Blick auf das Haus der Frau von Stein in Weimar
Weimar: Das Barockgebäude, in dem einst Charlotte von Stein (1742-1827) wohnte, steht seit Jahren leer. Ursprünglich wollte der Eigentümer hier ein Museum errichten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

"Schwarzes Schaf der Denkmalpflege" Haus der Frau von Stein: Warum das Denkmal in Weimar zu verfallen droht

27. Juni 2023, 04:00 Uhr

Das Haus der Frau von Stein ist ein wertvolles Kulturdenkmal in Weimar – Goethe, Marlene Dietrich und viele Meister vom Bauhaus waren hier zu Gast. Seit Jahren wird das geschichtsträchtige Gebäude nicht mehr genutzt und droht zu verfallen. Der Denkmalverbund Thüringen hat deshalb dem spanischen Eigentümer, der hier ursprünglich ein Museum errichten wollte, einen Negativpreis verliehen: "Das Schwarze Schaf der Denkmalpflege". Die Stadt Weimar versucht bisher vergeblich, das Haus zurückzugewinnen.

Das Haus der Frau von Stein an der Ackerwand in Weimar ist ein stattlicher Barockbau von pastellfarbener Eleganz. Auf den ersten Blick wirkt das Gebäude tadellos: neues Dach, ordentliche Fassade, sogar der Sandsteinsockel sieht trocken und frisch verfugt aus. Doch der Schein trügt. Denn das Haus ist seit 14 Jahren nicht mehr in richtiger Nutzung.

Die Sanierungsarbeiten wurden 2014 abgebrochen und seitdem ist keine systematische Lüftung mehr im Haus und das hat immer zur Auswirkung, dass ein Schaden entsteht – und zwar ganz im Verborgenen. Wenn nicht gelüftet wird, steigt die Raumfeuchte, Putz und Farbe transportieren das Wasser ins Innere von Wand und Decken und so kann sich zum Beispiel der Hausschwamm, der hier schon einmal bekämpft worden ist, wieder ausbreiten.

Das Haus der Frau von Stein hatte bis zum Jahr 2008 der Stadt Weimar gehört. Für die klamme Kommune ist die historisch aufgeladenen Bausubstanz der Innenstadt Segen und Fluch zugleich.

Museum Haus der Frau von Stein in Weimar
Die Stadt Weimar will gerichtlich eine Rückübertragung des um 1770 erbauten Haus der Frau von Stein erreichen. Bildrechte: MDR/Sebastian Großert

Weimar: Haus von Goethes Freundin Charlotte von Stein verfällt

Das geschichtsträchtige Haus ist benannt nach Charlotte von Stein, deren leidenschaftliche wie problematische Beziehung zu Goethe überliefert ist, nicht zuletzt auf tausenden von Zettelchen, die zwischen dem Haus an der Ackerwand und Goethes Gartenhaus hin und her gingen.

Doch nicht nur der große Geheimrat und seine denkwürdig platonische Beziehung sind hier verortet. Die Schwestern Gliem betrieben hier eine Studentenpension in der z.B. auch Marlene Dietrich wohnte. Und mehrere Bauhausmeister und -schülerinnen lebten hier und feierten rauschende Feste.

Stadt Weimar verkaufte das Denkmal an einen spanischen Investor

Dennoch fand sich für das Haus weder eine zündende Nutzungsidee noch genügend Geld für eine komplette Sanierung. Und so entschloss sich die Stadt zum Verkauf. Das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege beschloss, nur die Hülle stehe unter Denkmalschutz. Im Inneren wird den Nutzungsvorstellungen eines Käufers entsprochen.

Blick auf das Haus der Frau von Stein in Weimar 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Der spanische Investor Juan Bofill hatte die wenig naheliegende Idee, in diesem Haus ein Museum für Werke von Salvador Dali einrichten zu wollen. Niemand machte sich die Mühe, die in Rede stehende Dali-Sammlung in Augenschein zu nehmen oder Bofills Finanzkraft zu überprüfen.

Juan Bofill im Haus Frau von Stein in Weimar
Der spanische Investor (Foto) hat das historische Gebäude 2008 mit dem Versprechen gekauft, es zu sanieren und eine Pension samt Museum dort einzurichten. Bildrechte: MDR/Michael Hesse

Streit um das Haus der Frau von Stein in Weimar vor Gericht

Dennoch erhielt der Mann aus Barcelona für verhältnismäßig günstige 325.000 Euro den Zuschlag – es war ein Lieblingsprojekt des damaligen Oberbürgermeisters und sollte sich als verhängnisvolle Entscheidung erweisen. Denn in den vergangenen 15 Jahre folgten Investitionszusagen auf kurze Bauphasen. Es gab unbezahlte Rechnungen, peinliche Pressekonferenzen und immer neue Ultimaten.

2020 beschloß der Stadtrat, das Haus zurückzukaufen. Seither wird verhandelt – auch vor Gericht. Das Gebäude bleibt verschlossen und außer einer Handvoll Leute kennt niemand die konkrete bauliche Situation.

Eigentümer erhält "Schwarzes Schaf der Denkmalpflege"

Um dem Vorgang noch einmal Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat der Denkmalverbund Thüringen e.V. dem Eigentümer des Hauses der Frau von Stein kürzlich das "Schwarze Schaf der Denkmalpflege" verliehen. Es gab einen Festakt vor Ort und ein Porzellanschaf mit roter Schleife wurde nach Spanien geschickt.

Selbst wenn der Rückkauf gelingt, beginnt der Reigen von vorn, denn natürlich gibt es noch immer keine Nutzungsidee und keinen Investor. Auf jeden Fall sind 15 Jahre verloren – hoffentlich nicht das ganze Haus. 

Redaktionelle Bearbeitung: vp

Kultur in Weimar – von Goethe über Theater bis Musik

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Juni 2023 | 07:10 Uhr