Eine Chemielaborantin beim TÜV Rheinland hält 2013 Glasröhrchen in den Händen.
Die Zahl der belasteten Proben ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / dpa | Daniel Karmann

Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau Forscher besorgt über gefährliche Substanz in immer mehr Urinproben

09. Februar 2024, 12:46 Uhr

Fast 30 Prozent der Urinproben aus einer aktuellen Studie enthalten einen gefährlichen Stoff. Der ursächliche Weichmacher ist eigentlich größtenteils in der Europäischen Union verboten. Ersten Analysen zufolge könnte die Substanz aus Sonnencremes stammen und in den Körper gelangt sein.

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Das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau hat im Urin zahlreicher Menschen in Deutschland Hinweise auf einen gefährlichen Weichmacher entdeckt. Dieser ist seit Jahren streng reglementiert und großteils verboten.  In der aktuell noch laufenden 6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit sei bislang in 28 Prozent der Proben der Metabolit "MnHexP" entdeckt worden, sagte UBA-Toxikologin Marika Kolossa. Es handle sich um ein Abbauprodukt eines sogenannten Weichmachers (DnHexP).

So einen Stoff dürfte man nicht im Körper finden und wir finden ihn.

Marika Kolossa Uba-Toxikologin

Sonnencreme als mögliche Quelle

Ersten Analysen zufolge könnte der Weichmacher von Sonnencremes stammen. Auch viele Cremes, darunter Nachtcremes, würden Sonnenschutzmittel enthalten. Eine "Maßnahmenempfehlung" könne anhand der bisherigen Erkenntnisse allerdings noch nicht abgeben werden, teilte die Behörde mit und warnte zugleich, auf keinen Fall auf Sonnenschutzmittel zu verzichten.

Der fortpflanzungsschädigende Metabolit ist dem UBA zufolge erstmals 2023 in Proben entdeckt worden. "So einen Stoff dürfte man nicht im Körper finden und wir finden ihn", sagte Toxikologin Kolossa. Metaboliten entstehen durch Stoffwechsel im Körper. Kürzlich waren Ergebnisse einer Untersuchung zu Proben in Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. "Es ist ein Problem größeren Ausmaßes", sagte Kolossa nun.

Stoff birgt diverse Gesundheitsrisiken für Menschen

Der Metabolit sei nach Ergebnissen von Tierversuchen ein fortpflanzungsschädigender Stoff, sagte Kolossa. Er wirke vor allem auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib. Er könne aber auch für Erwachsene schädlich sein und das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen, was aus weiteren Tierversuchen hervorgehe. In einzelnen Menschen seien Konzentrationen entdeckt worden, "die so hoch sind, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist".

Der Weichmacher DnHexP ist in der EU seit vielen Jahren stark beschränkt beziehungsweise verboten. Unter bestimmten Umständen könne die Substanz dennoch in der EU auftreten, etwa in Importerzeugnissen, die den Stoff enthalten, sagte Chemikalienexperte Lars Tietjen vom UBA. Er könne möglicherweise auch in alten, in der EU produzierten Produkten erhalten sein. "Hinweise auf größere verarbeitete Mengen liegen mir nicht vor, aber ausschließen kann man es nicht."

Belastete Proben haben sich mehr als verdoppelt – Ursache unklar

In Nordrhein-Westfalen hatten Experten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz rückwirkend alte Urinproben von Kindergartenkindern untersucht. Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum habe sich der Anteil der mit dem Stoff belasteten Proben von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent (2020/21) erhöht, heißt es einer Mitteilung der Behörde vom 31. Januar. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa verzehnfacht. Die Ursache dafür sei völlig unklar. 

Die Ergebnisse hingen nicht mit den Wohnorten der Kinder zusammen, sagte eine Sprecherin. Deutlich erhöhte Werte gebe es im ganzen Bundesland.

Seit dem Jahr 2013 steht der Weichmacher DnHexP in der Europäischen Union laut NRW-Landesamt auf der Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe. Als Weichmacher sei der Stoff in kosmetischen Mitteln, Lebensmittelkontaktmaterialien und in Spielzeug deshalb nicht mehr zugelassen.

dpa, MDR (Daniel Salpius, Cornelia Winkler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Februar 2024 | 12:00 Uhr

26 Kommentare

NeuerHeip vor 12 Wochen

Hätte man die Medikamente seriös geprüft, hätte man deren schädigende Wirkung auch erkannt.

Aber Ihrer Meinung nach ist es ja kein Problem auf Basis von Unkenntnis sogenannte "Medikamente" in Umlauf zu bringen.

Im Übrigen sind die Contergan-Opfer nie entschädigt worden.

Entschädigung heißt: So stellen, wie sie ohne den Schaden stehen würden.

Kaleun vor 12 Wochen

Ah kuck, wieder mal einer von den "Geschädigten".
Die "trifft" man in diesem Internetz ja extrem häufig.
Nur in der Realität ist von denen wenig zu erleben.

Aber passt, ich weiß jetzt, wie ich ihre Aussagen zu werten habe.

Kaleun vor 12 Wochen

"Tja und deshalb wirken solche lustigen Kontrollen auch nicht.

Es ist dann eben nur ein Gefühl der Sicherheit.
Und doch man muss von ignorieren sprechen. "

Ihnen ist offensichtlich das Ausmaß dieses Problems nicht bekannt. Ich hatte das bereits vermutet und ihnen deshalb schon geschrieben, dass "wir" hier von einem globalen Problem sprechen, das alle Lebensformen auf dem Planeten betrifft.
Das hat exakt nichts mit "ignorieren" zu tun, sondern damit, dass Kontrollen in dem Ausmaße, in dem sie erforderlich wären, schlicht nicht machbar sind. Nirgendwo auf der Welt.
Ihre Aussage ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die die sich mit dieser Problematik beschäftigen (müssen), aber wenn ich mir ihre anderen Beiträge anschaue, dann dürfte das bei ihnen wohl eher ideologisch getrieben sein, und deshalb verzichte ich auf weitere Erklärungen.
Schüssi...

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