Karton: zu Verschenken
Für den einen Fundgrube - für die andere ein visueller Schandfleck: Bei den Verschenkekisten scheiden sich die Geister. Bildrechte: IMAGO / Jürgen Ritter

Nachhaltiger Konsum Verschenken verboten? Was bei "Zu-Verschenken"-Kisten zu beachten ist

23. Oktober 2022, 05:00 Uhr

Verschenkekisten auf dem Gehweg oder vor dem Gartenzaun können richtig teuer werden. Bis zu 100.000 Euro Bußgeld verhängen manche Städte - aber nur in der Theorie. Das zeigt die Recherche, zu der der MDR über 30 Kommunen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen befragt hat.

Ein alter Rügen-Reiseführer, die pinke Tasse, die seit Jahren nur noch in der Ecke herumsteht oder die Wollmütze, aus der das Kind längst rausgewachsen ist: Oft liegt solcher Hausrat in Kisten auf Gehwegen oder an Hausecken. In den "Zu-Verschenken“-Kisten wird deponiert, was nicht mehr gebraucht wird und können sich andere Menschen (im besten Fall) über das Verschenkte freuen. Doch in den meisten Fällen sind die Verschenkekisten gar nicht erlaubt.

Eigentlich sollte das nicht wirklich wundern, schließlich ist in Deutschland viel geregelt und - wie das Containern, also das Retten weggeworfener Lebensmittel - auch verboten. Der MDR hat in über 30 Kommunen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nachgefragt. Dabei zeigt sich, dass die Städte nicht gleich streng mit den Verschenkekisten umgehen.

Sondernutzung und illegale Abfallablagerung

Generell gilt: Verschenkekisten außerhalb des eigenen Gartens oder der eigenen Fensterbank abzustellen, ist rechtlich problematisch. In den meisten Städten und Kommunen muss für die Kisten theoretisch eine Sondernutzung genehmigt werden.

Außerdem, so erklärt es der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), kann es sich um eine illegale Abfallablagerung handeln, wenn sich mit den Kisten Abfall entledigt wird. Gewertet wird das dann als Ordnungswidrigkeit. Um Abfall handelt es sich demnach nicht, wenn noch brauchbare Gegenstände wiederverwendet werden können, und "die Kiste abends oder bei schlechtem Wetter wieder hereingenommen wird". Sollten allerdings Stoffe austreten, wie Farbe aus einer Tube, und zu einer Verunreinigung des Bodens oder der Luft führen, wäre das sogar eine Straftat.

Kaum Thema in kleineren Städten

Der VKU beobachtet, dass nicht nur in Ballungszentren, sondern auch in ländlichen Regionen immer wieder Verschenkekisten abgestellt werden. Aus den Antworten vor allem kleinerer Städte geht jedoch hervor, dass die Kisten dort kaum eine Rolle spielen: "Hoyerswerda ist von diesem Phänomen nicht betroffen", schreibt die Stadt auf Anfrage. Auch Gotha sieht "keine Relevanz" für das Thema. Und aus Naumburg erklärt eine Sprecherin: "Wenn, dann sind das Einzelfälle, die sich durch ein Gespräch klären lassen."

Zahnloser Tiger: Verbote kaum umsetzbar

In den größeren Städten scheinen dagegen die Verwaltungen das Thema "Verschenkekisten" auf dem Schirm zu haben und in Teilen auch kontrollieren zu wollen. Zu häufig kommen dort offensichtlich Probleme mit Liegengebliebenem oder Verschmutzungen vor. Die Stadt Leipzig beispielsweise hat Verschenkekisten de facto verboten, "da das Herausstellen in den meisten Fällen zu einer Verunreinigung des öffentlichen Raums führt." Gleichzeitig, so heißt es auf Nachfrage, sei es für das Ordnungsamt schwierig zu ermitteln, wer der Verantwortliche, oder wie es heißt, der "Störer" sei.

Für die Stadt Erfurt stellen Verschenkekisten generell "Abfall" dar, weil "ein Entledigungswille des Eigentümers vorhanden ist". Seit Jahren seien in der Stadt "Abfallinspektoren" unterwegs, die angehalten sind, die Geschenkekisten "nebenbei" mit aufzunehmen. Tatsächlich verfolgt oder gar bestraft werde in Erfurt aber niemand - da es "zu wenig Fälle gibt". In Weimar wird der Eigentümer oder die Hausverwaltung kontaktiert, "sofern eine lange lagernde oder vermüllte Verschenkekiste bekannt oder entdeckt wird."

Ähnlich wie Erfurt sieht auch die Stadt Halle ein Problem darin, dass die gut gemeinten Verschenkekisten oft zur Verschmutzung von Wegen führen. Die Stadt benennt das Abstellen im öffentlichen Raum im Paragraf 33, Nummer fünf der Abfallwirtschaftssatzung als Ordnungswidrigkeit. Sie rät dazu, "die zu verschenkenden Gegengenstände nur im Hauseingang und in Absprache mit dem Hauseigentümer anzubieten. Weiterhin muss in regelmäßigen Abständen von dem Anbieter geprüft werden, dass die Sachen sich nicht auf dem Gehweg oder auf der Straße verteilen."

