Große Ballone mit den Konterfeis des Bundeskanzlers (l) und des Finantministers schweben vor dem Reichstagsgebäude.
Große Ballone mit den Konterfeis des Bundeskanzlers (l) und des Finantministers schweben vor dem Reichstagsgebäude. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Redakteur | 26.01.2024 Warum gibt Deutschland anderen Ländern Entwicklungshilfe?

26. Januar 2024, 17:14 Uhr

Waffenlieferung in die Ukraine, Entwicklungshilfe für China, Geld für die Beseitigung von Fluchtursachen und klimafreundliche Radwege in Peru - warum beglücken wir die Welt mit unserem Geld?

Die verkürzte Antwort: Es geht immer um Interessen. Wir regeln vieles mit Geld, andere Länder mögen andere Methoden haben. Und trotzdem ist vieles anders, als es auf den ersten Blick scheint. Was die Radwege in Peru betrifft, haben die Kollegen vom ARD-Faktenfinder ausführlich recherchiert.

Das verknappte Ergebnis: Ja, es fließt Geld dorthin, das wenigste aber in Radwege, auch sind große Teile der Summen Kapitalmarktkredite, die mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Dieses Projekt ist zudem auch kein Ampel-Projekt, sondern stammt aus der Zeit von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU). Trotzdem bleibt der Vorwurf bestehen, dass Deutschland viel Geld für Dinge im Ausland ausgibt, obwohl es angeblich für uns schon nicht reicht.

Was passiert mit der Entwicklungshilfe?

Im Jahr 2022 beliefen sich die gesamten deutschen Entwicklungshilfeleistungen auf 33,9 Milliarden Euro. Da sind die Militärhilfen für die Ukraine noch nicht dabei. Das bedeutet aber nicht, dass diese Summe nun einfach nach Peru, Asien oder Afrika überwiesen wurde, um da Brunnen, Schulen und Radwege zu bauen.

  • Ein Viertel der knapp 34 Milliarden sind zunächst Zahlungen an internationale Organisationen wie die der UN
  • rund zehn Prozent humanitäre Hilfen nach Katastrophen
  • und der "Rest" hat Deutschland zu einem großen Teil nie verlassen, erklärt Dr. Axel Dreher. Er ist Professor für Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und einer unserer renommiertesten Experten beim Thema Entwicklungshilfe.

Eine Strassenszene in Bamako, der Hauptstadt von Mali.
Etwa zehn Prozent der Entwicklungshilfe geht nach humanitären Katastrophen ins Ausland. (Hier Mali) Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Bruchteil deutscher Entwicklungshilfe fließt ins Ausland

Beispiele für den Verbleib der Gelder in Deutschland sind etwa, dass zum Beispiel deutsche Firmen ein Projekt im Ausland umsetzen. Aber auch, dass Mittel in die Erstbetreuung von Flüchtlingen in Deutschland fließen, und zwar an die Leute, die diese Menschen hier betreuen. Das schafft einiges an Arbeitsplätzen. Auch unsere Hochschulen bekommen Geld aus diesem Topf - und zwar dafür, dass sie Studenten aus Entwicklungsländern ausbilden.

Das sind reine Buchungstricks. Da fließt kein Geld. Bei den Bildungskosten schaut man, wie viele ausländische Studenten haben wir aus Ländern, für die man Entwicklungshilfe ansetzen kann.

Prof. Dr. Axel Dreher, Lehrstuhl Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik Uni Heidelberg

Dass die Absolventen später einmal Entscheidungsträger und Multiplikatoren in ihren Ländern sind, ist als positives Element zukünftiger Wirtschaftsbeziehungen gewollt. Beispiel: Wir werden Wasserstoff aus Afrika brauchen für unsere Energiewende, das wird ohne Vorleistungen, Kontakte und nachhaltige Perspektiven vor Ort kaum funktionieren. Das kostet Geld. Und sollten andere Interessenten wie China oder Russland überzeugender auftreten, gehen wir vielleicht leer aus.

Die Rohre einer künftigen Wasserstoffleitung liegen vor der Kulisse eines Windparks.
Wasserstoff könnte einer der Hauptträger erneuerbarer Energien werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Es ist sicher auch von Vorteil und im Interesse unserer Wirtschaft, wenn möglichst viel von den zu errichtenden Anlagen von deutschen Firmen geplant und gebaut werden, zumal das den Weitertransport des Wasserstoffs nach Deutschland erleichtern dürfte.

Fakenews aus Russland in den sozialen Medien

Auch bei den Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg spielen deutsche Interessen eine Rolle. Die bestehen darin, dafür zu sorgen, dass Russland bereits am Dnjepr aufgehalten wird und nicht erst an der Oder. Es mag Menschen geben, die das für den falschen Weg halten, doch das ist nicht nur unter Experten eine Minderheitsmeinung. Trotzdem verfängt dieser Ansatz in den sozialen Netzwerken, wie Experten im Auftrag des Auswärtigen Amts bei "X", ehemals Twitter, mit Hilfe einer speziellen Software herausgefunden haben.

Wie der "Spiegel" berichtet, sei man auf ein großes Netzwerk falscher Nutzerkonten mit Bezug zu Russland gestoßen, die deutschsprachige Inhalte verbreiten. Auffällig wurden im Untersuchungszeitraum vom 20. Dezember 2023 bis zum 20. Januar 2024 mehr als 50.000 gefälschte Nutzerkonten, die insgesamt mehr als eine Million deutschsprachige Tweets absetzten. Häufiger Inhalt: Die Bundesregierung vernachlässigt die eigene Bevölkerung, um die Ukraine zu unterstützen.

