Teasergrafik Altpapier vom 5. Februar 2021: Porträt Autor Ralf Heimann
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Das Altpapier am 5. Februar 2021 Das demokratische Live-Interview

05. Februar 2021, 12:37 Uhr

Noch immer schlittern bei Clubhouse Profis in Situationen hinein, in denen sie am Ende nicht gut aussehen. Das ist nun wieder passiert. Es stellt sich die Frage: Was ist da eigentlich los? Und wie ließe sich das verhindern? Ein Altpapier von Ralf Heimann.

Der nächste Clubhouse-Vorfall

In der redaktionellen Gesellschaft stellen nicht mehr nur Medien-Menschen die Fragen, sondern auch die, um die es in den journalitischen Beiträgen geht. Sie reagieren öffentlich auf Berichterstattung, kommentieren Beiträge, kritisieren journalistische Arbeit, fügen der Medienperspektive weitere hinzu. Das ist seit Längerem schon über Blogs, Kommentare auf Facebook, Threads bei Twitter oder Video-Repliken bei Youtube oder Instagram, um einige Möglichkeiten zu nennen. Natürlich ginge das auch in Live-Formaten, im Radio oder im Fernsehen, aber dort wählt die Redaktion die Interviewpartner aus, und daraus ergibt sich in der Regel die Übereinkunft, dass die Journalistinnen und Journalisten durch das Gespräch führen.

Die neue App-Clubhouse demokratisiert nun auch dieses journalistische Privileg. In dieser Woche haben mehrere Rapper und Clan-Mitglieder unter anderem den Spiegel-TV-Journalisten Claas Meyer-Heuer und Peter Rossberg von der "Bild"-Zeitung, nun ja, sagen wir befragt. Das hat zum einen nicht ganz so gut geklappt, weil Demokratisierung in diesem Zusammenhang eben auch bedeutet. Alle reden ständig durcheinander. Es verging viel Zeit damit, zu klären, was überhaupt eine Frage ist, und der Sinn und Zweck des Ganzen war offenbar nicht, durch Fragen herauszufinden, was der Gesprächspartner denn eigentlich denkt. Offenbar sollte es darum gehen, Journalisten vorzuführen und einem zeitweise aus etwa 5.000 Menschen bestehenden Publikum zu beweisen, dass es sich in ihrer Berichterstattung nicht um den Versuch handelt, die Wirklichkeit abzubilden, sondern dass es hier darum geht, eine Wirklichkeit zu zeigen, die es so gar nicht gibt.

Einen 20 Minuten langen Ausschnitt aus dem, na ja, man muss es wohl Gespräch nennen, ist bei Youtube in einem Mitschnitt zu hören. Die gesamte Inszenierung klingt zeitweise, als hätte eine betrunkene Comedy-Redaktion sie sich ausgedacht. Es beginnt schon damit, dass der Rapper Fler dem Reporter Claas Meyer-Heuer erst eine Frage stellt und ihn gleich im Anschluss auffordert, seine Schnauze zu halten, das ist der Wortlaut. Meyer-Heuer antwortet dennoch, aber nicht auf die Frage, er fragt seinerseits: "Fler, merkste eigentlich dein Niveau?" Und so geht das dann weiter, im Grunde den gesamten Mitschnitt lang.

Die Zweifel der Anderen

Darin liegt aber auch die Gefahr. Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen. Zwischendurch passieren allerdings auch ein paar interessante Dinge, über die man leicht hinwegsieht, aber nicht hinwegsehen sollte.

Claas Meyer-Heuer wird etwa mit der Frage konfrontiert, warum er mit der Polizei zusammenarbeite, warum er nur die eine Seite darstelle. Eine andere Frage ist, warum er die Einladung zu einem Interview ausgeschlagen habe. Meyer-Heuer deutet an, er habe mehrere Interview-Anfragen gestellt. Es wird kritisiert, dass er Gespräche so geschnitten habe, dass der Eindruck entsteht, es gehe um eine Person, auf die sich die Aussagen tatsächlich gar nicht bezogen hätten. Eine von Meyer-Heuers Quellen wird in Zweifel gezogen, ein inzwischen nicht mehr für die Polizei tätiger Mann. Der Reporter soll verraten, woher er diese Bänder hat, worauf Meyer-Heuer seinerseits wissen möchte, wie die Aufzeichnungen, nicht nur von Telefonaten, denn entstanden seien. Auf diese Frage gibt es eine Antwort. Das gehe Meyer-Heuer gar nichts an. Die meisten übrigen Fragen bleiben unbeantwortet, und wenn nun Menschen im Publikum gesessen haben sollten, die sich bislang noch nicht mit der Arbeitsweise von Journalismus beschäftigt haben, wird ihnen immerhin deutlich geworden sein, dass auch der Journalismus hier einen wunden Punkt hat. Es ist nicht klar, von wem die präsentierten Informationen stammen, wie glaubwürdig diese Quellen sind, welche Motive sie selbst haben, welche Interessen sie verfolgen.

