Arbeitskampf Streiks bringen Gewerkschaften neue Mitglieder
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07. Februar 2024, 05:00 Uhr
ÖPNV, Lokführer, Flughafen-Mitarbeiter – momentan folgt ein Streik auf den anderen. In vielen Branchen setzen sich die Beschäftigten derzeit für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne ein. Bei den Gewerkschaften, die diese Streiks organisieren, steigen währenddessen die Mitgliederzahlen.
- Arbeitssoziologie Klaus Dörre sieht einen Zusammenhang zwischen den Streiks und den gestiegenen Mitgliederzahlen: Streiks würden Gewerkschaften sichtbarer machen, sagt er.
- Dass derzeit überhaupt so viel gestreikt wird, liegt laut dem Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes daran, dass die Tarifverhandlungen härter geworden sind.
- Der Jo-Jo-Effekt, dass Mitglieder die Gewerkschaft wieder verlassen, sobald der Tarifstreit vorbei ist, zeichne sich derzeit nicht ab.
Die Gewerkschaften in Deutschland erleben momentan eine Trendwende. Nach aktuellen Daten des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind im vergangenen Jahr die Mitgliederzahlen erstmals nach dem Corona-Knick wieder gestiegen.
Arbeitssoziologe: Gewerkschaften sichtbarer
Dabei haben die vielen Streiks im letzten Jahr eine wichtige Rolle gespielt, erklärt Klaus Dörre. Er ist Professor für Arbeitssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Das war immer schon so, wenn gestreikt wurde, dann hat es auch viele Eintritte gegeben. Das hängt auch damit zusammen, dass man ja Streikgeld nur bekommt, wenn man Gewerkschaftsmitglied ist." Zudem würden Gewerkschaften über Arbeitskämpfe besonders sichtbar. Je mehr öffentliche Aufmerksamkeit die Gewerkschaften bekommen, desto attraktiver werden sie also für potenzielle Mitglieder.
Dass Gewerkschaften deshalb absichtlich häufiger zum Arbeitskampf aufrufen, sei aber nicht der Fall, erklärt der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, Guido Zeitler. Er sagt, Streiks seien das letzte Mittel, um Forderungen durchzusetzen. "Ein Arbeitskampf ist jetzt kein Selbstzweck. Wir streiken nicht des Streiks wegen, sondern wir streiken der Inhalte wegen."
Warum derzeit so viel gestreikt wird
Stellt sich die Frage, warum im vergangenen und auch in diesem Jahr so viel gestreikt wurde und wird. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Sachsen, Markus Schlimbach, sagt, die Tarifverhandlungen seien schwieriger geworden. Mehr zu bekommen sei nicht leicht zu erreichen. "Da muss dann manchmal eben auch der Streik kommen. Wir haben einen Anstieg bei den Streiks. Ich würde das nicht darauf zurückführen, dass bei uns die Lust auf Streik größer geworden ist, sondern einfach, dass die Tarifverhandlungen härter werden."
Das bestätigt auch der Gewerkschaftsforscher Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. "Die Gewerkschaften stehen natürlich auch unter dem Erwartungsdruck von Mitgliedern und Beschäftigten. Das muss man ganz klar sehen." Die aggressivere Art der Tarifauseinandersetzungen seien auch der Tatsache geschuldet, dass die Gewerkschaften lohnpolitisch wieder in die Offensive kommen wollen.
Jo-Jo-Effekt: Nach Ende des Tarifstreits treten viele wieder aus
Nicht selten treten Beschäftigte nach dem Ende von Tarifstreits direkt wieder aus den Gewerkschaften aus. Experten sprechen dabei vom Jo-Jo-Effekt. Der sei in letzter Zeit aber nicht mehr so ausgeprägt, erklärt Sachsens DGB-Chef Schlimbach. "Viele bleiben auch, weil es ja nicht nur eine einmalige Sache ist." Nach ein bis zwei Jahren seien wieder Tarifverhandlungen, "dann geht das wieder von vorn los."
Auch Soziologie-Professor Dörre sagt, dass der Jo-Jo-Effekt zurückgegangen sei. Und er stellt noch eine weitere Veränderung fest. In Ostdeutschland sei bei Arbeitnehmern das Interesse an Gewerkschaften gestiegen. "Gerade bei jungen Leuten im Osten spürt man eine viel stärkere Bereitschaft. Da muss man gar nicht lange argumentieren. Die gehen sehr schnell rein in die Gewerkschaften." Allerdings hätten sie die Erwartung, dass sich sofort etwas verbessern müsse. "Und wenn das nicht passiert, kann es passieren, dass sie das Gewerkschaftsbuch auch schnell wieder weglegen."
Die Angleichung der Ost- und West-Löhne sei für viele ein Anreiz, Gewerkschaften beizutreten, erklärt Sachsens DGB-Chef Schlimbach. Er ist der festen Überzeugung, dass die Lohnlücke nur durch Druck der Gewerkschaften geschlossen werden kann.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. Februar 2024 | 06:07 Uhr
JanoschausLE- vor 43 Wochen
Wagner,
hauptsächlich waren selbstständige Bauern bei den Protesten,der Aufrufer "Bauernverband" ist keine Gewerkschaft sondern ein Interessenvertreter der Land-WIRTSCHAFT. Subventionen,um die es ging und geht,bekommt der Unternehmer Landwirt,nicht der Angestellte.
Natürlich haben wegbrechende Subventionen mit weniger Einnahmen zu tun,weniger Geld,weniger zum Leben oder weniger für technische Investitionen.Was durchaus bei modernerem Gerät Arbeisabläufe,auch körperlich,erleichtert,effektiver und gewinnbringender gestalten könnte.
Wagner vor 43 Wochen
Alles richtig -aber was hat das mit Arbeitsbedingungen zu tun ?
Wenn,dann ist die Debatte doch verquer :demonstriert der angestellte Landwirt—dann hat er mit den Subventionen nichts zu tun .Er bekommt sein Gehalt ,das hat mit den Subventionen nichts zu tun; ich dachte,die Demos waren von Unternehmern in der Landwirtschaft,die was mit den Subventionen zu tun haben -aber die haben doch mit den Arbeitsbedingungen nichts zu tun.Der Trecker fährt,egal ob mit oder ohne subventionierten Sprit.
Wessi vor 43 Wochen
Naja @ steka, dazu kommt dann noch, als Hauptfaktor, die Verrentung der "Babyboomer"-Generation.Wenn die "Schere" zwischen sehr Reichen und dem Gros des Volkes immer größer wird, ist "geringe Bezahlung" viel, aber nicht "vermeindlich"!Das Wichtigste bei Zuwanderung ist "Willkommenskultur".Übrigens nicht nur bei "Fachkräften", sondern auch für alle Arbeitskräfte die gebraucht werden.