Das Müritz-Hotel in Klink (Mecklenburg-Vorpommern) wird am 12.09.2017 für die Sprengung vorbereitet. Dazu werden u.a. die Fenster, Isolierungen und Dämmstoffe sowie Schadstoffe wie Asbest ausgebaut.
In Deutschland wird viel saniert. In den kommenden zwei Jahrzehnten werde das zu einer "Asbest-Welle" führen, warnt die IG BAU. Bildrechte: picture alliance / Bernd Wüstneck/dpa/ZB | Bernd Wüstneck

Krebserregender Baustoff 9,4 Millionen betroffene Wohnhäuser: IG Bau warnt vor Asbestwelle

10. August 2023, 10:00 Uhr

In den 1930er-Jahren wurde Asbest gerne als Baumaterial eingesetzt. Seit 1993 ist das Herstellen und Verwenden des krebserregenden Stoffs verboten, Reste davon finden sich aber noch zu Hauf. Und die Gefahr wird mit der Zeit nicht weniger, im Gegenteil.

Das Problem beginnt mit Baustaub. Und der kommt, sobald die Fräse oder der Hammer angelegt werden. Mit Baustaub kommt die Gefahr, Asbestfasern einzuatmen. Dabei haben Menschen auf der Baustelle, Heimwerkerinnen und Heimwerker kaum eine Chance, eine Gefahr durch Asbest unmittelbar zu erkennen. Bis zu 30 Jahre kann es dauern bis es zur Diagnose kommt: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.

Für die Menschen, die in Wohngebäuden leben, die mit asbesthaltigen Baustoffen gebaut wurden, gibt es Entwarnung: "Eine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit gibt es nicht", erklären die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), das Pestel-Institut und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.

Bis heute ein gefährlicher Ort: Die „Grube Johannes“, berüchtigt als „Silbersee“. Hier lagern noch heute Millionen Tonnen Giftschlamm aus der Zellulose- und Filmproduktion der DDR-Zeit in Wolfen. mit Video
Bis heute ein gefährlicher Ort: Die „Grube Johannes“, berüchtigt als „Silbersee“ Hier lagern noch heute Millionen Tonnen Giftschlamm aus der Zellulose- und Filmproduktion der DDR-Zeit in Wolfen. Bildrechte: MDR/Lukas Gensel

Sanierungswelle kann zur Asbestwelle werden

Aber: Asbest in Altbauten wird eben doch gefährlich, nämlich dann, wenn saniert oder umgebaut wird. Die Gewerkschaft IG Bau warnt eindringlich davor. Carsten Burckhardt ist im Bundesvorstand der Gewerkschaft für die Bauwirtschaft und den Arbeitsschutz zuständig. Er sagt: "Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen."

In Deutschland werde viel umgebaut, damit zum Beispiel aus bestehenden Gebäuden neuer und zusätzlicher Wohnraum werden kann. Und in genau diesen Altbauten, die gerade oder zukünftig umgebaut werden, stecke Asbest. Millionen von Tonnen, schreibt die IG Bau.

Mit der Sanierungswelle drohe deshalb eine anrollende Asbest-Welle auf dem Bau. Das betrifft aber nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Bau, sondern auch Heimwerkerinnen und Heimwerker, die sich an Renovierungsarbeiten versuchen und dabei Wände einreissen oder Fliesen abschlagen.

Fest- oder schwachgebunden? Bei Asbestzementprodukten (Dachplatten, Fassadenplatten, Blumenkästen, Fallrohre, Kabelkanäle etc.) ist der Asbest fest im Produkt eingebunden. Auch Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber enthalten fest gebundenen Asbest.

Problematisch sind vor allem Produkte wie Spritzasbest, in denen Asbest schwach gebunden ist, da die Asbestfasern durch Erschütterung und Alterung leicht freigesetzt werden können.

Quelle: Umweltbundesamt

Vom Dach bis zum Keller

Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Daraus seien rund 3.500 verschiedene Produkte hergestellt worden – die meisten davon für den Baubereich. 9,4 Millionen Wohnungen seien in Deutschland betroffen, errechnete das Institut.

"73 Prozent des Asbests gingen in die Produktion von Asbest-Zementprodukten: Aus rund 32 Millionen Tonnen Asbest-Zement entstanden vor allem Rohre, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen, die alten Eternitplatten", erklärt Burckhardt.

Burckhardt will die drohende Asbest-Gefahr auf dem Bau mit einem Maßnahmenpaket abwenden. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine Charta mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt.

Forderungen für Arbeitsschutz

Notwendig sei unbedingt mehr Transparenz: Vor Baumaßnahmen müsse es beispielsweise Informationen über Asbestvorkommen im Gebäude geben. Die IG Bau schlägt dafür einen Asbest-Gebäudepass oder einen Schadstoff-Gebäudepass, der neben Asbest-Belastungen auch andere Schadstoffe ausweist, vor.

Um Arbeitsschutz auf dem Bau durchzusetzen, braucht es auch Kontrollen. Dem Arbeitsschutzbericht der Regierung zufolge sind für die Einhaltung der betrieblichen Sicherheitsvorschriften bundesweit derzeit 1.468 Aufsichtsbeamte verantwortlich. Damit ist eine Kontrolleurin oder ein Kontrolleur für 23.085 Beschäftigte zuständig. Hier wünscht sich die IG Bau dringend Aufstockung.

Das Asbest-Problem betrifft alle Bundesländer. In Sachsen sind rund 182.000, in Sachsen-Anhalt 141.000 und in Thüringen 144.000 Wohnungen betroffen. In Nordrhein-Westfalen sind die meisten Asbest-Wohnungen zu finden, dort sind es über 2,1 Millionen Wohnungen.

Was ist Asbest? Asbest ist die Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende, faserartige Minerale mit Faserdurchmessern bis herab zu 2 Mikrometern (1 Mikrometer entspricht einem Tausendstel Millimeter).

Asbest ist ein eindeutig krebserregender Stoff. Charakteristisch für Asbest ist seine Eigenschaft, sich in feine Fasern zu zerteilen, die sich der Länge nach weiter aufspalten und dadurch leicht eingeatmet werden können.

Die Zeit vom Einatmen der Asbestfasern bis zum Auftreten einer darauf zurückzuführenden Erkrankung ist lang und kann bis zu etwa 30 Jahre betragen.

Quelle: Umweltbundesamt

An der Giftmüll-Deponie „Grube Hermine“ in Bitterfeld-Wolfen.  29 min
An der Giftmüll-Deponie „Grube Hermine“ in Bitterfeld-Wolfen.  Bildrechte: MDR/Lukas Gensel

Quelle: AFP/IG BAU/Umweltbundesamt (vdw)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. August 2023 | 10:00 Uhr

Mehr aus Deutschland