Long Covid Infiziert im Job: Wird Corona als Berufskrankheit anerkannt?
Hauptinhalt
17. Februar 2023, 05:00 Uhr
Beschäftigte in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtigungen waren während der Pandemie einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Viele davon haben sich auch tatsächlich mit Corona angesteckt. Der zuständigen Berufsgenossenschaft BWG wurden zu Corona-Hochphasen bis zu 7.000 Infektionen pro Woche gemeldet. Doch die Anerkennung von Corona als Berufskrankheit gestaltet sich schwierig. Betroffene fühlen sich im Stich gelassen.
- Viele Pflegekräfte haben sich in den letzten Jahren mit Corona infiziert, aber dass Long Covid als Berufskrankheit anerkannt wird, gestaltet sich für Betroffene sehr schwierig.
- Ein Problem ist die rechtliche Unterscheidung zwischen Berufskrankheit und Arbeitsunfall.
- Der Sozialverband VdK fordert, die Kliniken stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Die 48-jährige Evelin K. ist Krankenschwester in einem Chemnitzer Krankenhaus. Sie arbeitet im OP-Bereich der Urologie. Ihren Namen haben wir geändert, denn sie möchte anonym bleiben. Zu groß ist die Angst vor Repressalien durch ihren Arbeitgeber. Evelin K. ist dreimal gegen Corona geimpft, hat sich trotzdem infiziert und leidet seit einem Dreivierteljahr an Long Covid.
Was sie im Gespräch mit MDR AKTUELL geschildert hat, lässt sich so zusammenfassen: "Ich bin seit September krankgeschrieben, hatte Herzinfarkt-Symptome, einen Herzbeutelerguss, die Leberhohlvene ist erweitert. Ich leide an extremer Schwäche und Müdigkeit, außerdem habe ich kognitive Störungen. Der Arzt hat Long Covid bestätigt. Das habe ich der Berufsgenossenschaft gemeldet."
In der Pandemie sind wir beklatscht worden, jetzt aber fühle ich mich völlig im Stich gelassen.
Wird Long Covid als Berufskrankheit anerkannt, erhalten Betroffene im Krankheitsfall 80 Prozent Lohnfortzahlung anstelle von 70 Prozent. Außerdem werden Therapien und notwendige Medikamente komplett bezahlt. Wer gar nicht mehr arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Rente. Der Weg bis dahin jedoch ist kompliziert, erzählt Evelin K.: "Ich muss der BGW schriftlich nachweisen, wann ich mit welchem Patienten Kontakt hatte. Das heißt, es muss nachgewiesen werden, bei welchem Patienten ich mich angesteckt habe. Das ist absolut nicht zu leisten, weil ich mit vielen Infizierten zusammengekommen bin. In der Pandemie sind wir beklatscht worden, jetzt aber fühle ich mich völlig im Stich gelassen."
Rechtliche Grauzone: Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
Wir fragen nach bei der BGW, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Diese Nachweispflicht komme nur in Frage, wenn es keine Berufskrankheit sei, sondern ein Arbeitsunfall, sagt BGW-Verwaltungsleiter Christian Frosch: "Dann brauchen wir tatsächlich sogenannte Index-Personen oder es betrifft den Bereich der Betriebe, die nicht der Wohlfahrtspflege zugeordnet sind. Oder wenn es zwar im Krankenhaus wäre, aber es ist derjenige, der das Essen herumfährt, zum Beispiel Kliniken versorgt und von Klinik A nach B fährt. Von daher sind eigentlich alle, die im Gesundheitswesen tätig sind und einen eins zu eins Kontakt zu Menschen haben, versichert und müssten dann im Regelfall auch nicht nachweisen, welcher Patient es war."
