Nach Urteil Bundesarbeitsministerium plant zusätzliches Gesetz zur Arbeitszeiterfassung
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06. Dezember 2022, 13:44 Uhr
Mitte September hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Arbeitgeber in Deutschland dazu verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen. Am Samstag nun hat das Gericht die Urteilsbegründung nachgeliefert und die Regeln für die Zeiterfassung konkretisiert. Trotzdem wollen die Arbeitgeber auf ein Gesetz warten, obwohl die Regierung gar nicht in der Pflicht steht, ein solches nachzuliefern.
- Die Arbeitgeber wollen ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung abwarten, bevor sie die Arbeitszeit ihrer Angestellten erfassen.
- Im Arbeitsschutzgesetz ist schon lange geregelt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen.
- Das Bundesarbeitsministerium will die Regeln zur Arbeitszeiterfassung trotzdem mit einem zusätzlichen Gesetz klarstellen.
Nach dem Urteil Mitte September wollten Arbeitgeber zuerst einmal die Begründung abwarten. Viele Fragen zum Thema Arbeitszeiterfassung seien noch unklar, hieß es damals von Verbänden. Nun liegt die Urteilsbegründung vor und die Arbeitgeber wollen weiterhin das entsprechende Gesetz abwarten.
Jan Pasemann, Sprecher der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt meint: "Wichtig ist am Ende für alle: Was steht im Gesetzestext? Also wie handhabt der Gesetzgeber dieses Urteil, wie geht er mit der Begründung um? Das lässt sich momentan nicht sagen und das wäre auch zu viel Spekulation."
Urteil zur Arbeitszeiterfassung gilt bereits
Doch auf ein Gesetz müssen Arbeitgeber gar nicht warten. Denn das Urteil gilt sofort – ohne Übergangsfrist. Silvio Lindemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, sagt, der entscheidende Punkt sei, dass das Bundesarbeitsgericht sich in seiner Entscheidung auf das Arbeitsschutzgesetz bezieht: "Das Bundesarbeitsgericht sagt ganz deutlich: Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen haben die Pflicht zu erfassen und auch zu prüfen, also zu dokumentieren und auszuwerten. Diese Auswertung muss dann auch vorgehalten werden, zum Beispiel für Kontrollen durch Aufsichtsbehörden. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsschutz nur gewährleisten, wenn er die Arbeitszeit erfasst."
Da das Arbeitsschutzgesetz schon viele Jahre existiere, bedeute das letztendlich, dass es schon seit vielen Jahren diese Pflicht gebe: Wir haben es eben nur alle nicht gewusst", sagt Lindemann.
Erster Vorschlag zum Gesetz Anfang 2023 geplant
Die Lage sei paradox, betont der Fachanwalt für Arbeitsrecht: Die Bundesregierung stehe gar nicht in der Pflicht, ein Gesetz nachzuliefern. Aber viele Arbeitgeber würden genau darauf warten.
Das Bundesarbeitsministerium will ihnen jedenfalls entgegenkommen. Es bestätigt auf Anfrage von MDR AKTUELL, dass es ein solches Gesetz geben soll. Ein Vorschlag zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung komme voraussichtlich im ersten Quartal des nächsten Jahres, heißt es aus Berlin.
Gewerkschaften freuen sich jedenfalls über das Urteil. Roman Romanowski, Justitiar bei der IG Metall, denkt auch nicht, dass man auf das Gesetz dazu warten muss: "Wir begrüßen das Urteil, weil dieses Urteil vieles klarstellt und auch noch mal in seiner Begründung klarstellt, dass der Arbeitgeber bereits heute gesetzlich dazu verpflichtet ist, die Arbeitszeit zu erfassen und das sichert die Beschäftigten davor, mit ausufernden Arbeitszeiten ihre Gesundheit zu gefährden. Und auch, dass wenn sie Arbeitszeit geleistet haben, diese erfasst werden und dann auch bezahlt werden muss."
Zur einfachen Zeiterfassung empfiehlt Romanowski kostenlose Apps oder schlicht eine Excel-Tabelle. Weigere sich der Arbeitgeber, die Arbeitszeit zu erfassen, könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das selbst tun und sich in einem Konfliktfall Unterstützung vom Betriebsrat oder der Gewerkschaft holen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Dezember 2022 | 06:00 Uhr