Zwei Schülerinnen betrachten am 23.06.2010 in der Grundschule Mengendamm in Hannover ihre Zeugnisse. Die Kinderschutzdienste in Thüringen sind auf Anrufe am Kinder- und Jugend-Sorgentelefon wegen Zeugnisnöten eingestellt.
Zwei Mädchen begutachten ihre Zeugnisse. Die Mehrzahl der Anrufer bei der "Nummer gegen Kummer" sind jedoch männlich. Bildrechte: picture alliance / dpa | Michael Löwa

Nummer gegen Kummer Sorgentelefone helfen bei Angst wegen schlechter Noten

04. Juli 2023, 16:00 Uhr

In dieser Woche gibt es an Schulen, Gymnasien und Fachoberschulen wieder Jahreszeugnisse. Manchem sind die Noten egal, andere belasten schlechte Zensuren. Bei Angst und Frust wegen einem schlechten Zeugnis – aber auch jedem anderen Problem – können Kinder und Jugendliche Sorgentelefone anrufen. Wie werden sie genutzt? Sind Telefonhotlines für Teenager noch zeitgemäß?

MDR AKTUELL Mitarbeiter Andreas Sandig
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Wenn Kinder und Jugendliche mit ihren Zensuren und Schulzeugnissen unglücklich sind, gibt es verschiedene Angebote per Telefon und im Internet, diese Sorgen zu teilen. Die Beratenden am andere Ende sind geschulte Fachkräfte, die zuhören und auch beraten und helfen können.

Bekannt ist die bundesweite Nummer gegen Kummer vom gleichnamigen Verein, die unter der Hotline 116111 kostenlos nicht nur bei Ärger in der Schule berät, sondern für alle Probleme von Kindern und Jugendlichen da ist. Daneben gibt es auch Beratungs-Hotlines für Eltern unter 0800/1110550 und inzwischen auch für Menschen aus der Ukraine unter 0800/5002250. Alternativ wird auch per Mail über Webseite nummergegenkummer.de beraten.

Corinna Mender (47), Mitarbeiterin beim Kinder- und Jugendtelefon in Dortmund. Corinna Mender arbeitet bei der «Nummer gegen Kummer». Unter der 0800 111 0 333 können Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland anrufen, wenn sie Hilfe wollen oder einfach nur jemanden brauchen, der ihnen zuhört. Foto: Katharina Heimeier ACHTUNG: Nur für Bezieher des dpa-Dienstes Nachrichten für Kinder unter Nennung des Urhebers.
Die Mitarbeitenden bei der "Nummer gegen Kummer" werden etwa 100 Stunden geschult, um gute Beratung geben zu können. Bildrechte: picture alliance / dpa | Katharina Heimeier

Allein am Kinder- und Jugendtelefon zählte der Verein im Jahr 2022 knapp 91.000 Beratungsgespräche seiner zumeist ehrenamtlichen Mitglieder.

Dazu kamen noch 11.700 Online-Beratungen sowie 18.700 Elterntelefonate – auf Wunsch immer anonym für die Hilfesuchenden.

Am Sorgentelefon berät nur geschultes Personal

Der Dachverein Nummer gegen Kummer arbeitet derzeit mit 87 lokalen Trägern der Beratungstelefone zusammen, überwiegend örtliche Verbände des Deutschen Kinderschutzbunds sowie anderer Wohlfahrtsverbände.

Der Geschäftsführer vom Kinderschutzbund Sachsen, Olaf Boye, sagte MDR AKTUELL, dass bei den Beratungsgesprächen nur gut geschultes Personal im Einsatz sei, am Telefon und auch Online. Die Berater seien ausgebildet und könnten den Anrufenden gegebenenfalls psychologische oder andere professionelle Hilfe vermitteln. Der Sozialpädagoge Sven Ramdohr vom Kinder- u. Jugendschutz Thüringen e.V. führt aus, die Beratung erfolge durch pädagogische Fachkräfte und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein Ausbildungsprogramm des Freistaates durchliefen und regelmäßig an Supervisionen und Fortbildungen teilnähmen.

Ist Beratung per Telefon für Teenager noch zeitgemäß?

Ramdohr hält das persönliche Gespräch am Telefon weiterhin für die beste Möglichkeit, um in schwierigen Situationen zu helfen. Dabei  gebe es weniger Missverständnisse, es kann sofort nachgefragt werden. Der Sozialpädagoge räumt ein, die Hürde für Kinder und Jugendliche zu telefonieren, werde durch moderne Messengerdienste und Internetkommunikation höher. Chatnachrichten hätten bei vielen Jugendlichen direkte Telefonate ersetzt. Daher gebe es beim Sorgentelefon "Überlegungen, das Angebot zu erweitern". Das sei aber noch nicht spruchreif.

Auch Kinderschützer Boye hält das direkte Gespräch für die beste Kommunikationsform bei einer Beratung. Die Beratenden könnten durch die Stimmlage der Anrufer und die Gesprächsführung am besten die Situationen einschätzen. Das sei über andere Kanäle wie Whatsapp, Instagram oder Tiktok nur bedingt möglich. Der Verein Nummer gegen Kummer versuche aber auf diesen jugendaffinen Plattformen Kontakte zur Telefon- oder Online-Beratung herzustellen. Online gebe es in der Regel zwei, drei Tage Zeitverzug, nachdem psychologische Fachkräfte die Anfrage eingeschätzt haben.

