Symbolfoto: junge Frau kümmert sich um älteren Mann
In Hospizen werden Menschen in ihren letzten Lebensabschnitten begleitet und gepflegt. Bildrechte: IMAGO / emil umdorf

Interview zum Welthospiztag Palliativverband sieht verstärktes Interesse an Tageshospizen

17. Oktober 2023, 06:27 Uhr

Am 14. Oktober ist Welthospiztag 2023. Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) e.V. informiert in seinen Einrichtungen über Hospizarbeit sowie Unterstützungsangebote für schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen. Viele Hospize stehen für Interessierte offen. Zum Stand der Palliativversorgung hat MDR AKTUELL mit dem Hospizverbands-Geschäftsführer Benno Bolze gesprochen.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Andreas Sandig
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

MDR AKTUELL: Wie viele Hospize in Deutschland gibt es mit wie vielen Patientinnen und Patienten?

Benno Bolze: In Deutschland gibt es rund 1.500 ambulante Hospizdienste, 260 stationäre Hospize für Erwachsene sowie 19 Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Dazu kommen etwa 340 Palliativstationen in Krankenhäusern. Die meisten stationären Hospize werden von den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie getragen. Für die Aufnahme in ein Hospiz ist eine ärztliche Bestätigung nötig.

Benno Bolze
DHPV-Geschäftsführer Benno Bolze Bildrechte: picture alliance / Handout/DHPV/dpa

Wieder verstärktes Interesse gibt es an Tageshospizen, von denen derzeit deutschlandweit ungefähr 15 bis 20 existieren. Einige weitere sind in Gründung. Dort gibt es dann teilstationär vom Morgen bis Nachmittag eine palliativmedizinische und pflegerische Betreuung. So kann die ambulante häusliche Versorgung ergänzt und gegebenenfalls ein Klinikaufenthalt vermieden werden. Aber auch die Gemeinschaft und der Austausch unter den Gästen spielen eine Rolle.

Welche Menschen gehen ins Hospiz und aus welchen Gründen?

Die meisten Menschen möchten zu Hause sterben, im Kreis ihrer Angehörigen. Die ambulante Begleitung ist daher auch primäres Ziel der Hospizarbeit und Palliativversorgung. Erst wenn eine Versorgung und Unterstützung zuhause nicht mehr möglich ist und der Betroffene eine Aufnahme wünscht, erfolgt die Aufnahme in ein Hospiz. Daneben nehmen wir aber auch wahr, dass dass die Zahl alleinlebender Menschen steigt. Auch das ist ein Grund neben der schweren Erkrankung, ins Hospiz aufgenommen zu werden. Menschen  wollen oft nicht ihre letzten Tage weitgehend allein in ihrer Wohnung sein, sondern möchten dann im Hospiz versorgt werden.

Zudem haben viele Menschen im Familien- oder Bekanntenkreis gute Erfahrungen mit Hospizen gesammelt und fragen deshalb nach einer Aufnahme für einen nahen Angehörigen. Außerdem informieren sich immer mehr Menschen über die Angebote der Palliativbetreuung und Hospizarbeit. Wir registrieren mehr Offenheit und Interesse am Thema Sterbebegleitung.

Muss man sich für das Hospiz anmelden, wie lange kann man dort bleiben?

Die Erwachsenenhospize haben durchschnittlich etwa zehn Betten. Jährlich werden in den Hospizen in Deutschland rund 35.000 Menschen betreut. Man kann sich für einen Platz in einem Hospiz bereits vorher anmelden. Der Anmeldedauer ist aber nicht von Bedeutung für die Aufnahme. Entscheidend ist die Dringlichkeit. Voraussetzung für eine Versorgung im Hospiz  ist eine unheilbare Erkrankung und dass das Leben aufgrund der schweren Erkrankung in absehbarer Zeit zu Ende gehen wird.

Der Aufenthalt im Hospiz ist auf die Dauer der Notwendigkeit der Versorgung begrenzt. Häufig kommen die Menschen erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung in ein Hospiz und bleiben bis zum Lebensende. Aber auch zu einem früheren Zeitpunkt der Erkrankung ist eine Aufnahme in ein Hospiz möglich und man kann auch von dort wieder entlassen werden. Das ist zwar nicht sehr häufig der Fall, aber das gibt es.  

Was kostet die Palliativbetreuung und wie finanzieren sich Hospize?

