Eine Collage aus den Covern von 5 Sachbüchern.
Das sind unsere Empfehlungen für aktuelle Sachbücher, die sich im November besonders lohnen. Bildrechte: Suhrkamp/S. Fischer/Dietz/Berenberg/Rowohlt Berlin

Buchtipps Gefühle, Terror und deutsche Geschichte: Die fünf besten Sachbücher im November

04. November 2024, 14:26 Uhr

Die Welt ist manchmal kompliziert und unübersichtlich. Denn Nachrichten geben Ereignisse oft nur verkürzt wieder und was gestern noch aktuell war, ist heute schon überholt. Deshalb lohnt es sich, mit guten Sachbüchern den Blick zu schärfen. Sie gehen in die Tiefe, erklären Zusammenhänge und verbinden Geschichte mit der Gegenwart. Als Geschenk oder eigene Lektüre: Wir empfehlen fünf aktuelle Sachbücher – unter anderem von Jens Bisky, Eva Illouz und Lee Yaron –, die Licht ins Dunkel bringen.

Jens Bisky: "Die Entscheidung. Deutschland 1929-1934"

Jens Bisky war Journalist, bevor er sich der langen Form zuwandte. Sein Buch "Berlin. Biografie einer großen Stadt" wurde 2019 als Standardwerk gefeiert, weil es Expertise und Erzählkunst in sich vereinte. Nun hat sich Jens Bisky fünf entscheidende Jahre deutscher Geschichte vorgenommen: 1929-1934.

Cover von Jens Bisyks Buch "Die Entscheidung" mit dem Berliner Gebäudekomplex "Europa Tanz Pavillon" bei Nacht.
Jens Bisky erzählt in seinem neuen Sachbuch vom Untergang der Weimarer Republik. Bildrechte: Rowohlt Berlin

Beginnend mit dem Tod von Außenminister Gustav Stresemann bis zum ersten Jahr unter Herrschaft der Nationalsozialisten lässt Jens Bisky viele politische und publizistische Stimmen dieser Zeit zu Wort kommen und erzählt, "wie die Weimarer Republik in einem Wirbel aus Not und Erbitterung zerstört wurde." Dabei muss der Autor gar nicht explizit auf Parallelen zur Gegenwart hinweisen, die können der Leser und die Leserin gern selbst ziehen.

Angaben zum Buch Jens Bisky: "Die Entscheidung. Deutschland 1929-1934"
Rowohlt Berlin
640 Seiten
34 Euro
ISBN: 978-3-7371-0125-7

Katrin Schumacher posiert für ein Foto. 20 min
Bildrechte: MDR Kultur/Hagen Wolf

Maike Albath: "Bitteres Blau. Neapel und seine Gesichter"

Maike Albath ist Expertin für italienische Kulturgeschichte. Sie hat über Rom und Turin geschrieben, über Sizilien und italienische Literatur. Nun ist ein weiterer kluger Band von ihr erschienen, das Porträt einer legendären und schillernden Stadt. Neapel, über das der Philosoph Benedetto Croce einmal sagte, es sei ein von Teufeln bewohntes Paradies.

Cover von Maike Albaths Buch "Bitteres Blau": ein Blick über die Stadt Neapel, ihre Bucht und die Sonne hinter einem Berg
Nach Turin, Rom und Sizilien erkundet Maike Albath in ihrem aktuellen Buch Neapel und seine vielen Gesichter. Bildrechte: Berenberg Verlag

Dieses Paradies hat Maike Albath durchschritten, hat mit Menschen gesprochen und erzählt ihre Geschichten, unter anderem vom Fußball und Maradona, von der so berühmten wie geheimnisvollen Schriftstellerin Elena Ferrante, von den Familienclans der Camorra und ihren Feinden. Dabei kommen nicht nur die lebendigen Neapolitaner zu Wort, sondern auch Dichter und Denker, die in den letzten Jahrhunderten dieser Stadt verfallen sind, sie feierten und verfluchten.

Angaben zum Buch Maike Albath: "Bitteres Blau. Neapel und seine Gesichter"
Berenberg Verlag
352 Seiten
26 Euro
ISBN: 978-3-949203-90-9

Lee Yaron: "Israel. 7. Oktober. Protokoll eines Anschlags"

Wie soll man diesen Tag in Worte fassen? Als am 7. Oktober 2023 in Israel über eintausend Menschen von der Hamas getötet und über zweihundert Menschen entführt wurden, war danach nichts mehr wie zuvor. Der Staat Israel war ins Herz getroffen und es begann ein erbitterter Krieg, der bis heute anhält. Die israelische Journalistin Lee Yaron widmet sich in ihrem Buch den konkreten Ereignissen des 7. Oktober. Sie hat eine Chronik dieses Tages geschrieben und ein Denkmal für seine Opfer geschaffen.

