Polizei und Rettungskräfte im Einsatz
Bei Straftaten nennt die Polizei in Sachsen die Herkunft der Straftäter – als einzige in Mitteldeutschland. Cathleen Martin, Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Sachsen sieht darin keinen Vorteil. Bildrechte: IMAGO/Seeliger

Berichte über Verbrechen Polizeigewerkschaft sieht keinen Vorteil durch Nennung von Straftäter-Nationalität

06. August 2024, 08:06 Uhr

Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Sachsen sieht durch die grundsätzliche Nennung der Straftäter-Nationalität keine praktischen Vorteile. Landesvorsitzende Cathleen Martin sagte MDR AKTUELL, für die Polizei sei jeder Straftäter gleich. Die Chemnitzer Kriminologin Deliah Wagner bezweifelt allerdings, dass das auch für die Öffentlichkeit gilt. Forschungen hätten gezeigt, dass es auch in den Medien eine Tendenz gebe, Ausländer in die kriminelle Ecke zu stellen.

Ginge es nach der FDP, müssten gleich zwei der mitteldeutschen Bundesländer ihre Praxis ändern. Denn die Polizeien in Sachsen-Anhalt und Thüringen nennen die Nationalität von Tatverdächtigen bislang nur dann, wenn ein "begründetes öffentliches Interesse" besteht. Die zuständigen Innenministerien berufen sich auf MDR AKTUELL-Anfrage dabei auf den Pressekodex. Der soll verhindern, dass die Herkunft zur vermeintlichen Erklärung für die Tat wird.

Deutscher Journalistenverband: Nennung von Nationalität ist eine Gratwanderung

Ab wann aber ist dieses öffentliche Interesse vorhanden und somit die Nationalität berichtenswert? Eine sehr schwierige Frage, sagt Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband. "Das ist die Verantwortung von Redaktionen. Und ich weiß auch sehr genau, dass die Kolleginnen und Kollegen da auch so eine Art Gratwanderung hinlegen müssen."

Einerseits gehe es darum, die Verantwortung gegenüber Minderheiten wahrzunehmen. Andererseits dürften sich Jounralisten nicht dem Anschein aussetzen, sie wollten etwas verheimlichen.

Im Hintergrund sitzt eine Person. Sie ist nicht erkennbar. Im Vordergrund ist ein Mikrofon zu sehen.
Lokaljournalisten, die in Dörfern und Kleinstädten arbeiten, laufen Gefahr, dass sich ihr Berufsleben auch auf ihr Privatleben auswirkt. Sie haben Sorge vor Übergriffen, weil nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Wohnorte oder Autos häufig bekannt sind. Bildrechte: MDR MEDIEN360G

Um diesen Anschein eben nicht zu erwecken, macht es die sächsische Polizei anders. Sie nennt, sofern bekannt, die Herkunft des Täters in ihren Mitteilungen immer. Ob Medien sie dann erwähnen oder weglassen, können sie selbst entscheiden.

Nennung der Nationalität schürt Vorurteile

Allerdings, sagt Deliah Wagner, die am Zentrum für Kriminologische Forschung Sachsen ZKFS zur Wahrnehmung von Kriminalität und Straftätern forscht, haben auch die Medien eine Tendenz, Ausländer öfter in die kriminelle Ecke zu stellen.

In einer Untersuchung von Fernsehbeiträgen war die Herkunft von Tätern oder Tatverdächtigen häufiger dann Thema, wenn sie Ausländer waren. "Das suggeriert natürlich den Leuten das Gefühl, dass migrantische Personen sehr viel häufiger Straftaten begehen. Was aber, wenn man in die polizeiliche Kriminalstatistik schaut, so ja nicht richtig ist", sagt Wagner.

Sollten die Polizeibehörden bundesweit also künftig die Nationalität grundsätzlich nennen, könnte zwar niemand mehr behaupten, die Herkunft würde absichtlich verschwiegen. Dass die Arbeit der Polizei dadurch aber transparenter als zuvor werde, kann Cathleen Martin, Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Sachsen, aus ihrer praktischen Arbeit nicht bestätigen: "Es sind dann sicherlich einige Presseanfragen, die dann nicht mehr kommen oder Nachfragen der Bevölkerung, die dann nicht mehr kommen, wenn es dasteht." Für die Polizei sei aber jeder Täter gleich.

Studie: Leser fordern höhere Strafen für syrische Straftäter

Ob das auch für die Bevölkerung gilt, bezweifelt die Kriminologin Wagner. Denn in einer Studie setzte Wagners Forschungsgruppe Teilnehmern einen Artikel vor, in denen die Nationalität eines Täters mal deutsch war, mal syrisch und mal unerwähnt blieb: "Da haben wir gefunden, dass die Forderung nach hohen Strafen ganz, ganz deutlich erhöht war, wenn diese syrische Nationalität genannt wurde, obwohl der Tatbestand der gleiche war." Berufe sie sich auf diese eine Studie, zu der Folgestudien in Planung seien, würde sie sagen, dies sei eine klare Indikation gegen die grundsätzliche Nennung der migrantischen Nationalität.

Woher die unterschiedlichen Bewertungen kommen, erforscht Wagner gerade. Eine derartige Ungleichbehandlung zu vermeiden, dürfte aber wohl ebenfalls "öffentliches Interesse" sein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 06. August 2024 | 06:06 Uhr

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