Damit diese Art der notwendigerweise intransparenten Berichterstattung glaubwürdig erscheint, braucht es das Vertrauen, dass die Journalistinnen und Journalisten im Dunkeln schon das Richtige machen werden. Das NDR-Medienmagazin "Zapp" hat sich vor einem knappen Jahr in einem Beitrag mit der Frage beschäftigt, ob dieses Vertrauen denn auch angebracht ist. Die These dort lautet, dass hinter der Berichterstattung etwa von Spiegel TV nicht ausschließlich journalistisches Interesse steht, sondern auch eine gewisse Faszination für dieses Milieu, für "eine Parallelwelt, die eine magische Anziehungskraft zu haben schein", so heißt es in dem Beitrag. Und das wiederum würde den Clans nützen, damit würde der Journalismus daran arbeiten, hier einen Mythos aufzubauen. René Althammer, Chef für Investigatives und Hintergrund beim rbb, sagt in dem Beitrag:

"Es gibt schon Medien, wo man sagen muss, das, was sie abbilden bei den Clans, da kann man sehr drüber diskutieren. Und das ist auch der Sache nicht dienlich. Das stärkt sozusagen deren Selbstwertgefühl, weil die’s natürlich toll finden, wenn sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden als die, die alle Regeln brechen können, die sich von niemandem etwas sagen lassen, und die da durchkommen. Wir würden, um es mal anders zu beschreiben, wahrscheinlich im Bereich des Rechtsextremismus, des Neonazismus nie Nazigrößen so darstellen oder Nationalsozialisten oder Faschisten so darstellen, wie wir teilweise Clan-Größen darstellen."

Passiert so etwas hier nun in dem Fall in der Gesprächsrunde bei Clubhouse?

Möglicherweise. Gleichzeitig erscheinen Clan-Größen wie Arafat Abou-Chaker auch sehr nahbar. Man beschimpft sich zwar, aber man duzt sich. Wüsste man nicht, wer hier spricht, könnten es auch alte Bekannte sein, die sich aus irgendwelchen Gründen heute nicht mehr mögen. In der Runde wird Claas Meyer-Heuer unterstellt, auch ihm gehe es vor allem um den Fame, darum, noch bekannter zu werden. Diese Strategie kennen wir aus dem Trump-Amerika und von Rechtspopulisten und autoritären Gruppen generell. Sie versuchen, den Journalismus zur Partei zu machen, auch um ihn als Kontrollinstanz auszuschalten.

Das Fischen im Trüben

Mein Altpapier-Kollege Christian Bartels hat sich in seiner hier gestern schon erwähnten Kolumne für die Medienkorrespondenz mit dem Phänomen Clubhouse beschäftigt. Und dort gibt er die Antwort auf eine zentrale Frage schon in der Überschrift:

"Wie sollte Journalismus mit neuen Apps umgehen? Vielleicht am besten erstmal gar nicht."

Dafür ist es leider schon zu spät, wie Sie sicher bemerkt haben, aber es wäre vielleicht tatsächlich gut gewesen, und es wäre immer noch ganz gut, sich die Frage zu stellen, was Journalistinnen und Journalisten machen können, damit bei mit den Hintergründen der journalistischen Arbeit nicht vertrauten Publikum nicht der Eindruck entsteht: Sie fischen alle irgendwie im Trüben. Dann sind sie am Ende also irgendwie gleich. Anders gesagt: Es würde nicht ausreichen, wenn auch Meyer-Heuer sagen würde: Woher ich die Bänder habe, das geht auch nichts an. Er müsste erklären, warum er nicht sagen kann, woher die Bänder stammen. Seine Absicht ist – das unterstelle ich mal –, etwas ans Licht zu bringen, das von öffentlichem Interesse ist, aber möglichst nicht öffentlich werden soll. Clan-Chefs haben möglicherweise andere Motive. Und sie haben durch die neue Waffengleichheit die Möglichkeit, ihrer eigenen Story selbst einen Spin zu geben.

