Näherinnen in einer Fabrik
Europäische Unternehmen sollen bei ihren Zulieferern darauf achten, ass die Menschenrechte eingehalten werden – so das Ziel des Lieferkettengesetzes der EU. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mahmud Hossain Opu

Deutsches Votum FDP will EU-Lieferkettengesetz blockieren

01. Februar 2024, 14:53 Uhr

Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern. Die FDP will einen bereits ausverhandelten Kompromiss im EU-Ministerrat blockieren. Die deutsche Industrie zeigt sich erleichtert.

Die FDP will das auf EU-Ebene fertig verhandelte Lieferkettengesetz noch im letzten Moment verhindern. Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur: "Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche Wirtschaft überwiegen. Im Rat der Europäischen Union habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirke". Einig ist er sich dabei mit Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner. Zunächst hatte "The Pioneer" berichtet.

Es braucht Lösungen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern.

Marco Buschmann, FDP Bundesjustizminister
Marco Buschmann FDP, Bundesminister der Justiz
Justizminster Maroc Buschmann (FDP). Bildrechte: IMAGO/photothek

Buschmann erklärte weiter, er unterstütze uneingeschränkt das von der Richtlinie verfolgte Ziel, einen besseren Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherzustellen. Dieses Ziel dürfe aber nicht zu einer "Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts" führen. Der Liberale sagte: "Es braucht Lösungen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern, die Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb nicht durch noch mehr Bürokratie lähmen."

Beschluss eigentlich nur noch Formsache

EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsstaaten hatten sich im Dezember im sogenannten Trilog-Verfahren auf das EU-Lieferkettengesetz geeinigt. Im Regelfall ist die anschließende finale Abstimmung über den Gesetzestext durch die EU-Staaten und das Parlament dann nur noch Formsache. Mit der Enthaltung Deutschlands ist unklar, ob es unter den EU-Ländern noch eine Mehrheit für das Vorhaben geben wird.

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbart sind. Die EU-Regelungen gehen dabei über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus.

Unterschiedliche Stimmen in der Wirtschaft

Der Bundesverband der Deutschen Industrie reagierte erleichtert. BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagte, die EU-Pläne seien wirklichkeitsfremd und würden Unternehmen uneinlösbare Pflichten aufbürden, die zudem mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden wären. "Es ist gut, dass dieser Irrweg von Berlin nicht unterstützt wird."

Mehrere Spitzenverbände hatten jüngst in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) gefordert, die Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz zu verweigern. Sie warnten vor "Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken".

Einer Umfrage zufolge stößt das EU-Gesetz bei deutschen und französischen Unternehmen allerdings auch auf Zustimmung. 78 Prozent der Befragten hielten die Auflagen für "realisierbar", fühlten sich "gut aufgestellt" sie umzusetzen und erwarteten allenfalls "leichte bis moderate" Kostensteigerungen, erklärte die Unternehmensberatung Inverto. Auch in Frankreich gibt es bereits ein nationales Lieferkettengesetz. Von einer einheitlichen EU-Regelung könnten deutsche und französische Unternehmen daher auch profitieren.

Heil arbeitet an Kompromiss

Arbeitsminister Hubertus Heil bot der FDP einen Kompromiss an. Der SPD-Politiker schlage dem Kabinett "ein Paket für eine Entlastung von unnötiger Bürokratie und faire Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft und klare Kante gegen Kinderarbeit und Ausbeutung vor", sagte Heil am Donnerstag der "Augsburger Allgemeinen". Durch das EU-Lieferkettengesetz solle demnach keine doppelte Berichtspflicht für Unternehmen entstehen. Verhindert werden solle zudem, dass große Unternehmen ihre Informationspflichten unangemessen an kleine und mittlere Unternehmen weiterreichen können. Firmen mit weniger als 250 Mitarbeiter würden von der Richtlinie nicht erfasst werden.

AFP/dpa/MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 01. Februar 2024 | 11:30 Uhr

8 Kommentare

Wessi vor 15 Wochen

Hoppla @ hilflos...Uneinigkeit bei der äussersten Rechten? Nun gucken Sie mal auf den Kommentar Ihres "Kameraden" Frank L. ... denn sie wissen nicht, was sie tun...

goffman vor 15 Wochen

Quatsch, kleine und mittelgroße Firmen mit weniger als 250, bzw. 500 Mitarbeitern sind gar nicht betroffen.

Beziehungsweise sind sie schon betroffen: Ihre Marktposition wird verbessert, sie profitieren von dem Gesetz!

1. Wenn große, finanzstarke Konkurrenten diese Auflagen erfüllen müssen und kleine nicht, dann verbessert sich die Position der kleinen in Relation.

2. Große Unternehmen müssen auch jetzt schon ihre Lieferketten kontrollieren. Wenn nun die Konkurrenten im EU-Ausland dies auch müssen, dann schafft das faire Bedingungen für unsere Unternehmen.

3. Aber das wichtigste: wenn die Kontrolle der Lieferketten dazu führt, dass fragwürdige Hersteller nicht mehr in die EU liefern dürfen, oder zumindest nicht mehr durch niedrige Umweltstandards oder das Verletzen von Menschenrechten die Preise drücken können - dann werden unsere heimischen Hersteller als Lieferanten attraktiver!

Die FDP macht wieder mal Politik gegen das Gemeinwohl und verhindert sinnvolle Entwicklungen.

Frank L. vor 15 Wochen

Richtig so! Das Lieferkettengesetz ist völlig überzogener Regulierungswahn ,speziell für kleinere Firmen. Dazu kommt das in der Realität überhaupt nicht nachweisbar ist wo und wie irgendwelche Rohstoffe oder Teile genau herkommen. Da werden Zwischenlieferanten dazwischengeschaltet und schon sind die Teile EU konform. Was bleibt ist überbordende Bürokratie.

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