Zensuren "längst nicht die Hauptsorge"

Laut dem Jahresbericht für Sachsen haben die landesweit sieben Kinder- und Jugendtelefone im vergangenen Jahr gut 41.000 Anrufe erhalten. Etwa 30 Prozent der Anruferinnen oder Anrufer haben sofort wieder aufgelegt. Boye erläutert, teils seien es Spaßanrufe, Mutproben oder nur ein erster Testanruf. Doch Erfahrungen zeigten, dass dann einige später auch noch ernsthaft das Gespräch suchte. Bei etwa 9.200 Anrufenden kam es zu einem Beratungsgespräch.

57,5 Prozent der Anrufer waren demnach männlich, knapp 41 Prozent weiblich. Altersmäßig lag der Schwerpunkt der Anrufer bei den 12- bis 16-jährigen mit gut 45 Prozent. Die Telefongespräche dauerten zu knapp 40 Prozent maximal fünf Minuten und weiteren gut 30 Prozent bis zu einer Viertelstunde. Inhaltlich ging es demnach bei vier von zehn Gesprächen um psychosoziale Themen und Gesundheit sowie je etwa 20 Prozent um familiäre Probleme, Partnerschaft und Liebe sowie Sexualität. Dahinter folgten Schule und Ausbildung mit 13 Prozent sowie Freundeskreis mit 12 Prozent. Oft überschnitten sich Problembereiche. Zwei Drittel der Anrufenden formulierten dabei vor allem Probleme mit sich selbst. Lehrkräfte und Ausbilder wurden nur zu 1,7 Prozent genannt.

Sven Ramdohr vom Kinder- u. Jugendschutz Thüringen sagte MDR AKTUELL, im Schnitt gebe es etwa 100 Anfragen pro Monat zu verschiedensten Problemen. Die Zeugnisse seien dabei "längst nicht die Hauptsorge der Jugendlichen". Kerngruppe bei den Anrufenden seien die 12 bis 15-jährigen, zwei Drittel seien Mädchen. Die Gesprächsdauer sei sehr unterschiedlich, manchmal gehe es auch bis zu einer Stunde.

Nach Daten des bundesweiten Dachvereins für 2022 spielte am Kinder- und Jugendtelefon bei fast 18 Prozent der Beratungsgespräche (ca. 12.000) und gut fünf Prozent der Online-Beratung (ca. 1.800) das Thema Schule und Beruf eine Rolle, meist neben anderen Fragen. Häufigste Themen waren Überforderung oder Leistungsdruck. Nur in jedem zehnten Fall ging es explizit um das Zeugnis oder die Schulnoten.

Extra-Hotlines in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Doch gerade rund um die Zeugnisvergabe registrieren die Kinder- und Jugendtelefone einen erhöhten Beratungsbedarf. Dann steigt regelmäßig die Zahl der Kontaktaufnahmen per Telefon, via Mail oder Chat. Daher bieten die Bundesländer teils zusätzliche Zeugnis-Hotlines an, so auch die Bildungsagentur Sachsen unter der Telefonnummer 0351/8439303. Dort stehen am Freitag zwischen 11 und 16 Uhr Experten bereit, um Schüler und Eltern zu beraten. Regionale Standorte sind:

  • Zwickau: 0375 4444-333
  • Standort Leipzig: 0341 4945-860
  • Standort Dresden: 0351 8439-353
  • Standort Chemnitz: 0371 5366-105
  • Standort Bautzen: 03591 621-138

In Sachsen-Anhalt richtet das Landesschulamt zur Zeugnisausgabe am Mittwoch ein Sorgentelefon ein. Dort gibt es Hilfe und Ratschläge von Schulpsychologen zwischen 10 und 15 Uhr im Bereich:

  • Südliches Sachsen-Anhalt unter der Telefonnummer 0345/514-1898
  • Nördliches Sachsen-Anhalt unter 0391/567-5785.

In Thüringen bietet bei Frust und Angst nach einem schlechten Zeugnis – oder bei anderen Problemen – das kostenfreie Kinder- und Jugendsorgentelefon unter der Nummer 0800 - 008 0080 Hilfe an. Die Beratungshotline ist rund um die Uhr erreichbar, auf Wunsch auch anonym. Insgesamt gibt es mehrere Standorte des Sorgentelefons, darunter in Bad Salzungen, Gera, Sonneberg, Marisfeld, Seebach und Erfurt.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSEN-ANHALT HEUTE | 05. Juli 2023 | 19:00 Uhr

Mehr aus Panorama

Mehr aus Deutschland

Eine Grafik 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 08.05.2024 | 21:46 Uhr

Während des zweiten Weltkriegs zwangen die Nazis etwa 20 Millionen Menschen zur Arbeit. Mehr als zehn Prozent davon starben dabei. Ein Überblick.

Mi 08.05.2024 21:36Uhr 01:12 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/video-grafik-zwangsarbeit-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Nachrichten

Ursula von der Leyen am Rednerpult. 1 min
Ursula von der Leyen zu den Europaplänen der AfD Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Katja Diehl 1 min
Mobilitätsexpertin Katja Diehl zu Gast in der Talkshow Anne Will. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 08.05.2024 | 18:41 Uhr

In der Talkshow Anne Will vom 5.2.2023 diskutieren u.a. Mobilitätsberaterin Katja Diehl und der parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei.

Das Erste So 05.02.2023 21:45Uhr 00:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/video-822490.html

Rechte: ARD.de

Video