Vice-Chefredakteur Felix Dachsel weist in einem Twitter-Thread auf einen anderen Teil des Gesprächs hin, in dem Arafat Abou-Chaker die Berichterstattung und den medialen Umgang mit Clans kritisiert. Abou-Chaker macht etwas, das wir auch aus anderen Zusammenhängen kennen. . Er dreht die Erzählung und macht die Clans in ihr zu Opfern der Medien. Dachsel:

"An einer Stelle sagte ein Nutzer, dass der Umgang mit Clans an die Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg erinnere. @BaydarIdil stimmte zu: 'Es ist die gleiche Story.' Ein Zuhörer (@Doener) stolperte über die Aussage und twitterte zeitgleich dazu. Worauf Baydar per Tweet reagierte:"

Im folgenden Tweet geht es so weiter:

"Es sei zutiefst 'uninteger und unlauter' was er mache und er werde von ihrem Anwalt hören. Sie erwarte eine Entschuldigung. Auch andere Menschen gingen, während der Clubhouse-Talk noch lief, @Doener auf Twitter an und behaupteten, er habe sich das ausgedacht. Hat er nicht."

Inzwischen gibt es auch von dieser Stelle einen Mitschnitt. Idil Baydar hat bei Twitter in mehreren Anläufen versucht, dazu Stellung zu nehmen. Die ersten beiden Tweets hat sie gelöscht. In ihrem finalen Statement schreibt sie:

"Ich setzte die Diskussion um Arabische Großfamilien, dem Holocaust, der Shoa nicht gleich. Wenn der Eindruck entstanden ist, bedauere ich das sehr."

Welt-Redakteur Lennart Pfahler schreibt:

"(…) Baydar ließ keine Gelegenheit aus, noch so absurden Vorwürfen und Verschwörungstheorien gegen Journalisten beizupflichten & das Problem der OK völlig beiseite zu wischen. Sie trat dort wie eine Pressesprecherin der Abou-Chakers auf."

Frederik Schindler und Alexander Nabert sind der Sache in einem Beitrag für die Welt nachgegangen. Dort zitieren sie Idil Baydar mit der Aussage, es "gebe allerdings auch korrekte Journalisten, die 'auf unserer Seite stehen'. Abou-Chaker ist nicht einverstanden. 'Ich schwöre dir: Kein Journalismus besitzt die Eier, um die Wahrheit zu sagen. Weil keiner will sich mit dem Axel-Springer-Verlag anlegen.' Baydar: 'Da hast du recht. Da hast du recht.'"

Und diese Stelle macht noch etwas deutlicher, dass Journalistinnen und Journalisten erklären müssen, was sie da eigentlich tun. Auf der einen oder anderen Seite stehen, sollten sie jedenfalls nicht.

Kollision von Lagerdenken

Um das alles noch einmal zu ordnen: Hier drehen Menschen, die normalerweise Inhalt von Berichterstattung sind, den Spieß um. Dabei manipulieren sie, denn sie arbeiten selbstverständlich nicht nach den Grundsätzen, die der Pressekodex vorgibt, sondern setzen mitunter auf Verschwörungsmythen und nicht unbelegte Unterstellungen, um ihre These zu verstärken. Medien sind nicht ganz unschuldig, sie liefern selbst Angriffspunkte, wenn sie als selbstverständlich voraussetzen, dass bekannt ist, was sie machen, wie und warum sie es machen, und dann kommt noch etwas anderes hinzu, das wir ebenfalls aus anderen Zusammenhängen kennen.

Tagesspiegel-Redakteur Julius Betschka schreibt:

"Schwerverbrecher stellen sich als 'neue Juden' dar. Kabarettistin Idil Baydar unterstützt das. Halb Twitter findet das lustig oder 'denkwürdig'. Und die Meisten, die sonst – völlig zu Recht! – auf jedes rassistische Sprachvergehen achten, schweigen dazu."

Hier kollidiert das Lagerdenken auf ähnliche Weise den Umständen wie in Fällen, in denen man sich wundert, warum Linke so zögerlich sind, wenn es um Kritik an Wladimir Putin geht.

