Container auf einem Containerbahnhof
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben 2022 Waren im Wert von 94 Milliarden Euro exportiert. Bildrechte: imago images/Sven Simon

Außenhandel Exporte aus Mitteldeutschland steigen

02. März 2023, 05:00 Uhr

Der Außenhandel in Mitteldeutschland wächst trotz Handelswirren durch den Krieg in der Ukraine und Russland-Sanktionen. Neue Handelspartner ersetzen das ehemalige Russlandgeschäft und das Exportvolumen nimmt weiter zu. Das stimmt laut ifo-Institut auch die Unternehmer etwas optimistischer – trotz Herausforderungen.

Mitteldeutschlands Exportgeschäft wächst

Laut Daten des "Statistischen Bundesamtes" betrug das Exportgeschäft der drei mitteldeutschen Länder 2022 rund 94 Milliarden Euro. Das bedeutet einen Zuwachs gegenüber 2021 von knapp 13,3 Milliarden. Profitieren konnten dabei besonders Sachsen und Sachsen-Anhalt.

52,7 Milliarden an Warenwert exportiert den Angaben zufolge allein Sachsen, was für den Freistaat einen Anstieg von 17 Prozent im Vorjahresvergleich bedeutete. Sachsen-Anhalt steigerte sich von 19,2 Milliarden auf 23,9 Milliarden. In Thüringen fiel der Unterschied deutlich geringer, aber dennoch positiv aus: Mit 17,7 Milliarden konnte eine Milliarde mehr als im Vorjahr erzielt werden.

Importwert steigt bei weniger Waren

Auch beim Einkauf sind die Zahlen in die Höhe geschnellt. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen importierten 2022 insgesamt Waren im Wert von 15 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Diese Zahlen können aber aufs Glatteis führen. In Sachsen stiegen die Importe zum Beispiel um sieben Prozent auf 34,9 Milliarden Euro. Durch die Inflation und generelle Teuerung habe vor allem der Preis angezogen, nicht die Warenmenge.  

Laut dem Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen sind die Importe sogar zurückgegangen: "Das relativiert die sächsischen Zahlen und macht deutlich, dass der Umfang der sächsischen Exporte tatsächlich gestiegen ist, während die Importe nach Preisbereinigung unter den Vorjahreswerten lagen." Ein Phänomen, das sich auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt zeigt.

Russlandhandel schrumpft weiter

Laut der Erhebung des Statistischen Bundesamtes ging der Russlandhandel im vergangenen Jahr weiter zurück und folgt somit dem Trend der letzten Jahre. Bereits ein Jahr vor der Annexion der Krim durch Russland war der russische Anteil am mitteldeutschen Exporthandel marginal. Schon 2013 betrug dieser gerade 3,1 Prozent, 2021 nur 2,7 Prozent. Im letzten Jahr schrumpfte der Anteil ein weiteres Mal, diesmal auf unter ein Prozent. Die Zahlen im Import stiegen zwar leicht an, allerdings ist auch hier der gestiegene Preis für die verbliebenen Importgüter (hauptsächlich Öl und Gas) für den höheren Umsatz verantwortlich.

Der Markt verlagert sich

Der Beginn des Ukrainekrieges sorgte für große Unsicherheit in der Unternehmerschaft. Die Wirtschaft begann neue Netzwerke zu knüpfen und Handelswege neu zu definieren. Auf der Suche nach neuen Geschäftspartnern richtete sich auch der Blick Mitteldeutschlands auf seine östlichen Nachbarn. Der Osthandel stieg im Vergleich der letzten Jahre massiv an.

Besonders profitierten Polen und Tschechien vom Umdenken der deutschen Unternehmen. Sachsen zum Beispiel erhöhte sein Handelsvolumen mit Polen um 49 Prozent auf 3,32 Milliarden Euro. Damit liegt das Land auf Platz vier der sächsischen Exportpartner. Mit 3,54 Milliarden Euro und einem Zuwachs von 36 Prozent sichert sich Tschechien Platz drei der Liste. Auch der Exporthandel mit Haupthandelspartner China erfuhr einen Anstieg. Mit zehn Prozent Steigerung lag diese Entwicklung aber deutlich unter den Ergebnissen der letzten Jahre. Dennoch wurden immerhin Waren im Wert von 8,7 Milliarden Euro an die Volksrepublik geliefert. Ebenfalls positiv fiel die Exportbilanz mit den Vereinigten Staaten aus: Hier verzeichnete man einen Umsatz von fünf Milliarden Euro und Wachstum von 22 Prozent.

Welche Branchen profitieren?

Gemessen am Außenhandel waren die Automobil-, Metall und Chemiemärkte die klaren Gewinner der Marktkonsolidierung. In Sachsen legte die Warengruppe Kraftwagen und KW-Teile im Vergleich zum Jahr 2021 noch einmal rund drei Milliarden oben drauf. Die Autohersteller im Freistaat lieferten insgesamt Waren im Wert von 21,2 Milliarden Euro aus. In Sachsen-Anhalt gewann die Chemieindustrie mehr als eine Milliarde im Export und rangiert dadurch bei einem Umsatz von 6,8 Milliarden. Thüringen verzeichnete insbesondere eine Zunahme der Nahrungs-und Futtermittelexporte um rund 20 Millionen und erreichte ein Gesamtexportvolumen von 1,17 Milliarden Euro. Allerdings gehörte in Thüringen ausgerechnet die Automobilbranche zu den Verlierern: Die Branche büßte 600 Millionen Euro im Exportgeschäft ein, was das Gesamtvolumen auf 2,8 Milliarden Euro reduzierte.

