Notunterkunft fuer Flüchtlinge.
Die Kommunen in Sachsen-Anhalt stoßen bei der Aufnahme von Flüchtlingen an ihre Kapazitätsgrenzen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Jochen Eckel

Nach Bund-Länder-Gipfel Kommunen fordern Pro-Kopf-Pauschale für Flüchtlinge

11. Mai 2023, 17:20 Uhr

Auf dem Flüchtlingsgipfel haben Bund und Länder beschlossen, dass die Länder eine Milliarde Euro zusätzlich für die Unterbringung von Flüchtlingen bekommen sollen. Nach Ansicht der Kommunen in Sachsen-Anhalt reicht das nicht. Sie fordern eine Pro-Kopf-Pauschale. Ähnlich äußerte sich auch Ministerpräsident Haseloff. Die Opposition fordert ein generelles Umdenken in der Flüchtlingspolitik.

Nach dem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch in Berlin haben sich Kommunen in Sachsen-Anhalt enttäuscht gezeigt. Der Landrat des Harzkreises, Thomas Balcerowski (CDU), sprach von einem "Reinfall". Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT sagte Balcerowski, 27 Millionen Euro mehr für das Land für die Flüchtlingsunterbringung seien ein "Tropfen auf den heißen Stein". Es brauche finanzielle und logistische Unterstützung, aber auch Hilfe bei der sozialen Betreuung Geflüchteter, zum Beispiel Deutsch-Lehrer.

Kommunen am Limit

Balcerowski fordert einen grundsätzlich neuen Ansatz in der Flüchtlingspolitik. Die Einwanderung müsse begrenzt werden. Man sei am Rande der Kapazitäten. Die Geflüchteten könnten gerade noch untergebracht und versorgt werden. Von Integration, etwa auf dem Arbeitsmarkt, sei gar nicht mehr die Rede. Einerseits habe man ein Fachkräfteproblem und andererseits Menschen, die nicht arbeiten dürften. Das sei ein Systemfehler.

Auch die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZASt) in Halberstadt ist laut Balcerowski mit einer Belegung von 2.000 Personen zu Jahresbeginn am Limit. Die zweite Aufnahmestelle des Landes in Stendal müsse schneller kommen. Damit könne man "etwas Druck vom Kessel in Halberstadt nehmen". Bislang ist geplant, die ZASt in Stendal im kommenden Jahr in Betrieb zu nehmen. Balcerowski sagte dazu: "Wir arbeiten in Halberstadt mit Provisorien, warum sollte das nicht auch in Stendal möglich sein?"

Wir sind im Krisenmodus und im Krisenmodus muss man auch Ausnahmen machen können.

Thomas Balcerowski, CDU Landrat im Landkreis Harz

Pro-Kopf-Pauschale gefordert

Kritik kam auch aus dem Kreis Mansfeld-Südharz. Landrat André Schröder (CDU) erklärte, der Gipfel habe wieder keine dauerhafte Finanzierungslösung für die Kommunen gebracht. Der Bund trage die politische Verantwortung für seine Migrationspolitik, das Finanzierungsrisiko für die Daueraufgabe "Integration" trage weiterhin maßgeblich der verschuldete Landkreis. Schröder forderte fest zugesagte und auskömmliche Pro-Kopf-Pauschalen für Flüchtlinge und die Begrenzung irregulärer Zuwanderung. Nur das könne den Kollaps kommunaler Infrastrukturen noch abwenden.

Auch Götz Ulrich (CDU), Landrat im Burgenlandkreis, betonte die Vorteile einer Kopf-Pauschale. Der Vorteil sei, dass die Mittel nach der tatsächlich Belastung der jeweiligen Stadt oder des Landkreises ausgegeben werden können. Auf kommunaler Ebene sei es wichtig, dass möglichst viel der Mittel dort ankomme, wo es gebraucht werde.

Eine Milliarde Euro für die Länder

Beim Flüchtlingsgipfel in Berlin hatte es keine Grundsatzentscheidung zu einer dauerhaften Finanzierung gegeben. Die Länder sollen aber in diesem Jahr zusätzlich eine Milliarde Euro bekommen, um die Unterbringung von Flüchtlingen zu finanzieren. Außerdem soll die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorangebracht werden. Auch Maßnahmen für beschleunigte Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen wurden vereinbart.

