Ein Soldat auf einem Bahnsteig vor einem Zug
Könnten wehrpflichtige Ukrainer im Ausland eingezogen werden? Bildrechte: IMAGO/ZUMA Wire

Angriffskrieg in der Ukraine Wehrpflichtigen Ukrainern in Deutschland droht vorerst keine Auslieferung

16. September 2023, 05:00 Uhr

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind seit Kriegsbeginn 203.640 männliche ukrainische Staatsangehörige nach Deutschland eingereist, die zwischen 18 und 60 Jahre alt und damit wehrpflichtig waren. Wer davon vor dem Kriegsdienst geflohen ist, bleibt unklar. Nun kursieren Meldungen, dass ukrainische Wehrdienstverweigerer in die Ukraine ausgeliefert werden könnten. Was bedeutet das für die ukrainischen Männer in Deutschland?

Rudi Friedrich arbeitet bei connection e.V. – einem Verein, der sich international für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzt. Er sagt, seit Kriegsbeginn verwehre die Ukraine das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Das sei ein entscheidender Grund dafür, dass die Männer ins Ausland gegangen seien: "Und dann ist es so, dass es auch Soldaten gibt, die mehrere Monate gekämpft haben, aber total ausgepowert und traumatisiert sind und sagen: 'Ich kann das nicht mehr und wenn ich in die Ukraine gehe, dann werde ich ganz sicher wieder an die Front geschickt.'"

Ukrainische Verfassung sieht keine Wehrdienstverweigerung vor

Tatsächlich ist die Wehrdienstverweigerung in der ukrainischen Verfassung nicht ausdrücklich vorgesehen. Es gilt das Kriegsrecht. Das bestätigt die Charkiw Human Rights Group auf Nachfrage. "So ist der Militärdienst durch Mobilmachung laut Gesetz für alle wehrberechtigten Personen zwischen 18 und 60 Jahren obligatorisch. In bestimmten Fällen kann Einzelpersonen ein Aufschub dieser Dienstleistung gewährt werden, zum Beispiel wenn es sich bei einer Person um einen Universitätsstudenten handelt." Auch alleinerziehende Väter dürfen den Dienst an der Waffe legal umgehen.

BAMF: Kriegsdienstverweigerer im Ausland haben nichts zu befürchten

Jene, die schon im Ausland sind, brauchen aber akut jedoch nichts zu befürchten. Jochen Hövekenmeier vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: "Direkt nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat die EU die sogenannte Massenzustromrichtlinie in Kraft gesetzt und wir konnten in Deutschland alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Paragraph 24 Aufnahmegesetz hier bei uns aufnehmen. Es gab kein Asylverfahren und dementsprechend auch keine Möglichkeit, einen möglichen Asyltitel zu entziehen und diese Leute zurückzuschicken. Unabhängig davon, ob es sich um Männer im wehrpflichtigen Alter handelt, Frauen, Kinder, alte Leute – diese Menschen haben einen Aufenthaltstitel."

Dieser humanitäre Aufenthaltstitel ist bis Februar 2024 befristet, wird aber relativ sicher um ein Jahr verlängert. Sollte der humanitäre Aufenthaltstitel irgendwann auslaufen, müssten ukrainische Geflüchtete, wie alle anderen, einen Antrag auf Asyl stellen.

Ob jemandem weiterhin Schutz gewährt wird, ist dann eine Frage, die individuell beantwortet wird, sagt Jochen Hövekenmeier vom Bundesamt für Migration und Asyl: "Denn grundsätzlich hat jeder Staat das Recht, seine meistens jungen Männer zu einem Wehrdienst oder Wehrersatzdienst einzuberufen. Dieses Recht hat natürlich einige Ausnahmen, insbesondere in Kriegsfällen. Diese Ausnahmen müssen geprüft werden – immer vor dem individuellen Hintergrund und vor dem Hintergrund, welche Gefahr, welche Bestrafung einem Menschen eventuell droht, der in sein Herkunftsland zurückkehrt."

Auslieferung nur im Rahmen eines Strafverfahrens möglich

Und selbst wenn sich die Ukraine irgendwann ans Ausland wendet, um Fahnenflüchtige mit gefälschten Dokumenten ausliefern zu lassen – eine Auslieferung sei nur im Rahmen eines Strafverfahrens möglich, bei dem eine Straftat nachgewiesen werden müsse, so die Charkiw Human Rights Group. Praktisch gebe es keine Aussicht auf Ermittlungen und Feststellungen der Schuld.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. September 2023 | 05:00 Uhr

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