Auf einem Bildschirm ist das Wort «Schüler*innen» zu sehen.
Künftig an Sachsen-Anhalts Schulen verboten: Gendern mit Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich. Bildrechte: picture alliance/dpa

Bildungsministerium Lob und Kritik für Verbot von Gendern mit Sonderzeichen an Schulen

16. August 2023, 12:03 Uhr

Dass in Sachsen-Anhalts Schulen nicht mehr mit Sonderzeichen gegendert werden darf, sorgt für Lob und Kritik. Die SPD sieht falsche Prioritäten gesetzt. Die FDP ruft zur Gelassenheit auf. Die Grünen kritisieren die Entscheidung des Bildungsministeriums. Das wiederum verweist auf die Regeln deutscher Rechtschreibung. Und die Bildungsministerin? Kann die Aufregung nur bedingt nachvollziehen.

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Die Entscheidung des Bildungsministeriums in Sachsen-Anhalt, das Gendern mit Sonderzeichen an Schulen zu verbieten, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst – auch in der Regierungskoalition. Die SPD etwa kritisierte das Haus von Ministerin Eva Feußner (CDU) für die Entscheidung. Die Landtagsfraktion der Sozialdemokraten twitterte, vor dem Hintergrund von Unterrichtsausfall und Lehrermangel sei das die "falsche Prioritätensetzung".

Der kleinste Koalitionspartner rief dagegen zur Gelassenheit auf. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jörg Bernstein, erklärte, die Entscheidung sei kein Grund zur Aufregung oder einen Kulturkampf auszurufen, wie es die Grünen täten. Das Ministerium habe klargestellt, dass an den Schulen die Regeln der deutschen Rechtschreibung gelten. Außerdem seien Lehrerinnen und Lehrer angewiesen worden, bei der Bewertung von Texten in gegenderter Sprache mit Augenmaß vorzugehen.

Die Landtagsfraktion der Grünen hatte die Entscheidung zuvor scharf kritisiert. Die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Susan Sziborra-Seidlitz, sagte, die meisten Schülerinnen und Schüler würden im Erwachsenenleben mit den Anforderungen oder Empfehlungen zu geschlechtergerechter Sprache konfrontiert. Deshalb sei es unerlässlich, dass Kinder schon in der Schule den Gebrauch und die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache kennenlernten.

Scharfe Kritik von den Grünen

Sziborra-Seidlitz kritisiert zudem, dass sich das Bildungsministerium ohne Not in einem Kulturkampf verrenne. Das Verbot führe zu unnötiger Konfrontation und Spaltung. Feußner solle sich stattdessen auf die ohnehin großen Aufgaben in ihrem Haus wie die Bekämpfung des anhaltenden Lehrkräftemangels konzentrieren.

Figuren mit jeweils einer Hose, einem Kleid und sowohl Hose als auch Kleid. Ein Finger berührt ein im Bild platziertes Gendersternchen. Zusätzlich der Animationstitel: Die Formen des Genderns. 2 min
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2 min

Liebe Leser...oder besser: Liebe Leserinnen und Leser...oder vielleicht: Liebe Lesende? Und was ist mit: Liebe Leser*innen? Wir geben einen kurzen Überblick über die verschiedenen Formen des Genderns.

Fr 19.11.2021 10:10Uhr 01:38 min

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Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) sagte am Mittwoch, sie verstehe die ganze Aufregung nicht. Sie beziehe sich auf die Entscheidung des Rats für deutsche Rechtschreibung, die Sonderzeichen nicht in das Regelwerk aufzunehmen. "Und wenn wir uns in Deutschland ein Regelwerk geben in Form eines Dudens, dann ist das natürlich auch verbindlich für die Schulen." Nur darauf habe sie hingewiesen, übrigens ganz am Ende eines fünfseitigen Schreibens an die Schulleiter.

Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.

Eva Feußner, CDU Bildungsministerin

Regel gilt für Unterricht und offizielle Schreiben

Das Bildungsministerium hatte MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag auf Nachfrage bestätigt, dass das Gendern mit Sonderzeichen an Schulen künftig verboten ist. Zuerst hatte die Mitteldeutsche Zeitung (€) darüber berichtet. Das Verbot bezieht sich den Angaben zufolge auf alle Konstruktionen mit Doppelpunkt, Sternchen beziehungsweise Asterisk ("Gender-Stern") und Unterstrich ("Gender-Gap") sowie andere Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wort-Inneren. Formen wie "Bäcker*in", "Lehrer:in" und "Sportler_in" dürfen demnach nicht genutzt werden und werden als Normverstöße gewertet. Das gelte für den Unterricht und offizielle Schreiben der Schulen.

