Gewalt gegen Unparteiische Warum sich zwei junge Fußballschiedsrichter aus Bitterfeld-Wolfen mehr Fairplay wünschen
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12. Juni 2024, 05:00 Uhr
Im Amateurfußball kommt es zunehmend zu Übergriffen gegen Schiedsrichter. Der Fußballverband Sachsen-Anhalt berichtet von etlichen Vorfällen, meist sind es Pöbeleien und verbale Angriffe auf Unparteiische. Die Folge: Im Schnitt hören vier von fünf jungen Schiedsrichtern innerhalb der ersten beiden Jahre nach der Ausbildung wieder auf. Zwei junge Unparteiische aus Bitterfeld-Wolfen wollen jedoch auch weiterhin Spiele pfeifen.
- Til Schröter und Max Müller sind zwölf Jahre alt und Nachwuchsschiedsrichter beim 1. FC Bitterfeld-Wolfen.
- Wenn sie als Schiedsrichter auf dem Platz stehen, erleben sie immer wieder Beleidigungen.
- Die Nachwuchsschiris wünschen sich mehr Fairplay und Verständnis.
Sonntagvormittag in Bitterfeld-Wolfen. Zeit für den Nachwuchsfußball. Die Knirpse stehen bereits auf dem Platz. Beide Teams sind motiviert und schon gibt Til Schröter mit einem lauten Pfiff das Spiel frei. "Das ist cool, ich bin der Chef auf dem Platz und hab' das Sagen." Dabei lächelt der Junge mit den dunkelblonden Haaren verschmitzt. "Ich versuche Ruhe auszustrahlen, dass es nicht hektisch wird auf dem Rasen", erklärt der junge Schiedsrichter. Dabei ist Til gerade erst zwölf Jahre alt.
Genau wie sein Freund Max Müller. Auch er ist Schiedsrichter: "Ich habe das durch Til gesehen und bin neugierig geworden und wollte das auch. Es macht Spaß und als Schiedsrichter verdient man außerdem einen Haufen Kohle", sagt der Blondschopf. Die Jungs lachen laut. Natürlich werden sie als Unparteiische bezahlt. 30 Euro gibt es pro Einsatz. Damit bessern sie ihr Taschengeld tüchtig auf. Aber das allein ist es nicht.
Unschöne Erfahrungen schon bei den Nachwuchs-Schiris
Die aufgeweckten Jungs aus Bitterfeld-Wolfen engagieren sich gern. Sie spielen selbst Fußball beim 1. FC Bitterfeld-Wolfen im Nachwuchs und gehören zu den jüngsten Schiedsrichtern in Sachsen-Anhalt. Im Alter von elf Jahren durften sie mit einer Ausnahmegenehmigung die Ausbildung absolvieren. "Es ist sehr wichtig, dass man die Regeln drauf hat", sagt Max. "Und du musst wissen, wie du in verschiedensten Situationen sekundenschnell und richtig reagierst", ergänzt Til.
Beschimpfungen mit Folgen
Bei der Prüfung waren die Sechstklässler ziemlich aufgeregt. Die Herausforderung haben beide aber gemeistert. "Mit voller Punktzahl bestanden, da war ich schon sehr stolz", erinnert sich Til. Inzwischen sind die Junior-Schiris vom 1. FC Bitterfeld-Wolfen routiniert auf dem Feld. Zusammen bringen es die Freunde schon auf mehr als 100 Einsätze. Manchmal jedoch ist es hart. "Es sind meist die Zuschauer oder Trainer, ich wurde schon als Blödmann beleidigt, das fühlt sich nicht gut an" gesteht Til. "So etwas ist hart und nimmt einen ziemlich mit".
Auch Max hatte bereits unschöne Erlebnisse. Das geht nicht spurlos an den Zwölfjährigen vorbei. Man mache sich schon Gedanken und frage sich später noch zu Hause, was man falsch gemacht habe, erzählt Max. "War das jetzt wirklich so schlimm, dass ich dafür beschimpft werden musste?" Und Til gibt zu, dass er in der Kabine auch schon mal mit den Tränen zu kämpfen hatte. "Wir sind Kinder, wenn da nur gemeckert wird, verliert man auch die Lust".