Das ist kein Clubhouse-Phänomen. Aber die anfänglichen Reaktionen auf Stephan Dörners Vorwürfe, der Details aus dem Clubhouse-Gespräch getwittert hatte, zeigen, dass die Illusion, es würden hier weiter Gespräche im unbelegbar Verborgenen geführt, weiterhin existiert. Wie zunächst alles abgestritten wurde, möglicherweise unter der Annahme, die Wahrheit würde eh nicht ans Licht kommen, zeigt allerdings auch, warum es den Journalismus hier braucht. Oder wie es über den Washington-Post-Ausgaben steht: "Democracy dies in Darkness."

Dass Manipulationsversuche auf einer Plattform wie Clubhouse auch in anderer Weise eine Rolle spielen, zeigt eine Beobachtung von Niddal Salah-Eldin. Ihr ist aufgefallen, dass jemand der sich in dem Clubhouse-Gespräch Florian Kramer nannte und sich als Welt-Journalist ausgab, das Profilbild von Matthias Daniel verwendete, dem Chefredakteur des DJV-Magazins Journalist.

Siegeszug der Mündlichkeit

Und dann noch ein etwas anderer Blickwinkel: In der aktuellen Ausgabe der Zeit beschäftigt sich Alexander Camman mit einem Phänomen, das er als Erklärungsmuster für den Erfolg einer App wie Clubhouse ausmacht: "der neue Siegeszug der Mündlichkeit".

Darin geht es unter anderem um Adorno, der in den 1950er und 1960er-Jahren Radiovorträge gehalten hat, "stoisch abgelesene, statisch fein gefügte, eherne Satzkaskaden, denen man genau deswegen hypnotisiert lauschte", schreibt Camman. Und wenn das der erste Schritt in die Audio-Kultur gewesen sein sollte, über den Umweg des Textes, könnte man auf der einen Seite eine Verbindungslinie zum Podcast ausmachen, der zeitversetzten Abbildung eines Gesprächs, auf der anderen Seite stünde Twitter als zunächst textliche Entsprechung einer Live-Unterhaltung. Clubhouse fügt beides zusammen.

Camman schreibt:

"Woher kommt diese neue Lust am Sprechen, an der Mündlichkeit? Sie geht einher mit der allmählichen Auflösung der normierten Schriftsprache als Zielutopie der Kommunikation, die in Deutschland mit der Rechtschreibreform um die Jahrtausendwende herum einsetzte; mittlerweile schreibt man kaum noch falsch, man schreibt anders. Normen und Regeln stehen ohnehin auch in der Sprache immer stärker unter Herrschaftsverdacht. Das ungezwungene Reden hingegen ist davon vermeintlich frei und schier grenzenlos – befeuert von allseits griffbereiter Technik."

So gesehen wäre Clubhouse der nächste Schritt, um nicht nur das Setting zu  demokratisieren, sondern auch die Mittel der Kommunikation. In dem Gespräch zwischen Claas Meyer-Heuer, den Rappern, Clan-Mitgliedern und Komödianten wird das an einer Stelle sehr deutlich, als es um die Frage geht, ob Meyer-Heuers Quelle bei der Polizei "ehrenamtlich" entlassen wurde. Meyer-Heuer korrigiert, es heiße nicht "ehrenamtlich", sondern "ehrenhaft". Recht hat er natürlich, aber es klingt dann doch etwas herablassend. Man könnte es auch so verstehen, dass er hier im Grunde zunächst mitteilt: Lernt erst mal, euch auszudrücken, bevor ihr euch hier mit mir unterhaltet. Man kann nun sagen: Nun gut, er ist da in etwas hineingeraten, wie es in den vergangenen Tagen bei Clubhouse öfter passiert ist. Aber bald wird man die Dinge so nicht mehr erklären könnten. Irgendwann später loggt Meyer-Heuer sich aus, übrig bleiben jene, die der Ansicht sind, es sei nun gelungen, 5.000 Menschen zu zeigen, wie Journalisten so drauf sind. Das mag so nicht stimmen, aber was man sicher sagen kann: Der Journalismus könnte das besser.

Altpapierkorb (Urheberrecht, New York Times, Rundfunkbeitrag, Urteil zu Verdachtsberichterstattung, Metzelder, Don Alphonso)

+++ Im Altpapier von gestern ging es bereits um das neue deutsche Urheberrecht. Simon Hurtz gibt auf der SZ-Medienseite Antworten auf die wichtigsten Fragen zu. Tom Hirche beschreibt für die Initiative gegen das Leistungsschutzrecht, kurz IGEL, einige Probleme, die sich aus Sicht der Initiative nun stellen. Zum Beispiel die Rechtsunsicherheit, die sich ergibt, weil ein klarstellender Hinweise zur Zeichenobergrenze von Snippets nicht mehr enthalten ist. Und: "Nach der DSM-Richtlinie soll auch Nachrichtenagenturen ein Leistungsschutzrecht an ihren Presseerzeugnissen zustehen. Fast jede Nachricht zum tagesaktuellen Geschehen besteht (teilweise) aus Agenturmeldungen – dafür gibt es sie!"