Unternehmer werden optimistischer

Skepsis und Unsicherheit hielten auch Unternehmer aus Mitteldeutschland in Schach. Die Stimmung bessert sich aber laut Geschäftsklimaindex des ifo. Dieser lag im Februar 2023 bei 91,1 Prozent, ein Prozentpunkt mehr als noch im Januar. Im März 2022 war der Wert von 98,5 auf 90,8 abgestürzt. Eine Entwicklung die sich fortsetze und erst Ende des Jahres aufhelle. Ein Grund dafür sei auch die Sanktionspolitik der Bundesregierung.

Sanktionen als problematisch eingestuft

Unternehmer halten die Sanktionen gegenüber Russland für wenig wirksam. Viele unter Ihnen sehen das Problem, dass die Last der Sanktionen mehr vor Ort als in Russland zu spüren sei. "Mein Eindruck ist, dass die Sanktionen genauso wie 2014 mehr oder weniger verpufft sind", sagt Marco Schülken, Geschäftsführer von "Schülken Form". Der Betrieb gießt Formen aus Aluminium für die weiterverarbeitende Industrie. Dort stellte vor allem der Anstieg der Gaspreise das energieintensive Unternehmen vor Herausforderungen.

Die Sanktionen hätten weniger die russische Wirtschaft getroffen, "sondern mehr die deutsche Wirtschaft, die deutsche Bevölkerung. Weil im Endeffekt zahlen deutsche Unternehmen, deutsche Mitarbeiter jetzt den Preis für diese Sanktionen", meint Marco Schülken. Seiner Einschätzung nach gäbe es genug Hintertüren für Russland: "Auch, wenn die Tür Richtung Europa zugeht, geht die Türe Richtung Türkei und China ganz weit auf. Die Produkte, die hier früher aus Europa kamen, kommen jetzt halt von dort."

Piesteritz: Erst Probleme durch russisches Gas - jetzt durch russischen Harnstoff

Ein weiteres Beispiel dafür, wie Sanktionen von Russland umgangen werden und so auch deutschen Unternehmen schaden können, illustriert das Stickstoffwerk in Piesteritz. Das Unternehmen ist der größte regionale Hersteller für Harnstoffe. In den Anlagen der "SKW Stickstoffwerke Piesteritz" wird aus Erdgas unter Zugabe von Stickstoff Ammoniak hergestellt, ein zentraler Bestandteil der Düngemittelproduktion. Dabei verbraucht das Werk normalerweise mehr Erdgas als Bremen und das Saarland zusammen.

Noch im Herbst stand der Betrieb still. Die Explosion der Gaspreise machten das Unternehmen unrentabel und man sah sich gezwungen, den Betrieb einzustellen. Inzwischen arbeitet eine der beiden Ammoniak-Anlagen wieder. Allerdings sieht man sich nun einem anderen Problem gegenüber. Während Piesteritz still stand, begannen die russischen Konkurrenten mit ihrem heimischen Gas die vor Ort hergestellten Harnstoffe noch günstiger zu produzieren. Über Drittländer fluteten sie dann den Düngermarkt mit ihren Produkten zu Spottpreisen. Auch Deutschland kauft fleißig ein. Für Christopher Profitlich ist das unverständlich: "Wir sehen Rekordimporte von russischem Harnstoff und für uns ist es schwer nachzuvollziehen, warum wir uns von russischem Gas lösen wollen, aber russischen Harnstoff zu Billigstpreisen importieren", sagt der Pressesprecher der "SKW Stickstoffwerke Piesteritz", Christopher Profitlich.

Die Lage scheint absurd. Anstatt direkt russisches Gas zu kaufen, welches dann weiterverarbeitet werden könnte, kauft man auf Umwegen ein russisches Endprodukt. Währenddessen sorgen die hohen Produktionskosten in Piesteritz für Probleme. Der teuer produzierte Ammoniak aus Sachsen-Anhalt ist am Weltmarkt durch das russische Angebot kaum konkurrenzfähig.

 

Altenburger Senf: Jetzt aus Altenburg

Andere Unternehmen haben den Ersatz für ihre ehemaligen Partner direkt vor der Haustür gefunden. So zum Beispiel das Traditionsunternehmen "Altenburger Senf". Noch bis vor einem Jahr wurden in dessen Mühlen russische Senfkörner verarbeitet. Durch die Sanktionen blieben diese aber wahrscheinlich in einem russischen Kontor oder wurden bereits an neue Abnehmer verkauft.

Die regionalen Bauern reagierten und versuchten in Zusammenarbeit mit dem Senfhersteller, den Senf direkt vor der Haustür anzubauen – mit Erfolg, sagt die Geschäftsführerin von "Altenburger Senf", Julia Jungbeck-Ucar: "Wir sind mit der Qualität super zufrieden, sowohl bei den gelben Senfkörnern, als auch den braunen. Alle kommen jetzt aus regionalen Anbau aus Deutschland." 

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 21. Februar 2023 | 20:15 Uhr

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