indes war es ein großes Thema.

+++ Das Integrationsvolontariat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) beim Offenen Kanal ALEX Berlin schaffe die Voraussetzungen dafür, dass Geflüchtete im deutschen Journalismus Fuß fassen könnten, sagt die aus Gambia stammende Journalistin Nyama Jadama, die derzeit im Rahmen dieses Projekts ausgebildet wird. Insofern hätten noch mehr geflüchtete Journalisten die Chance auf ein Integrationsvolontariat verdient, sagt sie. Diese Möglichkeit besteht künftig aber nicht mehr. Die Geschichte dieses Volontariats, konzipiert für Journalisten mit Flucht- und Verfolgungshintergund, endet Ende Mai, schon nach dem zweiten Jahrgang ist Schluss. Mehr dazu von mir in der taz.

+++ Wer die Diskussion um öffentliche Presseförderung verfolgt hat - die im Altpapier ja regelmäßig Beachtung findet (etwa diesem) -, und sich für die internationalen Entwicklungen in diesem Bereich interessiert: Das Nieman Lab wirft einen Blick nach Kanada und eine dortige "Local Journalism Initiative". Hierbei handelt es sich um einen "$50 million, five-year effort created and funded by the Canadian government to support local and civic journalism for underserved communities (…) The largest share of funding is being distributed through News Media Canada, an industry group representing majority-language news organizations writing in English, French, and Indigenous languages, is the largest of the administering organizations and has the biggest share of funds to distribute."

Neues Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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