Ein junger Mann gibt dem Kind auf seinem Schoß einen Löffel mit Brei
Der Wegfall des Elterngeldes könnte zu einem Verlust von Gleichstellung führen, fürchtet Experte Mathias Huebener. Bildrechte: IMAGO/photothek

Gesetzespläne "Nicht zielführend": Experten kritisieren Vorhaben zur Elterngeld-Kürzung

06. Juli 2023, 10:55 Uhr

Ökonomen befürchten, dass eine Beschränkung des Elterngeldes zu Geburtenrückgang bei Paaren mit höherem Einkommen führt. Der Familienökonom Mathias Huebener sagte MDR AKTUELL, gerade bei Höherverdienenden habe das Elterngeld deutliche Effekte gezeigt.

Eine genaue Statistik dazu, wie groß der Kreis der Betroffenen ist, gebe es nicht, schreibt das Bundesfamilienministerium MDR AKTUELL auf Nachfrage. Experten schätzen, dass die Sparpläne der Familienministerin etwa 435.000 Paare mit potenziellem Kinderwunsch treffen würden.

Dabei habe das Elterngeld seit der Einführung vor 16 Jahren gerade bei Höherverdienenden deutliche Effekte gezeigt, sagt Familienökonom Mathias Huebener, der die Forschungsgruppe Bildung und Humanvermögen beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung leitet. Denn vorher hätten Höherverdienende gar keinen Anspruch auf Lohnersatz gehabt, wenn Nachwuchs anstand.

"Diese Gruppe hat besonders von der Einführung des Elterngeldes profitiert. Das ist auch diese Gruppe, in der sich dann nachweisen ließ, dass sie etwas häufiger Kinder bekommen haben. Eine andere Wirkung des Elterngeldes, die sehr erwünscht war, die sich auch durchgesetzt hat, ist zum Beispiel die stärkere Einbindung von Vätern."

Auf diese Effekte habe man mit dem Gesetz auch abgezielt, so Huebener. Blicke man auf die Forschung, könne man also erwarten, dass diese Paare dann weniger Kinder bekämen.

Huebener fürchtet weniger Gleichstellung

Gleichzeitig würde vor allem die Gleichstellung leiden, fürchtet Huebener. Verdienen nämlich beide Partner gleich viel, liegen knapp über der Grenze und bekommen kein Elterngeld, besteht seiner Meinung nach die Gefahr, dass das Paar in alte Rollenmuster zurückfällt.

"Die Person, die ein leicht höheres Einkommen hat, versucht den Wegfall des anderen Einkommens auszugleichen. Sprich: Der Mann wird dann wieder die komplette Erwerbsarbeit übernehmen und weniger häufig selbst Elternzeit nehmen, während die Frau die komplette Care-Arbeit übernehmen wird."

Seiner Meinung nach sollte nicht das gemeinsame Einkommen des Paares betrachtet werden, sondern bei jeder Person individuell entschieden werden, ob und wie viel Elterngeld es gibt.

Experte: Kürzung ist nicht zielführend

Wido Geis-Thöne, Experte für Familienpolitik beim Institut der Deutschen Wirtschaft, denkt an dieselbe Personengruppe, wenn man ihn nach Auswirkungen der Elterngeld-Kürzung fragt. Paare, bei denen beide etwa gleich viel verdienen, um die 75.000 Euro, typischerweise zwei Akademiker, die noch nicht so lange im Arbeitsmarkt sind. Eine Gruppe der gesellschaftlichen Mitte, die man nicht als reich bezeichnen könne und die man mit dem Elterngeld eigentlich unterstützen wolle, sagt er.

Mit Blick auf alle betroffenen Paare rechnet er mit folgender Entwicklung: "Sehr wahrscheinlich würden die sich trotzdem für Kinder entscheiden, würden dies auch finanziert bekommen, wir würden da nur eben Personen schlechter stellen, wo man sich die Frage stellt, ob man das möchte."

Beim Elterngeld zu sparen, sei nicht zielführend, sagt Geis-Thöne. Wenn überhaupt, sollte man bei der Ehegattenbesteuerung ansetzen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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