Haushalt 2024 Bundesregierung geht auf Sparkurs

05. Juli 2023, 20:54 Uhr

Die Bundesregierung hat den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr und die Finanzplanung bis 2027 verabschiedet. Das Bundeskabinett hatte lange um die Aufstellung des Etats gerungen. Bundesfinanzminister Lindner verteidigte die deutlichen Ausgabenkürzungen.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch über den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner für den Haushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 entschieden. Der Entwurf muss noch vom Bundestag verabschiedet werden.

Einsparungen und Neuverschuldung im Bundeshaushalt

Der Entwurf sieht über die kommenden Jahre teilweise harte Einsparungen vor, von denen nur der Verteidigungsetat ausgenommen ist. Mit einer Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro will Christian Lindner nach Jahren krisenbedingter Ausnahmen die Schuldenbremse das zweite Jahr in Folge einhalten.

Einschnitte gibt es dafür vor allem bei den Bundeszuschüssen für die Sozialversicherungen. So soll der Zuschuss für die Pflegeversicherung komplett entfallen. Debatten gab es in den vergangenen Tagen über den Wegfall des Elterngeldes für Haushalte mit höheren Einkommen (ab 150.000 Euro Jahreseinkommen) – noch nicht vollständig geklärt ist die Finanzierung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung.

Finanzierung der Kindergrundsicherung noch nicht vollständig geklärt

Lindners Finanzplanung sieht für die Zeit ab 2025 für die Kindergrundsicherung zunächst lediglich einen Vorsorgeposten von zwei Milliarden Euro jährlich vor. Das Familienministerium ging bisher von einem Finanzbedarf von zwölf Milliarden Euro pro Jahr aus. Zwei statt zwölf – an dieser Stelle wird offenbar deutlich gespart.

Der Deutsche Familienverband kritisierte die geplante Kindergrundsicherung als unzureichend. Präsident Klaus Zeh sagte MDR AKTUELL am Dienstag, das sei kein schönes Zeichen. Dass Kinder bei der Haushaltsplanung eine so geringe Rolle spielten, sei nicht gut und nicht zukunftsgewandt.

Elterngeld: Grenze schon ab 150.000 Euro Jahreseinkommen

Die von Lindner geforderten Einsparungen will Familienministerin Lisa Paus in ihrem Ministerium durch eine Absenkung der Bezugsgrenzen für das Elterngeld erreichen. Das bedeutet konkret die Senkung der Genze von einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von 300.000 auf 150.000 Euro, bis zu der Paare Elterngeld beantragen können. Trotz der Einsparung sind im Etat der Familienministerin für 2024 knapp acht Milliarden Euro für das Elterngeld vorgesehen, also 290 Millionen Euro weniger als 2023.

Die geplante Elterngeldkürzung könnte aber nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft deutlich mehr Menschen betreffen, als von Familienministerin Paus vermutet. Dem IW zufolge lebten 2020 in Deutschland 435.000 Paare, die potenziell Kinder bekommen könnten und gemeinsam ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro hatten.

Paus hatte gesagt, die geplante Einstellung der Zahlung von Elterngeld oberhalb dieser Einkommensgrenze würde vermutlich etwa 60.000 Familien betreffen. Der Familien-Experte des Instituts, Wido Geis-Thöne, erklärte: "Die Idee, die Grenze für das Elterngeld zu reduzieren, ist grundsätzlich nicht verkehrt. Allerdings ist sie mit 150.000 Euro eher niedrig."

Größte Kürzung bei Krankenkasse und Pflege

Die größte Kürzung im Jahresvergleich gibt es im Gesundheitsetat mit minus 33,7 Prozent auf nur noch 16,2 Milliarden Euro. Sonderzuschüsse an die Krankenkassen fallen hier weg.

Ab dem kommenden Jahr soll der Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung komplett entfallen. Der Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung soll auf dem bisherigen Niveau eingefroren werden. Den Zuschuss für die gesetzliche Rentenversicherung will Lindner absenken.

Bafög wird nicht weiter erhöht

Auch beim Bafög soll gekürzt werden. Verglichen mit dem laufenden Jahr schrumpft der Etatposten für Studierende um 440 Millionen Euro auf 1,37 Milliarden Euro. Beim Schüler-BAföG ergeben sich Einbußen in Höhe von 212 Millionen Euro, womit nur noch 551 Millionen Euro übrig bleiben.