Sozialverband VdK: Beweislast sollte bei den Kliniken liegen
Knackpunkt ist also die Frage, ob es ein Arbeitsunfall war oder ob es eine Berufskrankheit geworden ist. Bei einer Corona-Infektion verschwimmen da die Grenzen und das macht eine Feststellung sehr schwierig. Der Sozialverband VdK führt deshalb für einige Betroffene Musterstreitverfahren. Problematisch sei auch, dass die Beweislast beim Beschäftigten, liege, so VdK-Jurist Holger Lange: "Das ist nach unserer Auffassung aber nicht sachgerecht, da der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer die Bedingungen im Betrieb festlegt und für den Arbeitsschutz verantwortlich ist. Auch kann der Arbeitnehmer nicht alle Vorgänge im Betrieb dokumentieren. Die schon im Gesetz vorgesehene Beweiserleichterung reicht hier nicht aus nach unserem Dafürhalten. Der VdK fordert daher eine Beweislastumkehr zugunsten der Beschäftigten."
Das heißt, ein Klinikbetreiber zum Beispiel müsste dem Beschäftigten nachweisen, dass er sich nicht auf Arbeit infiziert hat. Ein schwieriger Weg der juristischen Aufarbeitung. Die Berufsgenossenschaften sehen sich mit einem nie dagewesenen Berg an Arbeit konfrontiert. Seit Pandemiebeginn sind allein bei der BGW rund 372.000 Verdachtsmeldungen auf eine Covid-Erkrankung eingegangen. Rund 240.000 Fälle wurden als Berufskrankheit anerkannt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. Februar 2023 | 06:00 Uhr
WegWeiser am 17.02.2023
Wir haben Deutschlandweit ca. 2,5 Millionen Long Covid Erkrankte. Davon waren etliche ungeimpft, weil es zum Zeitpunkt der Infektion (2020/2021) noch gar keine Impfungen gab. Die Anzahl derer, die vor der Infektion geimpft waren, ist verhältnismäßig klein. Gerade in Pflegeberufen oder bei KindergärtnerInnen sollte, wenn an der Arbeit mit infizierten Kontakt bestand, eine Anerkennung als Berufskrankheit erfolgen. Ohne Beweislast beim Antragsteller.
Babosa am 17.02.2023
Ich habe mich im Januar 2022 in der Klinik mit Covid und dem Norovirus gleichzeitig infiziert. Die Anerkennung als Arbeitsunfall durch die BG erfolgte ein paar Monate später. Nach wie vor werden meine gesundheitlichen Beeinträchtigungen von der BG nicht als Folge dieses Arbeitsunfalls bewertet. Ich musste einen ambulanten und einen stationären Post-Covid-Check über mich ergehen lassen ,wobei auf meine Kraftlsigkeit und Belastungintoleranz keine Rücksicht genommen wurde. Mir wurde eine psychosomatische Reha empfohlen und im Entlassungsbericht wird meine Erkrankung als "Anpassungsstörung " bezeichnet. Mein geringes Leistungsvermögen wurde zu "verminderter Leistungsbereitschaft" und "suboptimales Leistungsverhalten" umgedeutet. Es ist entsetzlich genug, so krank zu sein ohne das es in medizinischer Hinsicht Hilfe gibt. Aber zusätzlich so beurteilt und von der BG so hingehalten zu werden, ist unerträglich. Keine finanzielle und medizinische Unterstützung seit einem Jahr .
vieldenker am 17.02.2023
Das die Impfung nicht vor Ansteckung schützt, ist ja wohl nun in den letzten Wochen und Monaten eindeutig geklärt worden. Deshalb sollte meiner Meinung nach kein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften gemacht werden. Viele haben gegen Ihre Überzeugung und auf Grund Ihres berufliches Hintergrund - wiissens sich nur impfen lassen, um Ihre berufliche, wie finanzielle Existenz zu sichern. Das man sich trotz Impfung anstecken kann, hat man im Bildungswesen gewusst . Dort war um den Beamtenstatus zu behalten oder zu erhalten auch Impfpflicht angesagt. Trotzdem sind durchgeimpfte Schwangere sofort, nach bekannt werden der Schwangerschaft ins Beschäftigungsverbot gegangen. In der Pflege weiß ich nichts von solchen Maßnahmen. Für mich ist auch der Pflegeberuf Systemrelevant . Hier sollte man vielleicht verbeamten. Es gibt zu viel Ungerechtigkeiten im System . Und nein ich bin in keinem Pflegeberuf tätig ich bin Landwirt.Man schuldet den Pflegern von allen Seiten Anerkennung.