Doppelnennungen wie zum Beispiel "Schülerinnen und Schüler" sind – obwohl sie ebenfalls eine Variante des Genderns sind – nicht von dem Verbot betroffen. Das Gleiche gilt für die Verwendung von neutralen Begriffen wie "Lehrkraft" oder "Lehrperson", die einen weiteren Stil des Genderns darstellt.

Das Verbot gilt auch nicht für Unterrichtsmaterialien, wie das Ministerium am Mittwoch auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT erklärte: "Lernmaterialien anderer Institutionen liegen nicht im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Materialien nicht im Unterricht verwendet werden dürfen." Es bestünden keine inhaltlichen Fehler, sondern nur ein Abweichen von der derzeit gültigen Rechtschreibnorm, so das Ministerium weiter.

Bildungsministerium befürchtet Grammatikprobleme

Wie ein Sprecher des Bildungsministeriums mitteilte, folgt das Ministerium mit seiner Entscheidung einem Beschluss des Rats der deutschen Rechtschreibung. Darin habe dieser klargestellt, dass die Verwendung von Sonderzeichen im Wort-Inneren zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten weiterhin nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehöre und damit nicht den aktuellen Festlegungen des amtlichen Regelwerks entspreche.

Die Setzung solcher Sonderzeichen mit Geschlechterbezug könne zudem zu Grammatikproblemen führen, etwa bei der Verwendung von Artikeln oder Pronomen. In der Praxis müsse bei der Bewertung von Schülertexten aber der Gesamtkontext betrachtet werden.

Bewertung bei Gendern: Lehrer müssen entscheiden

Die Bewertungshinweise zur schriftlichen Abiturprüfung im Fach Deutsch sehen demnach zum Beispiel anstelle einer Einzelbetrachtung vor, dass nur bei schwerwiegenden und gehäuften Verstößen bis zu zwei Notenpunkten von der Gesamtleistung abgezogen werden. Bei der Korrektur empfiehlt das Ministerium, die entsprechenden Formen zu kennzeichnen. Ob das Nutzen von Gendersprache geahndet wird, müssten die Lehrer aber selbst abwägen.

MDR (Annekathrin Queck, Mario Köhne) | zuerst veröffentlicht am 15. August 2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. August 2023 | 09:00 Uhr

533 Kommentare

Anita L. vor 36 Wochen

Langsam, aber sicher zeigen sich die wirklichen Ursachen, warum einige so sehr gegen die konsequente Gendergerechtigkeit in der Sprache sind. Es geht ihnen in erster Linie eigentlich gar nicht um unsere "schöne" Sprache, sondern dies dient ihnen nur als Vorwand. Das eigentliche Problem steckt in der fehlenden Toleranz für Gendergerechtigkeit außerhalb ihres binären Männlich-weiblich-Denken.
Und während niemand durch ein Gebot zum Gendern gezwungen ist, wünschen sie sich dennoch ein Verbot. Und damit hoffen sie, das Thema aus dem Alltag verschwinden zu lassen.

hinter-dem-Regenbogen vor 36 Wochen

@Denkeschnecke

Gut geschwurbelt ist nicht gelogen. Insofern hat niemand hier das Zeug, meine Ausführungen als Lüge zu bezichtigen, geschweige denn, einen anderen Hintergrund zu benennen, anders als den der "Umerziehung".

Interessanter werden meine Überlegungen, wenn man sich damit auseinandersetzt, , wer denn unbedingt in diesem Land eine "neue" Sprache als Ausgang eines neuen gesellschaftlichen Denkens inplantieren möchte. Intelligenz jedenfalls steckt nicht dahinter. Konflikte am laufenden Band zu generieren, deuten vielmehr auf Kampfes- und Übernahmewille hin. Gerechtigkeit in dieser Szenerie, dient nebenher doch nur dem Alibi.

DER Beobachter vor 36 Wochen

Ralf Meier, bei der Gelegenheit passt es auch bei dem DLF-Artikel (ich schätze den DLF sehr) zum Bildungsmangel, dass sich zu dem Sachverhalt ausgerechnet eine Studentin vom RCDS äußerte, die wie viele RCDSler offenbar über recht wenig klassisch-konservative Bildung verfügt (auch wenn der RCDS für sich beansprucht, konservativ und konservativer als die Union zu sein) und zudem offenbar auch Sprachkompetenz beherrscht (was soll denn so alberne Kritik an zwar geschlechtsneutraler, aber dennoch normgerechter Sprache?).

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