Leistungskürzungen seien demnach nicht vorgesehen, Erhöhungen allerdings auch nicht drin.

Bahn bekommt nur die Hälfte

Der Bahn-Konzern soll, wenn der Gesetzentwurf an dieser Stelle nicht noch verändert wird, deutlich weniger Geld bekommen, um das Schienennetz zu sanieren: 20 Milliarden, nicht einmal die Hälfte der 45 Milliarden, die ursprünglich angedacht waren. Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einem Rückschlag für die geplante Verkehrswende.

Weniger Geld für neue Radwege

Vor der Entscheidung des Bundeskabinetts über den Haushalt für das kommende Jahr hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) "drastische Kürzungen" für den Radverkehr kritisiert. Für den Ausbau des Radwegenetzes sei laut Verkehrsministerkonferenz eine Milliarde Euro nötig, der neue Haushaltsplan sehe aber nur 400 Millionen Euro vor, erklärte der Fahrradclub am Mittwoch.

Der ADFC zeigte sich "empört" und "sieht die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans in Gefahr". "Von einer Ausbauoffensive für den Radverkehr, wie sie die Ampel-Koalition im März mit ihrem Modernisierungspaket beschlossen hat, kann keine Rede sein", erklärte die Bundesvorsitzende des ADFC, Rebecca Peters.

Während 2022 rund 750 Millionen Euro für die Radinfrastruktur in Deutschland vorgesehen gewesen seien und 2023 noch 560 Millionen Euro, sollen es 2024 rund 400 Millionen Euro sein. Die Förderung für Radwege in den Ländern würde demnach im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert auf 260 Millionen Euro. "Es ist beschämend, dass sich der Bund aus der Verantwortung stiehlt", erklärte Peters.

Lindner: "Finanzpolitische Realitäten" anerkannt

Lindner verteidigte die deutlichen Ausgabenkürzungen: "Wir haben heute einen Haushaltsentwurf beschlossen, der die finanzpolitischen Realitäten anerkennt", sagte der FDP-Politiker. Anders als in der Vergangenheit ließen sich unterschiedliche politische Vorstellungen nicht durch den Einsatz von immer mehr Geld überdecken. Lindner betonte, der Konsolidierungskurs müsse in den kommenden Jahren entschieden fortgesetzt und Freiheitsräume im Haushalt erst wieder geschaffen werden.

Das Bundesverteidigungsministerium betonte, dass die Mittel für die Landesverteidigung auf Dauer weiter steigen müssten. "Es ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können", sagte Minister Boris Pistorius zur Etaterhöhung um 1,7 Milliarden Euro für das Jahr 2024 auf dann 51,8 Milliarden Euro: "Die Bundeswehr muss weiterhin modernisiert und vernünftig ausgestattet werden."

Union hält Sparbemühungen für nicht ausreichend

Oppositionspolitiker kritisierten die Etatplanung aus unterschiedlichen Richtungen. Unions-Haushaltsexperte Christian Haase (CDU) hält die Sparbemühungen für nicht ausreichend: "Die Koalition hat keine Ausgabendisziplin und keinen Konsolidierungsehrgeiz", erklärte er.

"Die Ampel kürzt uns in die Krise", sagte hingegen die Linke-Vorsitzende Janine Wissler der Nachrichtenagentur AFP. "Wir brauchen keine schwarze Null, sondern mutige Investitionen in Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit. Dafür muss die Schuldenbremse abgeschafft und die Vermögenssteuer wieder erhoben werden."

Haushalt 2024 Die geplanten Änderungen und andere Sparvorhaben sind Teil eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes, das die Regierung bis Mitte August auf den Weg bringen will. Veränderungen sind also noch möglich.

Über den gesamten Bundeshaushalt entscheidet der Bundestag erst zum Abschluss der Haushaltswoche am 1. Dezember. Bis dahin sind zahlreiche Änderungen im Etatentwurf zu erwarten, die auch die im Herbst anstehende neue Steuerschätzung und eine Anpassung der wirtschaftlichen Erwartungen berücksichtigen.

Quelle: AFP/dpa/Reuters/MDR AKTUELL (vdw)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 05. Juli 2023 | 14:30 Uhr

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