Bereits 1986 hat das erste stationäre Hospiz in Deutschland eröffnet. Seit 2007 hat jeder Versicherte einen Anspruch auf eine spezialisierte Palliativversorgung zu Hause oder auch im Pflegeheim. Die Palliativversorgung im Krankenhaus wird durch die Krankenkasse finanziert und die Versorgung im Hospiz wird zu 95 Prozent durch die jeweilige Kranken- und Pflegekasse getragen. Sterbende Menschen müssen im Hospiz keinen Eigenanteil zahlen. Fünf Prozent ihrer Ausgaben tragen die Hospize selbst durch Spenden. Auch die Arbeit der ambulanten Hospizdienste  wird von den Krankenkassen durch einen Zuschuss zu den Personal- und Sachkosten gefördert. Alle Patientinnen und Patienten haben den gleichen Anspruch auf die Versorgung und Begleitung. Eine Mitgliedschaft zum Beispiel in einem Hospizverein oder auch Spenden oder weitere Zuwendungen sind dafür keine Voraussetzung.  

Gibt es ausreichend Palliativmediziner und Pflegekräfte, wie intensiv ist die Betreuung?

Der  Fachkräftemangel macht sich teilweise  auch in der Hospizarbeit bemerkbar. Wir können aber eine intensive Betreuung weiterhin gewährleisten. In einem Hospiz mit z.B. acht Betten  haben wir  einen Betreuungsschlüssel von 12 Stellen in der Pflege. Im Nachtdienst sind immer zwei examinierte Pflegekräfte im Hospiz tätig.  Bundesweit haben etwa 14.620 Ärztinnen und Ärzte eine Zusatzausbildung Palliativmedizin (Palliative Care) absolviert. Die Hauptarbeit bei der Sterbebegleitung leisten entsprechend ausgebildete Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte,  Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in enger Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Kann jeder ehrenamtlich in der Sterbebegleitung arbeiten?

Ehrenamtlich in der Sterbebegleitung Mitarbeitende nehmen vor Beginn ihrer Tätigkeit an einem Vorbereitungskurs teil im Umfang von 90 bis 100 Stunden, meist aufgeteilt auf mehrere Abende und Wochenendtermine. Bundesweit engagieren sich mehr als 120.000 Menschen ehrenamtlich, bürgerschaftlich oder hauptamtlich bei der Arbeit für schwerstkranke und sterbende Menschen. Davon sind rund 70.000 Menschen ehrenamtlich in der Begleitung der Betroffenen tätig. Der Großteil davon sind Frauen – da gibt es noch Nachholbedarf bei den Männern. Zu allen Fragen der Hospizarbeit und Palliativversorgung informieren die Hospiz- und Palliativdienste am 14. Oktober. Interessierte können gern vorbeikommen und sich beraten lassen.

Wo sehen sie noch Defizite bei der Sterbebegleitung in Deutschland?

Wir haben bundesweit zumeist eine sehr gute Versorgung und Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen. In den kommenden Jahren müssen wir vor allem die Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen und auch zuhause weiter ausbauen, verbunden mit dem weiteren Aufbau von Hospiz- und Palliativnetzwerken. Hinzu kommt, dass es bisher keine gesicherte Förderung für die Begleitung trauernder Menschen gibt, die von den Kassen vergütet wird. Die Trauerbegleitung macht einen wichtigen Teil unseres Angebots aus. Es bleibt also noch einiges zu tun.

Welche Rolle spielt der wachsende Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei der Hospizarbeit?

Da sehen wir verschiedene Entwicklungen: Grundsätzlich gibt es in anderen Kulturkreisen und Ländern oft einen stärkeren familiären Zusammenhalt und damit anteilig weniger Nachfragen nach unseren Angeboten. Doch das Interesse daran und die Offenheit für die Angebote nimmt zu. Zuletzt sind viele Geflüchteten aus der Ukraine nach Deutschland gekommen und natürlich auch schwerkranke und sterbende Menschen. Die stationären Hospize und mobilen Palliativteams sind auch darauf vorbereitet und bieten eine entsprechende Versorgung und Begleitung an.  

Wie steht der Hospizverband zur "Sterbehilfe"?

Dabei muss man zunächst unterscheiden zwischen der "Beihilfe zum Suizid", worüber in Deutschland wieder sehr intensiv diskutiert wird, und der zur "Tötung auf Verlangen", die in den Niederlanden und Belgien möglich, aber in Deutschland verboten ist. Hinter dem Wunsch nach Sterbehilfe steht oft die Angst schwerkranker Menschen vor Schmerzen, vor einem Sterben in Einsamkeit oder dass man anderen zur Last fällt. Genau da setzt ja die Hospiz- und Palliativarbeit an: Würdevolles Sterben, Anteilnahme und möglichst wenig Schmerzen.

DHPV, MDR

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. Oktober 2023 | 09:30 Uhr

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