Abgebrochene Reise AfD-Abgeordnete reisten mit Fraktionsgeld nach Russland
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21. September 2022, 15:40 Uhr
Die geplante Reise von AfD-Abgeordneten in die russisch besetzte Ostukraine hat auch in der eigenen Partei für Kritik gesorgt. Nun haben sie die Reise offenbar abgebrochen, befinden sich aber noch in Russland. Während der Bundesvorstand und die Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen nicht über die Reise informiert waren, streckte die Fraktion in Magdeburg sogar die Flugtickets vor.
Die geplante Reise von drei AfD-Abgeordneten in die besetzte Ostukraine ist abgebrochen worden. Eine Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag, der Abgeordnete Christian Blex sei nach eigenen Angaben nicht im Donbass gewesen und werde die Reise beenden. Auch seine Begleiter aus Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald, kehren demnach zurück.
Zuvor hatte das ZDF aus einer Mail von Blex an den Bundesvorstand der AfD zitiert: "Da ich als einziger Abgeordneter aktuell Internetzugang habe, möchte ich Ihnen den gemeinsamen Beschluss von uns dreien mitteilen, dass wir nicht mehr weiter in den Donbass reisen", schrieb er demnach.
Aus Fraktionskreisen in Magdeburg hieß es am Mittwoch, die Reisegruppe sei bei Abbruch unterwegs ins Grenzgebiet gewesen und befände sich derzeit noch in Russland. Die Abgeordneten Tillschneider und Wald seien im Fraktionsauftrag unterwegs gewesen.
AfD-Spitze spricht von "Privatreise" und fordert Informationen
Mit ihrer Reise stießen die drei AfD-Politiker auch in ihrer eigenen Partei auf scharfe Kritik. "Wir unterstützen diese Reise nicht", sagte Co-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla am Dienstag in Berlin. Er und die Co-Vorsitzende Alice Weidel hätten von dieser Reise nichts gewusst. Weidel sprach von einer "Privatreise", die "nicht die Position der AfD" vertrete. Man werde das intern aufarbeiten.
Der AfD-Bundesvorstand hatte bereits am Montagabend einen Beschluss gefasst, in dem laut Chrupalla die drei Teilnehmer aufgefordert werden, die Organisation der Reise offenzulegen. Zudem sollten die Landtagsabgeordneten "jegliche die Reise betreffende Kommunikation vorab mit dem Bundesvorstand abstimmen".
AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt war in Reise einbezogen
Wie aus einer Pressemitteilung der AfD-Fraktion in Nordrhein-Westfalen hervorgeht, erwägt die Fraktion disziplinarische Maßnahmen gegenüber ihrem Abgeordneten Christian Blex. Dieser soll seine Kollegen vor Reiseantritt nicht von den Plänen in Kenntnis gesetzt haben.
Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald müssen derweil vorerst keine Sanktionen fürchten: Die Landtagsfraktion in Magdeburg wusste nicht nur von der Reise, sie hat die Flugkosten sogar vorgestreckt. Das teilte man am Mittwoch dem MDR mit. Zuvor hatte die Tageszeitung WELT berichtet.
Zunächst unbeantwortet blieb die Frage, ob die Kosten am Ende abschließend nicht doch aus den regulären Reisemitteln des Landtags für alle Fraktionen bezahlt werden sollen. Üblicherweise beantragen Abgeordnete, die Auftrag von Fraktion oder Ausschüssen reisen, das.
Der Landtagsverwaltung war die Reise vor Montag nicht bekannt gewesen. Bislang liege auch kein Antrag auf Erstattung vor, so eine Sprecherin.
Rolle von AfD-Landeschef Reichardt unklar
Unklar bleibt zudem die Rolle von Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef Martin Reichardt. Der Bundestagsabgeordnete sitzt im Bundesvorstand der Partei. In der Abstimmung am Montag soll Reichardt sich laut dem ARD-Hauptstadtstudio enthalten haben. Er ließ eine Anfrage des MDR bislang unbeantwortet, ob er von der Reise gewusst hatte.
Reichardt, Wald und Tillschneider hatten sich mit anderen Vertretern des sogenannten "Flügels" erst am vergangenen Freitag in Sachsen-Anhalt getroffen. Das extrem rechte Netzwerk um den thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke gilt offiziell als aufgelöst.
Melnyk sieht in Reiseplänen Straftatbestand
Die Reise hatte mehrere kritische Reaktionen ausgelöst. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem "tiefen Akt der Unsolidarität". Das Vorhaben sei "nicht nachvollziehbar".
Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, warf den drei AfD-Landtagsabgeordneten am Montag vor, mit einer Reise in die besetzte Ostukraine den russischen "Vernichtungskrieg zu unterstützen". "Hier liegt ein Straftatbestand vor", schrieb Melnyk bei Twitter und verwies auf Paragraf 80a im Strafgesetzbuch – Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression.
Ähnlich hatte sich auch die FDP in NRW geäußert. Deren Fraktionschef Henning Höne kündigte an, man prüfe bereits rechtliche Schritte. "Für mich kommt eine solche Aktion einem Landesverrat gleich", erklärte er. Eine Reise in von Russland besetzte ostukrainische Gebiete sei "nicht ohne Kontakte zum russischen Geheimdienst" zu realisieren.
MDR (rnm, Thomas Vorreyer)/dpa | Erstmals veröffentlicht am 20. September 2022 um 21:54 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 21. September 2022 | 17:40 Uhr
DER Beobachter am 22.09.2022
Herrlicher Vergleich, Ines W. - zumal Sie bei der Gelegenheit zugleich den enttäuschten Männlichkeitswahn so mancher enttäuschter AfD-Wähler durch den Kakao gezogen haben...
DER Beobachter am 22.09.2022
O.B. - Sie dürfen gern das schöne gute alte Wörtchen "Licht" benutzen. Gemeinhin ist der AfD-Kritiker in der Kenntnis unserer guten alten deutschen Schriftsprache und Inhalten bewanderter als in der Reduktion von Botschaften auf Comic- und Emoticonniveau...
Anita L. am 22.09.2022
Der politische "Rand" hat nichts mit Wahlergebnissen zu tun. Manchmal findet sich in einer moralisch "grenz"wertigen Populistenbewegung eben mehr Klientel ein als zum Beispiel in einer liberalen. Der politische "Rand" zeigt sich eher in der Tatsache, dass die anderen Gruppierungen eben in einer viel größeren Breite gewillt sind, mit der liberalen Dorfpartei Kompromisse für eine gute Regierungsarbeit einzugehen, während mit den 13 oder 20 Prozent am ethisch bedenklichen Rand niemand zusammenarbeiten will. Daran erkennt man den politischen "Rand".