Direktor Thalia Theater Halle (Saale), Matthias Brenner (Schauspieler und Regisseur)
Mit der Spielzeit 2023/2024 verlässt Intendant Matthias Brenner das nt Halle. Bildrechte: IMAGO/Steffen Schellhorn

Gespräch Neues Theater Halle: Warum Matthias Brenner zum Abschied von Hollywood träumt

04. Juni 2023, 04:00 Uhr

Zwölf Jahre lang war Matthias Brenner in Halle künstlerischer Leiter des neuen theaters und des Thalia Theaters. Nun beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt, den er noch nicht als "Rente" bezeichnen möchte. Er wird weiter auf der Bühne und vor der Kamera stehen. Außerdem möchte Brenner Italienisch lernen, schreiben und endlich länger verreisen. Im Gespräch mit MDR KULTUR schaut Brenner zurück auf die Jahre am Theater Halle. Es geht ums Gendern, um Machtmissbrauch und was ihn mit Hollywood verbindet.

Matthias Brenner verlässt das neue theater Halle und ist ab der Spielzeit 2023/24 nicht mehr Intendant des Hauses. Wie er im Gespräch mit MDR KULTUR verrät, höre er zwar auf, ein Theater zu leiten, denke aber nicht daran, in Rente zu gehen. Er werde weiterhin auf der Bühne und vor der Kamera stehen. Somit gebe es kein Loch nach dem letzten Vorhang in Halle für ihn. Nun wolle er das tun, wofür in den letzten 40, 50 Jahren keine Zeit gewesen sei: Verreisen, Italienisch lernen, Bücher schreiben. Unter anderem schwebe ihm ein Buch über seine Heimat vor. Brenner wurde in Meiningen geboren und dort begründete Herzog Georg II. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Theaterstadt Meiningen: "Das ist so eine irrwitzige Geschichte, die uns so viel beibringt heute, welchen Mut zu Europa so ein Mann schon hatte."

Theater in Zeiten von Flut, dem Anschlag in Halle und Corona

Auf die Frage, ob es nicht doch auch ein bisschen schön sei, den "Karren, der dauernd im Dreck steckt", einfach stehen zu lassen und nur das zu tun, was einem gefällt, bestätigt Brenner, dass die Zeiten nicht immer einfach gewesen seien. In den zwölf Jahren in Halle gab es kaum eine Zeit, in der das Theater nicht in irgendeiner Krise steckte.

Neues Theater Halle, Blick auf Theaterkasse, Haupteingang und NT-Café,  blaue Stunde, Herbst, Außenaufnahme, Querformat
Wirkungsstätte für Matthias Brenner für mehr als 10 Jahre: das nt Halle. Bildrechte: MDR/Joachim Blobel

Es sei kurz nach seinem Amtsantritt gleich losgegangen mit der Schließung des Kinder- und Jugendtheaters Thalia in Halle. Damals beschloss Brenner: Die betroffenen Schauspieler*innen kommen zu uns. Eine Situation, die sich erstmal einspielen musste. Nach der Personalaufstockung kam dann die schwierige Zeit, in der das Personal wieder abgebaut werden musste. Dann folgte die Flut der Saale, zählt Brenner auf. Der damalige Oberbürgermeister Wiegand, dem Brenner sonst viel verdankt, wie er sagt, hatte das Theaterspielen in dieser Zeit untersagt mit der Begründung, wenn andere ihr Hab und Gut verlieren, könne man nicht spielen. Da waren Brenner und sein Ensemble anderer Meinung.

Dann kam der Geschäftsführerwechsel bei der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH), begleitet von vielen Konflikten und (zu) großem Medienrummel und einer brisanten Zusammenarbeit mit dem damaligen Opernchef Florian Lutz. Dann geschah das Attentat auf die Jüdische Synagoge in Halle. Und am Ende kam Corona.

Themen wie Rassismus, MeToo und Gendern

Ein Grund für sein Aufhören sei gewesen, so Matthias Brenner, dass er nicht gesagt bekommen wolle, er passe nicht mehr in die Zeit. Er fühle sich zwar nicht als der "alte weiße Mann", aber inzwischen seien nun mal die jungen Menschen dran. Gerade weil sich im Moment so viel umstrukturiere – in der Gesellschaft und insbesondere in der Theater- und Filmbranche.

Die MeToo-Debatte, die am Anfang auch erst befremdlich war, nahm Fahrt auf und wurde zu einer Macht-Debatte, die intersexuell war. Es kam nicht mehr darauf an, wer wie was … Die hat sich zu einer wirklichen Debatte qualifiziert: Was ist Macht? Und da muss ich sagen: Es gibt Machtmissbrauch im positiven wie auch im negativen Sinne. Davon bin ich nicht frei. Um Gottes Willen.

Matthias Brenner

Diversität des Theater-Ensembles in Halle

Matthias Brenner (2019)
Matthias Brenner leitete das nt Halle 12 Jahre lang. Bildrechte: IMAGO / VIADATA

Es gehe auch um Themen wie Neokolonialismus, Gendern, Klima oder Rassismus. Selbst empfände man sich niemals als Rassist, erzählt Brenner und doch hätten wir damit zu tun, weil wir die Dinge aus der weißen Perspektive betrachten. Der latente Rassismus gehöre für ihn zu den wichtigsten Themen. Man müsse dafür sensibilisiert werden, was das bedeutet, auch ob ein Ensemble wirklich ein gesellschaftliches Abbild abgebe oder nicht. In den derzeitigen Debatten gehe es beispielsweise auch um Fragen, ob ein heterosexueller Schauspieler homosexuelle Rollen spielen kann. Und beim Gendern gebe es gerade in seinem Sprachberuf besonders viel Streit: ein Streit, der uns viel Kraft koste.

Wenn man der Sprache einen Aufwand gibt, das weibliche und das männliche Geschlecht gleich zu behandeln, finde ich das erstmal richtig. Ich finde das Nachdenken über die Sprache völlig richtig. Ich finde die Konsequenz falsch, dass ich gendern muss. Dass meine befreundete Sendung Kulturzeit gendert, stört mich. Mich stört es, andere nicht.

Matthias Brenner

Doch er wolle noch einen klugen Gedanken seiner Frau Cornelia "Nele" Heyse anfügen: Sie meine, ältere Menschen könnten sich vielleicht herausnehmen, nicht zu gendern. Die anderen, jungen aber müssten noch so lange damit leben und so sei es doch deren Versuch wert.

Sieht man Matthias Brenner in Zukunft in Hollywood?

Matthias Brenner gibt zu, dass er es liebe, seine Meinung zu sagen, und wie schön es war, wenn er wegen seines Amtes ständig öffentlich um diese gebeten wurde. In dieser Hinsicht werde das Telefon nun stillstehen. Da könne er sich vorstellen, das zu vermissen. Aber nun habe er ja noch das Spielen, das Schreiben, Reisen und seine große Liebe den 1. FC Union Berlin.

Ob Hollywood am Ende eine Option für ihn sei? Das sei ein kleiner Traum, entgegnet Brenner. Nachdem er 2022 eine kleine Szene in "Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse" hatte, befindet er sich in der Kartei von Warner Bros. Das sei schon ganz schön viel Hollywood und da kämen regelmäßig Anfragen. Insofern darf man da gespannt sein.

(Das Interview für MDR KULTUR führte Carsten Tesch. Redaktionelle Bearbeitung: Judith Burger)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 04. Juni 2023 | 12:05 Uhr