+++ Die New York Times wächst, obwohl viele damit gerechnet hatten, dass mit der Abwahl von Donald Trump auch die Erfolgssträhne der Zeitung endet. Wie Nils Jacobsen für Meedia berichtet, wuchs die Zahl der digitalen Abos allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres um 627.000. Nur zum Vergleich: Das sind etwa zweieinhalb Mal so viele Menschen, wie der Stern mit seiner Print-Auflage erreicht. Insgesamt kommt die New York Times auf 7,5 Millionen Abos, inklusive der Print-Zahlen.

+++ Karoline Meta Beisel und Matthias Kolb berichten für die SZ aus Brüssel über ungarische Korrespondenten in Brüssel, die für den unabhängigen Journalismus in ihrem Land immer wichtiger werden.

+++ Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich noch in diesem Jahr ein Urteil zum Rundfunkbeitrag fällen, schreibt Volker Nünning für die Medienkorrespondenz.

+++ Die SZ hat einen Prozess gegen einen Solarunternehmer gewonnen, der von der Zeitung 78 Millionen Euro haben wollte. Begründung: Die Berichterstattung der Zeitung habe mit ihrer Berichterstattung verhindert, das ein Geschäft zustande gekommen sei. Das Gericht sah zwischen keinen Zusammenhang und stellte klar, dass die Zeitung mit ihrer Berichterstattung nichts falsch gemacht habe. Der Prozess kostet den Unternehmer wegen des hohen Streitwerts nun 1,5 Millionen Euro. Annette Ramelsberger schreibt auf der SZ-Medienseite: "Die Entscheidung des OLG Nürnberg hat über den konkreten Fall hinaus weitgehende Auswirkungen auf den investigativen Journalismus in Deutschland – denn das Gericht stellte klar heraus, an was sich Journalisten halten müssen, wenn sie über einen bestehenden Verdacht berichten. Und dass sich Unternehmer nicht dagegen wehren können, wenn diese journalistischen Regeln eingehalten werden."

+++ Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder wehrt sich juristisch dagegen, dass ein Gericht Informationen über ein bevorstehendes Verfahren gegen ihn an die Öffentlichkeit gegeben hat. Einerseits mit Erfolg, wie Reiner Burger auf der FAZ-Medienseite berichtet. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat nun in einem Urteil klargestellt, dass das Amtsgericht Düsseldorf mit einer Pressemitteilung zum Fall zu weit gegangen ist. Andererseits scheiterten Metzelder Juristen damit, damit in so einem Fall verbieten zu lassen, "über die Anklageerhebung und über die mögliche Eröffnung des Hauptverfahrens unter Nennung des Namens und der Vorwürfe zu informieren". Vorbeugender Rechtsschutz sei gründsätzlich unzulässig, urteilte das Gericht.

+++ Nils Altland und Inga Mathwig berichten für das NDR-Medienmagazin "Zapp" darüber, wie Wirecard kritische Medien ausschalten wollte und den Financial-Times-Reporter Dan McCrum auch tatsächlich an der Berichterstattung hinderte.

+++ Antonia Baum erklärt in einem sehr langen und erhellenden Text (€) das System Don Alphonso aka Rainer Meyer, der bei Twitter auf eine für ihn so unverfängliche Weise deutlich macht, welche Menschen ihm missfallen, dass in der Folge eine rechte Troll-Armee nur noch den Rest erledigen muss. Er selbst wie auch sein Auftraggeber, Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt, streiten Zusammenhänge ab. Damit das Ganze so funktioniert, wie Antonia Baum es beschreibt, braucht es aber eben auch Institutionen, die Meyer das "öffentliches Renommee" verleihen, wie der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent es nennt, um eine Wirkung überhaupt erst zu ermöglichen. Und zu diesen Institutionen gehört laut Baum auch der Bundestag, Meyer ist Mitglied in der Jury des "Medienpreises Parlament", des Journalistenpreises des Deutschen Bundestages.

Neues Altpapier gibt es am Montag.

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