Zahlreiche Menschen nehmen an einer Demonstration von Pflegekräften des Ostalbklinikums, der Baubetriebe und Friedhöfe der Stadt Aalen sowie der Straßenmeisterei Aalen teil.
Kommunen kritisieren die Höhe der Tarifforderungen. Bildrechte: IMAGO/onw-images

Tarifforderungen Was ein Lohnplus im öffentlichen Dienst für Kommunen bedeuten würde

30. März 2023, 07:06 Uhr

Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern 10,5 Prozent oder mindestens 500 Euro mehr Lohn für den öffentlichen Dienst. Bei insgesamt 2,5 Millionen Beschäftigten ist das eine Menge Geld. Wie würden die Kommunen das finanzieren?

Matthias Berger wird grundsätzlich, wenn um die aktuellen Tarifverhandlungen geht. Er habe das Gefühl, dass jeder nur noch an sich denkt und dabei das große Ganze aus dem Blick gerate. Berger ist Oberbürgermeister im sächsischen Grimma.

Geld würde im Haushalt fehlen

Seine Stadt habe knappe 30.000 Einwohner – und daraus resultierend eine Verwaltung mit rund 400 Beschäftigten. Ein Lohnplus von 10,5 Prozent bedeute eine Mehrausgabe von 2,3 Millionen Euro, sagt er. "Das heißt, unser Gesamthaushalt würde sich um vier Prozent insgesamt aufblähen. Und das ist Geld, das zum Schluss woanders fehlt. Um mal eine Zahl zu nennen: Wir haben in den nächsten drei Jahren ungefähr vier Millionen eingeplant im Straßenbau. Das ist schon unglaublich wenig bei so einer Riesenfläche, wie wir sie haben. Und dann wird es eben im Zweifel nur noch die Hälfte sein. Und die Straßen werden weiter verfallen."

An die Bürger seiner Stadt wolle er die Mehrausgaben aber nicht weitergeben, etwa durch Gebührenerhöhungen. Die Belastbarkeit der Menschen sei endlich, sagt Berger.

Kommunen brauchen mehr Investitionen

Die der Kommunen aber auch, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Und so würden sich anfallende Mehrkosten in vielen Fällen natürlich auf die Höhe der Gebühren auswirken, etwa bei der Müllentsorgung. Lege man den geforderten Mindestbetrag von 500 Euro um, belaufe sich die Forderung der Gewerkschaften auf rund 14 Prozent.

Zusätzliche 16 Milliarden jährlich würde das für die Kommunen bedeuten, sagt Landsberg. Das sei nicht zu stemmen. "Wir haben ja keine besonders gute Wirtschaftslage. Wir haben über 30 Milliarden Kassenkredite – und die Zinsen steigen. Das heißt auch, diese Veranstaltung wird teurer. Hinzu kommt, dass wir einen Investitionsrückstand von 159 Milliarden haben, allein im Bildungsbereich 43 Milliarden. Die Menschen erwarten bessere Schulen, bessere Kindergärten, mehr für den Klimaschutz." Und das müsse ja alles irgendwie finanziert werden, sagt Landsberg.

Langfristige Auswirkungen durch steigende Zinsen

Die Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen, sind nicht von der Hand zu weisen. Das sagt auch René Geißler, Experte für kommunale Finanzen und Professor an der Technischen Hochschule Wildau. Niemand wisse, wie es mit der Konjunktur oder den Energiepreisen weitergeht. Aber "was wir wissen ist, dass die Zinsen gestiegen sind. Das trifft allerdings die Kommunen nicht kurzfristig. Denn die meisten kommunalen Kredite sind langlaufend vereinbart." Das heiße, diese hohen Zinssätze schlagen erst in den nächsten fünf bis sieben Jahren bei den Krediten der Kommunen durch.

Steueranstieg kommt öffentlichen Haushalten zugute

Die Belastungen der Kommunen seien nur eine Seite der Medaille, sagt Geißler. Auf der anderen Seite stehe ein sehr deutlicher Steueranstieg in den öffentlichen Haushalten im vergangenen Jahr. "Die hohen Inflationsraten im Einzelhandel, die wir alle als Bürgerinnen und Bürgern sehen, bedeuten eben auch einen deutlichen Sprung der Umsatzsteuer, die bei Bund, Ländern und auch bei Gemeinden anfällt."

Und das mache sich positiv in den Kassen bemerkbar. Ebenso die Einkommenssteuer, die mit guten Lohnerhöhungen im letzten Jahr weitergelaufen sei. "Und auch die Gewerbesteuer läuft noch immer gut", sagt Geißler.

Die Forderungen der Gewerkschaften seien eine Hausnummer, sagt Geißler. Und wahrscheinlich würden sie sich, sollten sie tatsächlich so umgesetzt werden, wohl negativ auf Sozialleistungen oder Investitionen auswirken. Geißler sagt aber auch: Die Kommunen würden selbst mit gut zehn Prozent höheren Tariflöhnen weiterhin handlungsfähig bleiben.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. März 2023 | 06:00 Uhr

34 Kommentare

Der Pegauer am 30.03.2023

Zu den Ursachen, warum das Einkommen nicht mehr reicht, wird in den Medien gar nichts berichtet. Das wird so dargestellt, als ob es wie vom Himmel gefallen zu sein scheint. Der Anteil der jetzigen Regierung an der Inflation ist schon beträchtlich, wie schon einige der Foristen hier richtig heraus gearbeitet haben.

ElBuffo am 29.03.2023

Die Kommunen sind schon zu einem großen Teil selbst für ihre Beschäftigten verantwortlich. Man pocht such gerne auf die Selbstständigkeit. Und es ist dann auch für alle bequem auf Bubd und Land zu schimpfen, wenn das eigene Wolkenkuckucksheim nicht funktioniert.

ElBuffo am 29.03.2023

Den Niederländern oder Belgiern, um nur mal zwei zu nennen, hat ihre Neutralität auch wenig genutzt. Und durch monatelang gewartete oder gar kaputte Leitungen wäre auch wenig bis nix angekommen. Es muss übrigens Vorspezialoperationsniveau heißen.

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