Man weiß in Russland offenbar um die ungenügende deutsche Medienkompetenz, kritisch zu checken ist weniger verbreitet als das ungeprüfte Weiterleiten. Ein neues Zitatbildchen von Baerbock, das mit der Revers-Bildersuche von Google auf einen Account zurückgeht, der nur dieses eine Bild gepostet hat? Größte Vorsicht, erst recht, wenn das Zitat sonst in keinem Medium auftaucht. Also in keinem Interview, keiner Talkshow, nur in Form dieses Bildes.

Ein Zitat setzt nun einmal eine Quelle voraus, die zitiert wird. Und wenn es das Zitat wirklich gibt, dann ist es trotzdem ratsam, sich den Kontext anzuschauen, um in vielen Fällen den Puls wieder runterfahren zu können. Und wenn Habeck oder Scholz plötzlich und endlich "alles zugeben", dann steckt schlicht eine KI dahinter, die man mit etwas natürlicher Intelligenz ebenfalls entlarven kann.

Die Sache mit der Beseitigung von Fluchtursachen

Wenn deutsches Geld im Zusammenhang mit Flüchtlingen ausgegeben wird, kochen die Emotionen besonders hoch. Die EU beispielsweise hat Milliarden an die Türkei überwiesen, damit Erdogan für uns den Türsteher gibt. Außerdem sollten mit dem Geld die Lebensbedingungen von Millionen Menschen in den türkischen Flüchtlingslagern verbessert werden. Eigennütziges Ziel: Behaltet sie bitte bei euch.

Noch besser wäre es natürlich, die Fluchtursachen zu beseitigen. Das ist schnell gesagt, aber schwer umsetzbar. Professor Dreher ist von der Wirksamkeit solcher Projekte ohnehin nicht überzeugt, wenngleich er einräumt, dass es Kollegen gibt, die das anders sehen. Er sieht aber in seinen Forschungsdaten das Phänomen, dass bei solchen Projekten oft zu wenig Geld in die Hand genommen wird.

Jordanische Kinder spielen an einem Wassertanker 18 min
Bildrechte: imago/photothek
18 min

Prof. Dr. Axel Dreher, Lehrstuhl Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik Uni Heidelberg zum Thema Entwicklungshilfe.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Fr 26.01.2024 16:10Uhr 18:02 min

https://www.mdr.de/mdr-thueringen/audio-entwicklungshilfe-experteninterview-redakteur-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Motto: Zum Bleiben zu wenig, zum Fliehen endlich genug. Schließlich fliehen nicht die Ärmsten der Armen, sondern die, die es sich gerade noch leisten können, auch dank dörflicher Solidarität. Wenn für die Finanzierung der Fluchthelfer auch noch Entwicklungshilfegelder dienen, ist richtig etwas falsch gelaufen.

Wenn die Menschen reicher werden, aber immer noch gehen wollen - da ist man sich in der Literatur recht einig - dann steigt die Zahl der Flüchtlinge. Erst, wenn es sich in diesen Ländern hinreichend verbessert, kommt irgendwann ein Wendepunkt.

Prof. Dr. Axel Dreher, Lehrstuhl Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik Uni Heidelberg

Warum es wichtig ist, bei der Entwicklungshilfe verlässlich zu bleiben

Unterm Strich stecken trotz aller rosa Schleifchen, die wir um humanitäre Projekte binden, meistens knallharte deutsche Interessen. Natürlich sind die politisch geprägt. Unsere momentane Regierung setzt andere Schwerpunkte als die vorherige unter Beteiligung der CSU. Da waren interessanterweise erwähnte ziemlich "grüne" Klimaprojekte in Peru wichtig, aber ohne solche Zusagen hätte Frau Merkel eben auch keine Vereinbarungen beim Klimaabkommen in Paris bekommen.

Den Grünen in der Ampel sind bekanntlich Frauenrechte besonders wichtig und sie unterstützen deshalb oft feministische Ansätze in anderen Kulturen, um auf diesem Weg demokratischere Strukturen zu stärken. Die nächste Bundesregierung mag das für verzichtbar halten, sollte sich aber trotz anderer Prioritätensetzung an die getroffenen Vereinbarungen halten. Denn Deutschland wird im Ausland für seine Verlässlichkeit geschätzt. Das sollten wir nicht verspielen, indem wir irgendwo einfach den Stecker ziehen.

Der Reputationsschaden in der Region könnte deutlich größer sein als die Summe der freiwerdenden Millionen. Heißt: Wir brauchen dort nicht so schnell wieder anzukommen mit irgendeinem Anliegen. Um herauszufinden, was fehlende Verlässlichkeit und abhandengekommenes Vertrauen auslöst, müssen wir Deutschland gar nicht verlassen. 

Mehr zum Thema Entwicklungshilfe

Svenja Schulze (M, SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, schaut einer Weberin zu. mit Audio
Deutschland gilt wegen Projekten der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit wie hier in der jordanischen Hauptstadt Amman, das Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) Anfang November 2023 besucht hat, als zuverlässiger Partner. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 26. Januar 2024 | 16:40 Uhr

1 Kommentar

Jedimeister Joda vor 13 Wochen

Entwicklungshilfe ist eine tolle Sache, wennsie funktioniert. Was ich sicher weißist:Mit Geld kann man viel machen, vor allem Fehler. Woher wissen wir so genau was die Welt da draußen braucht? Es ist fast sowie man früher sagte: Am deutschenWesen soll die Welt genesen. Alle unsere Probleme, da gibt es sehr viele,wenn gelöst sind können wir uns die Entwicklungshilfe leisten. Radwege in Peru sind eventuell nützlich. Aber so lange in Deutschland noch Radweglücken von tausenden Kilometern sind is das alles Quatsch.