Haseloff: Ergebnisse des Gipfels ein "erster Schritt"

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht in den Ergebnissen des Gipfels nur einen ersten Schritt. Er sei froh, dass die Länder nun eine Milliarde Euro zusätzlich für die Kommunen bekämen, sagte er dem MDR. Für Sachsen-Anhalt bedeute das ein Plus von knapp 30 Millionen Euro. Der Betrag reiche aber nicht, um die Belastungen abzudecken.

Nötig sei ein Systemwechsel mit einem Festbetrag pro Person, die nach Deutschland komme, so Haseloff. Man müsse aber auch die Wurzeln des Problems angehen, wie die Schengen-Grenzen zu sichern und die Migration zu begrenzen. Auch bei Rückführungen müsse mehr getan werden. Ziel der Länder bleibe ein Mitfinanzierungssystem des Bundes, das dauerhaft und automatisch an die tatsächliche Zahl der Asylbewerber angepasst wird.

Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt 6 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Opposition: Brauchen dauerhafte Finanzierung

Aus der Opposition kommt Kritik. Ulrich Siegmund, Co-Vorsitzender der AfD-Fraktion, sagte zum Thema Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung, das Geld würde "unseren eigenen Leuten" fehlen. Siegmund sagte, das seien Größenordnungen, die die Gesellschaft nicht mehr stemmen könne und wolle. Man müsse die Prioritäten jetzt auf das eigene Land lenken.

Die Linke fordert ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion im Landtag, Henriette Quade, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es brauche eine dauerhaft stabile Finanzierung für Infrastruktur- und Integrationskosten. Diese seien durch den Bund zu tragen. Da helfe die jetzt versprochene Milliarde Euro wenig.

Ähnlich äußerten sich die Grünen. Eigentlich hätte man sich schon jetzt über die weitere Finanzierung einigen müssen, sagte Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Den Streit nun monatelang weiterzuziehen, bedeute auch, es werde permanent Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen gekippt.

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MDR (Roland Jäger, Marcel Knop-Schieback, Fabienne von der Eltz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Mai 2023 | 05:00 Uhr

3 Kommentare

Thommi Tulpe vor 50 Wochen

"Im Jahr 2022 beantragten 244.132 Menschen Asyl in Deutschland. Im laufenden Jahr 2023 sind es bislang 110.516 Asylanträge." (Quelle: Google)
Rainer. Selbst wenn man sämtliche 244.132 Asylanträge abgelehnt, alle 244.132 dieser Menschen abgeschoben hätte - 2022 kamen über eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, welche niemand abschiebt.
Laut "Pro Asyl" werden eh lediglich ein Prozent der Asylanträge abgelehnt.
Angesichts dieser Zahlen halt ich die ganze Diskussion über Zuzugsbegrenzung und Rückführung für blanke Rhetorik, die bestehende Probleme sehr sicher auch nicht lösen wird.

Haller vor 50 Wochen

Wir könnten die Haltung der Linksaußen klären.
Wie soll die Inklusion von 98 % MiHIGru in Schulen funktionieren?
Da müssen die Neubürger sich nicht anpassen.
Wenn hingegen nur ein MiHIGru pro Klasse mithin rund 3 % MiHIGru ist dieser gefordert sich klassisch zu integrieren (in Neusprech Inklusion) da könnte real eine Integration ohne Parallelgesellschaft funktionieren.

Thommi Tulpe vor 50 Wochen

Lol. Die Haltung der Rechtsaußen gegen alles scheinbar Fremde lässt sich aus deren Ideologie ableiten, welche ja nicht nur alles Fremde, sondern auch Widerspruch/ Widerstand "Einheimischer" ablehnt und ausgrenzt.
Hm ... Auch ich habe keine Lösung für dieses Problem. Ich frage mich, wie man mit mehr Geld immer mehr Flüchtlinge unterbringen soll, wenn "einfach" keine Unterbringungskapazitäten mehr vorhanden sind. Es fehlt seit Jahrzehnten ja nicht "nur" an Wohnraum für "Zugezogene", was aber keineswegs den Flüchtlingen anzulasten ist.
Wenn man (wie immer, wie immer scheinbar einig mit den Rechtsaußen) wieder fordert, den Zuzug zu begrenzen, würde ich fordern, dass man diesen Zuzug nicht nur bei Kriegsflüchtlingen aus z. B. Syrien und dem Jemen, nicht nur bei sogenannten Klima- und Wirtschaftsflüchtlingen begrenzt. Eine Begrenzung sollte meiner Meinung nach dann "gerechterweise" in JEDER Flüchtlingsgruppe erfolgen. Aber das erläuterte ich bereits gestern ausgiebig.

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