MDRfragt Preissprung auf 58 Euro bei Deutschlandticket: Trotzdem weiter großer Zuspruch
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27. Dezember 2024, 03:00 Uhr
Zwei von drei Befragten finden eine Fortführung des Abos für den Nahverkehr sinnvoll. Der Zuspruch ist im Vergleich mit dem letzten Jahr nahezu unverändert hoch. An der meist positiven Wahrnehmung ändert nach dem aktuellen Stimmungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers auch die deutliche Preiserhöhung ab Januar nichts. Allerdings finden bei den Jüngeren im Vergleich mehr Befragte 58 Euro pro Monat zu teuer.
- Aus Sicht der Gegner verschärft das Deutschlandticket die Situation im Nahverkehr und die Finanznot der Verkehrsunternehmen.
- Der Zuspruch für das Nahverkehrs-Abo ist im Vergleich mit dem Vorjahr nahezu unverändert hoch.
- Die Preiserhöhung geht für die Mehrheit in Ordnung, dabei war schon in letzter Befragung "Schmerzgrenze erreicht".
"Ich nutze das Deutschlandticket seit der Einführung und habe auch meinen Arbeitsrhythmus darauf abgestimmt. Trotz des Zustandes der Bahn ist und bleibt es eine sehr gute Maßnahme. Nicht nur, weil diese anstrengenden Tarifzonen wegfallen. Auch, weil es Menschen mit kleinerem Geldbeutel mehr Möglichkeiten gibt, an Kultur oder Sport teilzunehmen", schreibt Jule (42) aus dem Landkreis Nordsachsen. In ihrem und in vielen anderen Kommentaren aus der MDRfragt-Gemeinschaft werden zwei Gründe dafür genannt, warum das Deutschlandticket aus Sicht der Befürworter auch weiterhin gelten sollte: Es vereinfacht die Nutzung des Nahverkehrs, weil es bundesweit gilt. Es spart Abonnenten Geld beim Pendeln oder bei Fahrten zu Veranstaltungen, zum Arzt oder zum Einkaufen.
René (39) aus dem Landkreis Leipzig fährt nach eigenen Angaben zur Arbeit immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln: "Durch das Deutschlandticket spüre ich die finanzielle Entlastung sofort im Geldbeutel. Sonst müsste ich um die 180 € pro Monat bezahlen." Gut zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) finden es so wie Jule und René auch sinnvoll, dass es das Deutschlandticket 2025 weiterhin gibt.
"Wir wollen eine Verkehrswende. Dorthin gelangen wir nur, wenn der ÖPNV attraktiver wird und dazu zählt auch ein bezahlbarer Preis. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass auch Familien in der Lage sind, sich das Ticket zu leisten. Stichwort: Schülerticket", schreibt Lisa (29) aus Weimar in Thüringen, die selbst das Ticket abonniert hat. Jüngere Befragte wie Lisa finden es tendenziell häufiger sinnvoll, das Deutschlandticket fortzuführen: Bei allen zwischen 16 und 29 Jahren sind acht von zehn Befragten (81 Prozent) für ein Fortführen des Nahverkehrstickets. Dafür gibt es dagegen in der Altersgruppe 50 bis 64 Jahre nur von sechs von zehn Befragten (63 Prozent) Zuspruch.
Ticket-Gegner weisen auf bestehende Mängel beim Nahverkehr auf dem Land hin
Gut ein Fünftel der Befragten (22 Prozent) hält es nicht für sinnvoll, das bundesweite Nahverkehrsticket zum Festpreis weiter anzubieten. Zu dieser Gruppe gehört Nicole (45) aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz: "Ich kann das Deutschlandticket nicht anwenden, da der ÖPNV bei mir vor der Haustür nicht existiert. Ich finde, es sollte auch Tagestickets geben. So könnten sich noch einzelne Personen ab und zu auf diese Art der Fortbewegung einstimmen. Ich kaufe keine Flatrate, die ich nicht nutzen kann." Immer wieder weisen Teilnehmende aus der MDRfragt-Gemeinschaft darauf hin, dass eben diese Nahverkehrs-Flatrate aus ihrer Sicht eher etwas für die Stadtbewohner ist. Auf dem Land fehlten schlicht Bus- und Bahnverbindungen, um das Ticket sinnvoll nutzen zu können.
Ich kann das Deutschlandticket nicht anwenden, da der ÖPNV bei mir vor der Haustür nicht existiert.
In vielen Kommentaren wird die Finanzierung des Deutschlandtickets kritisiert: Dafür sind für 2025 wie für die vergangenen beiden Jahre drei Milliarden Euro eingeplant. Die teilen sich Bund und Länder erneut jeweils zur Hälfte. Die Milliarden-Zuschüsse sollen die Verluste der Verkehrsunternehmen ausgleichen, denn das Deutschlandticket ist günstiger als die lokalen Tarife. Doch die Finanzprobleme vieler Verkehrsunternehmen spitzen sich offenbar trotzdem zu, meldet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Wenn das Geld knapp sei, werde aber der Nahverkehr nicht weiter ausgebaut, argumentieren Gegner des Angebots aus der MDRfragt-Gemeinschaft. Damit fehlten weiter dringend nötige Verbindungen auf dem Land. Gleichzeitig bleibe das Problem, dass durch die Beliebtheit des Tickets vor allem Regionalbahnen in Spitzenzeiten noch voller seien als bisher schon.
