Verwaiste Arztpraxen Mehr als 2.000 Medizinische Fachangestellte streiken für mehr Gehalt
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08. Februar 2024, 14:10 Uhr
Mindestens 2.000 Arzthelferinnen haben heute bundesweit in den Praxen die Arbeit niedergelegt. Der Verband der medizinischen Fachberufe VMF hatte wegen der stockenden Tarifverhandlungen zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Verbandschefin Hannelore König sagte MDR AKTUELL, die rund 330.000 Beschäftigten der Branche müssten für ihre verantwortungsvolle und stressige Arbeit besser bezahlt werden. Derzeit lägen die Einstiegsgehälter nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn.
- Medizinische Fachangestellte fordern ein Gehalt von mindestens 17 Euro im neuen Tarifvertrag.
- Der Spitzenverband der Fachärzte verweist auf die Konkurrenz zwischen den Arbeitgebern um Personal und unterstützt daher die anstehenden Proteste.
- Die Arbeitgeberseite sieht jedoch ein Problem in der Frage nach der Finanzierung einer Gehaltserhöhung.
Drei Jahre dauert die Ausbildung – und dann dürfen die Medizinischen Fachangestellten (kurz: MFAs) nicht nur die Verwaltungsaufgaben in den Praxen erledigen – sie leisten auch medizinische Arbeit: Verbände anlegen, Spritzen vorbereiten, Blutabnehmen für Laboruntersuchungen und vieles mehr.
Medizinische Fachangestellte haben Stress und bekommen wenig Gehalt
Das alles unter zum Teil enormem Zeitdruck, wie Hannelore König vom Verband der Medizinischen Fachangestellten erklärt: "Die Stressbelastung der medizinischen Fachangestellten im Praxisalltag ist tatsächlich sehr hoch, weil sie auch häufig in ihren Abläufen gestört wird. Und leider erleben wir auch seit der Pandemie, dass Patientinnen und Patienten immer fordernder werden."
Und die Bezahlung für diese verantwortungsvolle und stressige Aufgabe – die nennt König alles andere als angemessen, vor allem bei Berufsanfängern: "Aktuell liegt das Gehalt bei 13,22 Euro und somit nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn. Aus unseren Umfragen wissen wir, dass 66 Prozent der Medizinischen Fachangestellten sehr unzufrieden mit der aktuellen Gehaltssituation sind." Deshalb wird in der laufenden Tarifrunde unter anderem gefordert, dass das Einstiegsgehalt auf mindestens 17 Euro pro Stunde angehoben wird.
Der Spitzenverband der Fachärzte unterstützt die Forderungen – obwohl sich die Proteste ja auch gegen die eigenen Arztpraxen richten. Vorstandschef Dirk Heinrich erklärt: "Wir konkurrieren ja um die Menschen, die in unseren Praxen arbeiten, mit den Krankenhäusern, aber auch zum Beispiel mit den Krankenkassen, die ja ebenfalls Arbeitgeber sind und es ist schon bemerkenswert, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen ihren Sozialversicherungsfachangestellten – auch ein dreijähriger Lehrberuf, wie die MFA – wesentlich höhere Gehälter zahlen, als sie uns in den Verhandlungen immer zugestehen wollen."
Insofern, sagt Heinrich, sei er dafür, dass in den Verhandlungen ein ordentlicher Tarifabschluss für die MFAs erzielt werde. "Diesen Druck werden wir dann natürlich an die Krankenkassen weitergeben müssen, denn die müssen es am Ende refinanzieren."
Arbeitgeberseite zweifelt an Finanzierbarkeit
Das Problem der fehlenden Finanzierbarkeit sieht auch die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Arzthelferinnen und Medizinischen Fachangestellten – kurz AAA. Diese Arbeitsgemeinschaft führt die Tarifverhandlungen für die Arbeitgeberseite. Vorstand Erik Bodendieck kritisiert die Forderungen: "Auch die Arztpraxen unterliegen den normalen Kostensteigerungen. Wir haben für dieses Jahr roundabout vier Prozent draufgelegt bekommen von den Krankenkassen und wenn dann zwischen 12 und 17 Prozent Gehaltssteigerung für die MFA gefordert werden, das funktioniert einfach nicht."
Heute läuft die nächste Verhandlungsrunde – begleitet vom Warnstreik der Medizinischen Fachangestellten. In vielen Arztpraxen sind die Empfangstresen deshalb unbesetzt. Eine Notversorgung sei aber sichergestellt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Februar 2024 | 06:06 Uhr
MalNachdenken vor 35 Wochen
"Im Grunde ist das Kassensystem nicht mehr zu halten. Es muss mehr Eigenverantwortung her. Das geht nur, wenn die GKV durch Privatkassen samt und sonders ersetzt wird."
Aha. Wie soll das funktionieren? Ein System wie in den USA?
Das System der GKV gehört sicher auf den Prüfstand, bildet jedoch einer der Säulen die vor Verarmung und sozialen Abstieg schützt. Eine alternative Möglichkeit wäre z.B. auch, das es keine Privatkassen mehr gibt und alle in die gesetzliche einzahlen.
Kesselflicker vor 35 Wochen
Die Löhne sind doch nur deshalb so niedrig, damit die Kassenbeitrage nicht explodieren. Dass Arbeitnehmer dafür ausgebeutet werden müssen, ist die logische Folge. Im Grunde ist das Kassensystem nicht mehr zu halten. Es muss mehr Eigenverantwortung her. Das geht nur, wenn die GKV durch Privatkassen samt und sonders ersetzt wird. Denn die Arbeitskosten dürfen am Ende nicht noch teurer werden! Die Inflation ist hoch genug.
AlexLeipzig vor 35 Wochen
Na Hoppla, wie stark sind denn die Vergütungen für Ärzte in den letzten 10 Jahren gestiegen? Zumindest im hausärztlichen Bereich wohl eher nicht so dolle, wo doch kaum jemand eine Landarztpraxis übernehmen oder eröffnen will.