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Alle vier Minuten wird eine Frau von Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner betroffen sein. Bildrechte: Colourbox.de

Cyberstalking gegen Frauen Wenn der Partner zum Schnüffler wird

von Lars Frohmüller, MDR SACHSEN-ANHALT

24. Januar 2024, 19:41 Uhr

Alles kann zum Stalken benutzt werden: Fotos, Kalender oder smarte Türschlüsser. Um vor allem Frauen zu helfen, stellt Sachsen-Anhalt insgesamt 237.000 Euro für Projekte gegen Cyberstalking bereit. Ein Teil davon fließt in eine Weiterbildungsoffensive des Landes, um Sozialarbeiter fit machen.

Nach Angaben des Sozialministeriums des Landes Sachsen-Anhalt sind in ganz Deutschland mindestens jede dritte Frau von psychischer und sexualisierter Gewalt betroffen. Alle vier Minuten wird eine Frau von Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner betroffen sein. Auch hier verlagern sich die Übergriffe ins Internet. Gegen das sogenannte Cyberstalking soll nun eine Weiterbildungsoffensive des Landes Sozialarbeiter fit machen, um betroffenen Frauen zu helfen.

Betroffene hätten keine Kontrolle über ihre Passwörter

Es geht um sensible Daten im Internet: Kalender, Fotos, Messenger-Nachrichten oder gar der Standort des Telefons. All das ist für Cyberstalker ein Anhaltspunkt dafür, was das Opfer, im Zweifel sogar der Partner oder Ex-Partner, gerade tut. "Mittlerweile ist das Thema Cyberstalking bei jedem Gespräch mit Betroffenen dabei", sagt eine Mitarbeiterin eines Magdeburger Frauenhauses, die anonym bleiben möchte.

Betroffene hätten nach ihren Angaben nicht einmal Kontrolle über ihre Passwörter. Von Ehemann oder Partner eingerichtet, sind sie dessen Verständnis von Privatsphäre ausgeliefert. Bereits 2022 gründete sich in Berlin "Ein Team gegen digitale Gewalt". Inga Pöting ist Projektleiterin und sagt: "Eigentlich bräuchte jede Einrichtung zusätzliches, ausgebildetes Fachpersonal für die technische Sicherheit. Ich hoffe, dass unsere Arbeit ein Bewusstsein dafür schafft, die Kompetenzen und Ressourcen in den Schutzeinrichtungen zu stärken."

Projekt soll die digitalen Fähigkeiten von Sozialarbeitern verbessern 

Sachsen-Anhalt stellt insgesamt 237.000 Euro für Projekte gegen Cyberstalking bereit. Nicht alles fließt in das Weiterbildungsprojekt, doch am Ende sollen Sozialarbeiter digital fit gemacht werden. "Es geht um Beratung, was Betroffene am Ende mit ihren Geräten machen können und sollen. Geht es um Straftaten, sollte das Gerät natürlich nicht gelöscht werden, sondern es muss vielleicht Ersatz beschafft werden.

In anderen Fällen sollen die Mitarbeiter dabei helfen, Geräte so zu löschen, dass ein erneutes Auffinden von Personen unmöglich wird. "Cyberstalking hinterlässt keine sichtbaren Spuren und führt dazu, dass sich Betroffene zurückziehen. Wir sind bundesweit Vorreiter bei der Einführung einer flächendeckenden Weiterbildungsoffensive gegen digitale Gewalt im Hilfesystem." Das Projekt läuft zunächst für ein Jahr und soll nach den Wünschen des Projektteams durch IT-Experten erweitert werden, um mehr Sozialarbeiter effektiv schulen zu können.

Partner verfolgen Frauen bis ins Frauenhaus

In der Praxis erleben die Frauenhäuser, wie Männer digital aufrüsten, um ihre Frauen zu kontrollieren. "Teilweise stehen die Partner bereits mit dem Auto vor unseren Frauenhäusern und warten auf ihre Partnerin, mit zum Teil brutalen Folgen für die betroffenen Frauen", beschreibt eine Mitarbeiterin gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT. Auch würden Smart-Home-Produkte zur Überwachung des eigenen Haushalts genutzt, sagt Inga Pöting vom Projekt gegen digitale Gewalt.

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"Kameras zeigen den Partnern an, wer sich in der Wohnung aufhält oder zu Besuch kommt. Smarte Schlösser geben Hinweise darauf, wann eine Tür geöffnet wurde. Und Tracker wie der AirTag von Apple machen Bewegungsabläufe im Internet transparent." Pöting sagt, gerade für Sozialarbeiter ist es schwer, hier technisch Schritt zu halten. Sarah Schulze, Landesbeauftragte für Frauen- und Gleichstellungspolitik, begrüßt aus diesem Grund das Landesprojekt: "Obwohl digitale Gewalt heute omnipräsent ist, sind viele Phänomene im Netz weiterhin nahezu unbekannt. Hier setzt das Modellprojekt an, indem dringend notwendiges technisches Know-How bereitgestellt wird."

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 24. Januar 2024 | 19:00 Uhr

7 Kommentare

Ines W. vor 13 Wochen

Ja, auch die Kontrollfreaks gehen mit der Zeit und nutzen die aktuelle Technik. Man kann da nur jedem raten, dass er / sie 'Herr' über die eigenen Zugangsdaten bleibt. War es früher auffällig und mühselig Briefe abzufangen, so kann sich heute jeder weltweit mit den passenden Daten in die Postfächer seines Partners einlogen.

Anuk vor 13 Wochen

Warum sollte ich Betroffenen etwas raten?
Aber wenn sie es genau wissen wollen, dann rate ich dazu in so einem Fall Kennwörter zu ändern, Rücksetzoptionen neu zu definieren und wenn ich den Verdacht habe dass mein Partner auf meinem Handy eine Spy-App installiert habe, dieses komplett auf Werkseinstellungen zurück zu setzen.

Man sollte sicherlich nicht ein Kennwort für alle Bereiche des elektronischen Lebens verwenden. Wenn der Partner meint die gemeinsame Wohnung in einen BigBrother container verwandeln zu müssen, dann hätte ich da sicher auch ein Wörtchen mit zu reden. Letztendlich lässt sich auch jedes Gerät ausschalten.

Ach ja man sollte selbst gewisse Grundkompetenzen im Umgang mit Alltagselektronik besitzen, so dass man nicht immer auf die Hilfe anderer bei der Einrichtung angewiesen ist.

Anuk vor 13 Wochen

Entschuldigung, aber sie verwenden Begrifflichkeiten hier völlig falsch und erzählen folglich einen Blödsinn!

Digitalisierung der Gesellschaft bedeutet, dass Vorgänge die vorher analog vorgenommen und die Anwesenheit einer Person benötigt haben nun digital durchgeführt werden können. Man könnte auch sagen, dass man statt mit dem Personalausweis aufs Amt zu müssen man den Vorgang nun auch zu Hause rechtssicher erledigen kann.

Im Artikel geht es um etwas ganz anderes:
Übergriffiges Verhalten von Partnern die dank elektronischer Gadgets und bekannter Kennwörter unzulässig in die Privatshäre ihres Partners eindringen.
Wenn mir mein Freund heimlich einen Tracker auf dem Handy installiert oder einen Apple Air-Tag in der Handtasche versteckt, dann hat das nichts mit "Digitalisierung der Gesellschaft" zu tun.

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