Cover von Lee Yarons Buch "Israel. 7. Oktober", darauf Häuser einer Stadt und Himmel, der Dreiviertel des Covers einnimmt
Die israelische Journalistin Lee Yaron schildert den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aus Sicht der Betroffenen. Bildrechte: S. Fischer

In zwölf Kapiteln besucht die Autorin je einen Schauplatz des Überfalls, darunter den Ort, an dem an diesem Tag das Musikfestival "Tribe of Nova" stattfand, wo allein 350 Menschen ermordet wurden. Lee Yaron sprach mit Angehörigen der Opfer und mit Überlebenden der Angriffe, sie protokolliert Abschriften von Telefonaten und Nachrichten, die Menschen kurz vor ihrem Tod an ihre Familien schrieben. Ein Buch, das aufrüttelt und berührt.

Angaben zum Buch Lee Yaron: "Israel. 7. Oktober. Protokoll eines Anschlags"
Aus dem Hebräischen von Sigrid Schmidt, Cornelia Stoll und Maria Zettner
S. Fischer Verlag
320 Seiten
26 Seiten
ISBN: 978-3-10-397645-8

Eva Illouz: "Explosive Moderne"

Angst, Enttäuschung, Wut: Schaut man sich die gegenwärtige Weltlage an, so scheinen die negativen Gefühle zu überwiegen. Und die Politik schlägt daraus Kapital. Die renommierte Soziologin Eva Illouz hat schon über die Liebe in Zeiten des Kapitalismus und über "sexuelles Kapital" geschrieben. Die These ihres aktuellen Buches: "Angst, Enttäuschung und Wut, aber auch Scham oder Liebe sind fest in die sozialen Arrangements der westlichen Moderne eingebaut – und werden von ihrer Ökonomie, Politik und Kultur intensiv bewirtschaftet."

Cover des Buches "Explosive Moderne", komplett in Rot gehalten
Soziologin Eva Illouz widmet ihr neues Buch dem Gefühlsleben der Moderne. Bildrechte: Suhrkamp

Diese Kreuzung persönlicher und gesellschaftlicher Interessen macht unsere Gegenwart aus und macht sie explosiv. Denn wenn die Demokratie ins Wanken gerät oder der Turbokapitalismus uns maßlos erschöpft, wenn wir uns mit Fragen von Antisemitismus, Rassismus und Sexismus auseinandersetzen müssen, dann passiert das nicht nur rational, sondern immer auch emotional.

Angaben zum Buch Eva Illouz: "Explosive Moderne"
Aus dem Französischen von Michael Adrian
Suhrkamp Verlag
447 Seiten
32 Euro
ISBN: 978-3-518-43206-8

Sandra und Hella Rottenberg: "Isay Rottenbergs Zigarrenfabrik"

Die beiden Cousinen Sandra und Hella Rottenberg kannten ihren gemeinsamen Großvater als großzügigen Mann, der in Amsterdam eine Fabrik für Trinkhalme besaß. Dass er Anfang der 30er-Jahre auch Besitzer einer Zigarrenfabrik im sächsischen Döbeln war, erfuhren sie erst 2014 aus einer Anzeige, die Nachfahren jüdischer Unternehmer in Ostdeutschland suchte.

Cover von Sandra und Hella Rottenbergs Buch "Isay Rottenbergs Zigarrenfabrik" 4 min
Bildrechte: Dietz

Weil in der Familie nie darüber gesprochen worden war, begannen die niederländischen Journalistinnen zu recherchieren und stießen auf eine unglaubliche Geschichte: Isay Rottenberg, ihr in Russland geborener jüdischer Großvater, hatte die Deutschen Zigarrenwerke in Döbeln 1932 nicht nur gekauft, sondern sie auch bis 1935 gegen den Widerstand der Nationalsozialisten halten können. Erst danach erging es ihm wie vielen jüdischen Unternehmern, seine Fabrik wurde unter fadenscheinigen Umständen und mit Hilfe der Deutschen Bank enteignet und "arisiert".

Ein aufschlussreiches und überraschendes Sachbuch, in dem die regionale Geschichte Sachsens und die Geschichte eines niederländischen Fabrikanten unlösbar miteinander verflochten sind.

Angaben zum Buch Sandra und Hella Rottenberg: "Isay Rottenbergs Zigarrenfabrik. Wie ein niederländisch-jüdischer Unternehmer in Sachsen den Nazis die Stirn bot"
Aus dem Niederländischen von Christina Siever
Dietz Verlag
290 Seiten
26 Euro
ISBN: 978-3-8012-0689-5

Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic

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Buchcover von Sachbüchern zum Thema Ostdeutschland mit Audio
Diese fünf Bücher über Ostdeutschland sollte man gelesen haben: Christina Morina – "Tausend Aufbrüche", Annett Gröschner, Peggy Mädler, Wenke Seemann – "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat", Steffen Mau – "Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt", Ines Geipel – "Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück", Sascha-Ilko-Kowalczuk – "Freiheitsschock" Bildrechte: Collage: Siedler Verlag / Hanser Verlag / Suhrkamp Verlag / S. FISCHER / Verlag C. H. Beck

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | "Unter Büchern" | 16. Oktober 2024 | 18:00 Uhr

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