Der Kommentar von Susanne (50) aus Jena steht stellvertretend für viele andere: "Leider wurde hier die falsche Reihenfolge gewählt. Man hätte erst dafür sorgen müssen, dass insbesondere die Bahn, aber auch der ÖPNV, den Herausforderungen gewachsen sind und dann mehr Menschen mit Preisanreizen motivieren können, sie auch zu nutzen. Jetzt drängeln sich die Menschen in überfüllten Zügen und das Geld für den Ausbau fehlt." Susanne gehört zu den Befragten, die ein Deutschlandticket im Abo haben und den ab Januar geltenden Preis von 58 Euro noch für zu niedrig halten.
Man hätte erst dafür sorgen müssen, dass insbesondere die Bahn, aber auch der ÖPNV, den Herausforderungen gewachsen sind und dann mehr Menschen mit Preisanreizen motivieren können, sie auch zu nutzen.
Zuspruch für Ticket ist in MDRfragt-Gemeinschaft zuletzt leicht gestiegen
Für das Deutschlandticket müssen Abonnenten ab Januar 2025 statt wie bisher 49 dann 58 Euro im Monat bezahlen. Immer wieder wurde im vergangenen Jahr darüber diskutiert, ob das Deutschlandticket fortgeführt und wie es weiterhin finanziert werden kann. Immerhin herrscht jetzt in einem Punkt Klarheit: Kurz vor Weihnachten haben sich SPD, Grüne und die Union darauf geeinigt, das Nahverkehrs-Abo auch 2025 fortzuführen. Trotz aller Debatten um das Deutschlandticket und trotz der Preiserhöhung gibt es in der MDRfragt-Gemeinschaft weiter einen eher positiven Blick auf das Deutschlandticket. Der Zuspruch ist nahezu unverändert hoch:
- Im Sommer 2023 fanden es zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten sinnvoll, das Deutschlandticket auch im Folgejahr anzubieten.
- Im Dezember 2024 halten das weiter gut zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) für sinnvoll.
Hinweis
Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig. Dieses Mal sind es mehr als 24.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen.
Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Um mögliche Verzerrungen durch die Zusammensetzung der Befragten zu verringern, werden die Befragungsergebnisse nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen. Mehr zur Methodik von MDRfragt am Ende des Artikels.
Auch 58 Euro für Deutschlandticket gehen für Mehrheit in Ordnung
Vier von zehn Befragten (41 Prozent) halten den neuen Preis für angemessen. Die 58 Euro im Monat halten weitere 15 Prozent der Befragten sogar noch für zu niedrig. So sieht das Christine (76) aus dem Vogtlandkreis, die das Abo selbst nutzt: "Es sollte teurer werden, damit die Züge nicht mehr so voll sind."
Damit akzeptiert eine Mehrheit der Teilnehmenden aus der MDRfragt-Gemeinschaft die aktuelle Preiserhöhung. Dabei war für eine Mehrheit die Schmerzgrenze beim Preis bereits erreicht oder sogar schon überschritten: Das ergab die letzte Befragung zum Nahverkehrs-Abo vor wenigen Monaten im Juli 2024. Aktuell ist für drei von zehn Befragten der Preis von 58 Euro zu hoch. Rainer (52) aus dem Altmarkkreis Salzwedel begründet seine Sicht so: "Das Deutschlandticket soll Pendler bzw. Verbraucher animieren, umweltschonende Verkehrsmittel zu nutzen. Wenn das Ticket teurer wird, wird der ein oder andere wieder beispielsweise das Auto nutzen."
Wenn das Ticket teurer wird, wird der ein oder andere wieder beispielsweise das Auto nutzen.
Bei der Bewertung des neuen Preises gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Je jünger die Befragten sind, desto höher ist der Anteil derjenigen, für die 58 Euro im Monat zu viel sind.
- Bei den Befragten zwischen 16 und 29 Jahren halten vier von zehn Befragten (43 Prozent) den ab Januar geltenden Preis für zu hoch.
- Das findet bei allen über 50 Jahren nur jede und jeder vierte Befragte (25 bzw. 24 Prozent).
Wer das Deutschlandticket aktuell abonniert hat, hält die 58 Euro meist für angemessen. Das sind fünf von zehn Befragten (53 Prozent). Bei allen, die das Ticket in der Vergangenheit mal hatten aber aktuell nicht mehr abonnieren, halten dagegen nur drei von zehn Befragten (31 Prozent) den neuen Preis für angemessen.
Über diese Befragung
Die Befragung: "Vertrauensfrage im Bundestag: Wird nach der Neuwahl alles besser?" lief vom 6. bis 9. Dezember. Insgesamt haben 24.211 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht. In der Befragung wurden auch mehrere Fragen zum Deutschlandticket und zur Preiserhöhung ab Januar 2025 gestellt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 27. Dezember 2024 | 21:45 Uhr