Gedenken Vier Jahre nach der "Zäsur": Halle erinnert an Attentat am 9. Oktober

09. Oktober 2023, 16:56 Uhr

Kränze wurden vor der Synagoge niedergelegt, die Straßenbahnen standen für einige Minuten still – am 9. Oktober, jenem Tag, an dem ein Attentäter vor vier Jahren in Halle einen Anschlag auf die Synagoge verübte und zwei Menschen tötete. So wurde in der Stadt der Opfer des Anschlags gedacht.

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In Halle ist am Montag an den rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge vor vier Jahren erinnert worden. Das Attentat sei eine "Zäsur" gewesen und habe das Land verändert, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bei einer Gedenkstunde vor der Synagoge in Halle.

Der Regierungschef warnte davor, den Anschlag als Tat eines isolierten Einzelgängers zu verharmlosen. "Sie war Ausdruck eines im Rechtsextremismus weit verbreiteten Antisemitismus", sagte Haseloff. Auch in der Gesellschaft gebe es Judenfeindlichkeit.

Besonderer Schutz für jüdische Einrichtungen

Zudem sagte Haseloff, dass jüdische Einrichtungen auch künftig besonders geschützt werden sollen. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT erklärte der Regierungschef, es werde immer ein klares Reaktionsschema auf solche Situation geben. Man habe alles, was an Möglichkeiten da sei, scharf geschaltet: "Wir müssen einfach zeigen, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind und dass wir aus dem, was wir erlebt haben, auch vor vier Jahren, Konsequenzen gezogen haben. Und das haben wir, indem wir die Sicherheit soweit es überhaupt technisch möglich war und personell möglich war, deutlich erhöht haben. Und das wird auch in Zukunft so sein."

Bundeskanzler: "Nie wegschauen"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief anlässlich des Gedenktages zu Wachsamkeit und dem Kampf gegen Antisemitismus auf. "Nie wegschauen – dazu mahnt uns der Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle", schrieb Scholz auf der Plattform X, ehemals Twitter. Die Opfer des Anschlags blieben unvergessen. "Es ist unsere Pflicht, Antisemitismus hart zu bekämpfen. Jüdinnen und Juden müssen in unserem Land angstfrei leben können."

Opferbeauftragter: Betroffene besser unterstützen

Der Opferbeauftragte des Bundes, Pascal Kober (FDP), sagte, Staat und Gesellschaft müssten den Betroffenen des Anschlags bestmögliche Unterstützung geben. "Da können wir noch ein Stück besser werden", betonte Kober.

Im Anschluss an die Gedenkstunde starteten die Organisationen "Keren Hayesod" sowie die "Christen an der Seite Israels" ein Spendenprojekt, mit dem eine Tora-Rolle für die Synagoge in Halle finanziert werden soll. Haseloff schrieb als erster einen Buchstaben für die handgeschriebene Tora-Rolle.

HFC öffnet Stadion

Für eines der beiden Opfer, einen Fußballfan, öffnete Fußball-Drittligist Hallescher FC am Nachmittag die Stadiontore, um in der Fankurve an den jungen Mann zu erinnern. Am Abend ist auf dem Marktplatz eine zentrale Gedenkfeier geplant, zu der unter anderem Ministerpräsident Haseloff erwartet wird. Auch am "Kiez-Döner" wurden Kränze niedergelegt.

Das geschah am 9. Oktober 2019

Der Anschlag in Halle im Jahr 2019 gilt als Versuch eines Massenmordes an Juden an Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag. Der heute 32 Jahre alte rechtsextreme Täter hatte seine Anschlagspläne zunächst im Internet bekannt gegeben. Er versuchte dann, mit Waffengewalt in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um die dort versammelten Menschen zu töten. Damit scheiterte er. Danach erschoss der Extremist eine Passantin und einen jungen Mann im Imbiss "Kiez-Döner". Außerdem verletzte er zwei weitere Leute.

Das Oberlandesgericht Naumburg hatte den Angeklagten im Dezember 2020 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Anschlag löste eine Debatte unter anderem über mangelnde Sicherheitsmaßnahmen für Juden in Deutschland aus. Auch das Verhalten der Polizei geriet in die Kritik.

Reaktionen auf den Krieg gegen Israel

Der Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel war bei den Reden zum Gedenktag in Halle weitestgehend kein Thema. Er wisse um die Situation in Israel, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki. Er wolle allerdings an diesem Tag nicht unbedingt darüber sprechen. Dieser Tag stehe im Zeichen des Gedenkens an den Anschlag auf die jüdische Gemeinde und der zwei vor vier Jahren getöteten Menschen.

Halles Bürgermeister Egbert Geier (SPD) verurteilte die jüngsten Angriffe der Terrororganisation Hamas auf Israel: "Unsere Gedanken, unser Mitgefühl sind bei den Opfern des Hamas-Terrors, bei den Familien der Getöteten, Verletzten und Verschleppten. Das Existenzrecht des jüdischen Staates steht außer Frage."

Auch Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) äußerte sich. "Wir verurteilen die Angriffe der Hamas auf Israel aufs Schärfste. Dies ist ein Akt des Terrors, dessen Grausamkeit kaum in Worte zu fassen ist", heißt es in einer Mitteilung. Der Schutz der jüdischen Einrichtungen habe jetzt "oberste Priorität".

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epd, AFP, MDR (Theo M. Lies, Jörg Wunram, Christoph Dziedo, Moritz Arand) | Zuerst veröffentlicht am 04. Oktober 2023

Dieses Thema im Programm: MDR um 2 | 09. Oktober 2023 | 14:00 Uhr

28 Kommentare

Denkschnecke am 06.10.2023

Ihre Relativierung der Tat ist mit Verlaub wirklich widerlich. Dass keine jüdischen Mitbürger ermordet worden, lag allein daran, dass dem Täter das Eindringen in die Synagoge nicht gelang. Sonst hätte es dort zweifelsfrei sehr viele jüdische Opfer gegeben. Neben den zwei getöteten Menschen wurde ein gezielter Mordversuch auf einen dunkelhäutigen Menschen verübt. Was möchten Sie denn genauer über die Opfer wissen? Aus der Presse hat man alles erfahren, was nötig ist.

Denkschnecke am 06.10.2023

Wenn der Täter ein selbsterklärter Rechtsextremist ist, finden SIe das abwegig, politisch gegen Rechtsextremismus vorzugehen?
Dass die Opferzahlen durch Ausländerkriminalität höher seien, müssten Sie erst einmal belegen. Das lässt sich so auch überhaupt nicht vergleichen, schließlich ist "Ausländer" ein Merkmal, dass sich der Täter nicht selbst ausgesucht hat, während Sie bei "Rechtsextremist" vermutlich sogar nur die Fälle zählen würden, bei denen das das Tatmotiv ist. Sprich: Sie müssten jeden deutschen Mörder aus Habgier erst befragen, ob er zu Rechtsextremismus neigt.

Ines W. am 05.10.2023

@Ralf G
Das mag daran liegen, dass der von der politischen Rechten geschürte Hass auf Juden und Menschen die irgendwie anders sind als der Durchschnittsdeutsche, eben auch zu diesem Verbrechen geführt hat.

Der Moscheebomber von Dresden war bekennender AfD und Pegidafan, ebenso wie der Mörder von Herrn Lübcke. Für mich sind da durchaus Zusammenhänger erkennbar welcher Ideologie solche Mörder anhängen und welche Partei sie unterstützen.

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