Fairplay bleibt auf der Strecke
Der "Fairplay"-Gedanke bleibt auf Fußballplätzen immer öfter auf der Strecke. Das beobachtet auch Thomas Müller, er ist Nachwuchstrainer beim 1. FC Bitterfeld-Wolfen mit etwa 200 Mitgliedern. "Schiedsrichter werden immer öfter angegangen, das hält bestimmt viele Neue ab, den Job zu übernehmen". Daher sei der Verein besonders stolz auf die beiden jungen Schiedsrichter, so Müller. "Ohne Schiedsrichter könnten keine Spiele stattfinden."
Landesweit sind knapp 1400 Unparteiische an jedem Wochenende auf den Fußballplätzen in Sachsen-Anhalt im Einsatz. 600 mehr sollten es bestenfalls sein. Dafür ist ein anderer Umgang miteinander nötig.
Wir sind ja auch nur Menschen.
Auch die zwei Nachwuchsschiedsrichter aus Bitterfeld-Wolfen wünschen sich mehr Verständnis. "Dass Spieler und Zuschauer ruhig bleiben, nicht ausrasten und vielleicht auch mal loben und nach dem Spiel fair abklatschen", hofft Til Schröter. "Und bei einer Fehlentscheidung nicht gleich beleidigen oder richtig anmotzen, wir sind ja auch nur Menschen", sagt Max Müller.
Auch wenn es nicht immer Spaß macht, an Aufhören verschwenden die Freunde noch keine Gedanken. Sie werden auch am nächsten Sonntag zuverlässig als Unparteiische auf dem Platz stehen und Nachwuchsspiele leiten. Schiedsrichter sein – für die beiden Zwölfjährigen ist das mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung.
MDR (Martin Krause, Lucas Riemer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Juni 2024 | 15:30 Uhr
geradeaus vor 25 Wochen
Schöner Beitrag. Max und Til werden die Kommentare bestimmt lesen und auch erfreut sein.
Der Einwand mit dem Alkohol ist wohl mehr als gerechtfertigt. Jedoch verbietet man das, dann kommt die Hälfte nicht mehr.
Was mich a bissl erschüttert hat ist die Tatsache das selbst die Trainer der Mannschaften gegen Til und Max pöbeln. Das auch die sich nicht zusammenreißen können...
Nur wenn die es nicht mal können wie soll man es dann von den Zuschauern erwarten ??!!!
Karl-W vor 25 Wochen
Eltern lassen den Kindern nicht den Spass am Sport. Sie sind übertrieben ergeizig und hoffen das ihr Kind mal Bundesligaprofi wird, vieleicht weil sie es nicht sind. Aber so ist unsere jetzige Gesellschaft, Ellbogen raus und der stärkste sein, ein zweiter Platz ist schon ein verlierer.
randdresdner vor 25 Wochen
Ein Artikel, der mir sehr aus dem Herzen spricht.
Leider erlebe ich bereits im Jugendbereich, dass Spielerinnen und Spieler attackiert von anderen Eltern werden.
Nicht immer, aber leider steht oft eine Flasche Bier am Boden.
Für mich ein Unding bei Spielen im Kinder und Jugendbereich, dass Zuschauer Alkohol zu trinken und am Spielfeldrand zu rauchen.
Das Wichtigste ist doch, dass die Kinder Spaß haben, Fehler machen dürfen und mit einem Lächeln vom Platz gehen.
Ich wünsche den beiden Jungs und allen, die diesen mutigen Weg gehen, ganz viel Spaß, ein gutes Händchen bei kniffligen Entscheidungen und vor allem Trainer und Zuschauer, die Verbissenheit am Eingang zum Sportplatz ablegen und die Kinder begleiten und nicht unter Druck setzen.