Eigenverantwortung in Dresden und Magdeburg

Angesichts der Tatsache, dass das Kistenverbot eher wie ein zahnloser Tiger wirkt, fällt auf, wie andere Städte weniger auf Kontrolle als auf Eigenverantwortung setzen. Die Stadt Magdeburg schreibt: „Manchmal stehen die Kisten auch am Rand von Gehwegen, aber meist nicht länger als ein oder zwei Tage. Eine Genehmigung ist in diesen Fällen nicht erforderlich, weil kein gewerblicher Zweck und damit keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen.“

Aus Dresden heißt es sogar: "Für uns stellen die kleinen Verschenkekisten, welche die Dresdner liebevoll auf die Straße stellen, beaufsichtigen und auch wieder entfernen, kein Problem dar.“ Und auch Jena hat nach eigenen Angaben kein Problem mit den Kisten: „Solche Boxen sind zwar im Stadtbild präsent, werden aber von den Aufstellenden gepflegt. Strafen wurden noch nicht ausgesprochen. In einigen Fällen wurde durch Mitarbeitende des Ordnungsamts mit Hauseigentümern gesprochen.“

Strafen von maximal 5.000 Euro möglich

Stichwort Strafen: Offensichtlich wird, dass bisher eigentlich nie in Mitteldeutschland Bußgelder wegen Verschenkekisten verhängt worden sind. Entweder sehen die Kommunen keine Notwendigkeit, oder sie kommen schlichtweg nicht hinterher. Statistiken werden ohnehin nicht geführt.

Aus den Antworten der angefragten Städte geht jedoch hervor, dass bis zu 5.000 Euro fällig sein können, wenn die Kiste ohne Erlaubnis auf öffentlichem Grund abgestellt werden. Die Stadt Leipzig und der VKU sprechen sogar von einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro, wenn durch die unzulässige Ablagerung von Abfällen gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz (Paragraf 69, Absatz drei) verstoßen wird.

Der VKU weist zudem darauf hin, dass der extra Aufwand für die Beseitigung einer Kiste am Ende oftmals über die Abfallgebühren und damit auf die einzelnen Gebührenzahler umgelegt wird.

Stationäre Verschenkekiste in Leipzig

"Wenn man so will, geben wir den Verschenkekisten sinnbildlich ein Zuhause." Die Leipzigerin Anja Scherber engagiert sich für nachhaltigen Konsum und hat mit einem Team vor gut zwei Jahren den Verschenkekiste e.V. gegründet. Seit dem Sommer dieses Jahres hat der gleichnamige Verschenke-Laden im Leipziger Osten geöffnet. Der Laden funktioniert wie eine große, stationäre Verschenkekiste: Jeder kann dort Sachen abgeben und andere Dinge mitnehmen.

Anja Scherber erzählt, dass die Verschenkekisten das Team 2020 erst auf die Idee brachte, den Laden zu eröffnen. Dennoch hat sie Verständnis für das Verbot der Stadtverwaltung: "Wenn man die Verschenkekisten tatsächlich so benutzt wie es erlaubt ist, dann kann es ganz schön aufwendig werden."

Städte bieten Alternativen an

Viele Städte weisen in ihren Antworten auf MDR-Nachfrage auf verschiedene Verschenk-Gruppen in den sozialen Netzwerken, offene Bücher-Schränke oder Möbel-Börsen hin. Zudem würden Organisationen wie die Diakonie oder Caritas noch brauchbare Gegenstände annehmen und gezielt an die Menschen vermitteln, die sie brauchen. Oftmals finden sich diese Angebote auf den Internetseiten der Städte.

Wer wirklich nicht darauf verzichten will, Schuhlöffel oder eine Hundeleine vor seiner Haustür zu verschenken, ist am besten beraten, das auf privatem Grund zu tun und gegebenenfalls mit einem Vermieter abzusprechen. Für den öffentlichen Raum, also Gehwege beispielsweise, sieht der VKU Spielraum: Bei noch brauchbaren Gegenständen sollte die Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums geduldet werden, "sofern die Kisten den Verkehr und Fußgänger nicht behindern" und sie nicht tagelang herumstehen.

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MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 21. Oktober 2022 | 16:08 Uhr

26 Kommentare

DermbacherIn am 25.10.2022

Meine Erfahrung nach ist es leider oftmals Müll, was die Menschen auf diese Art und Weise entsorgen, dabei ist es egal ob es sich um Bücher, Lebensmittel, Bekleidung etc handelt!

Peter Pan am 25.10.2022

In Arnstadt ist mir vor einigen tagen so eine Kiste aufgefallen, es waren 2 bis 3 brauchbare Sachen drin, einiges war allerdings eher schon Müll und es stand dann auch im regen draussen, in sofern kann ich die Städte verstehen und es gibt doch so viele Möglichkeiten, gib bei Ebay Kleinanzeigen eine Anzeige auf, kostenlos, das Du etwas zu verschenken hast, das wird man immer los, ich Frage zuerst bei Sozialeinrichtungen, da wird man fast alles los.
ich denke, in vielen fällen ist es Bequemlichkeit oder Faulheit, Kiste auf die Straße und ich bin meinen Müll los und spare Müllgebühren, letztendlich bleiben die Entsorgungskosten an der Stadt hängen und damit wieder mal an uns allen, was die Vase betrifft, keramik ist meist das wenigste und findet immer neue Liebhaber. ich könnte noch einige Hausstände auffüllen mit Tassen und tellern.

martin am 24.10.2022

Wenn für die Stadt Erfurt alles Abfall ist, wofür ein Entledigungswille des Eigentümers vorhanden ist, na dann: Fröhliche Weihnachten!

Ich habe von der Verwaltung unserer Landeshauptstadt ja schon manche "bemerkenswerte Einstellung" zur Kenntnis nehmen müssen - diese Begründung dürfte sich jedoch recht erfolgreich um eine Spitzenplatzierung bewerben.

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