Ein Duden liegt auf einem Tisch.
Am Freitag tagt der Rat der deutschen Rechtschreibung. Dann geht es auch um den Umgang mit dem Gendern. Bildrechte: IMAGO / Bihlmayerfotografie

Sprache Sachsens Studenten kritisieren Genderverbot - Rat für Rechtschreibung tagt am Freitag

14. Juli 2023, 10:44 Uhr

Sachsens Studenten befürchten, dass das Genderverbot des Kultusministeriums den Lehrermangel im Freistaat verschärft. Das Ministerium beruft sich auf den Rat für deutsche Rechtschreibung. Dieser tagt am Freitag. Sachsen ist nicht das einzige Bundesland mit einem Genderverbot. Andere mitteldeutsche Länder halten sich zurück.

Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) befürchtet als Folge des Genderverbots an Schulen des Freistaates eine Abwanderung von Personal. "Vielen Lehramtsstudierenden ist es wichtig, in ihrem Unterricht die Vielfalt von Geschlecht angemessen abzubilden", erklärte KSS-Referentin Nathalie Bock am Donnerstag in Leipzig. Sie würden dann in anderen Bundesländern ihren Schuldienst antreten und nicht in Sachsen.

Das sächsische Kultusministerium hatte am Dienstag bekräftigt, dass an Schulen keine Genderzeichen erlaubt sind. Dieses Verbot würde auch die Kooperationspartner im Bildungswesen betreffen. Dabei beruft man sich auf die aktuellen Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung.

"Sachsen als Standort für Lehrernachwuchs unattraktiver"

KSS-Sprecher Ludwig Firkert sagte MDR SACHSEN, er sei "verärgert, dass das Kultusministerium rigide versucht, Sachen vorzuschreiben oder zu verbieten". Er glaubt, dass dadurch "Sachsen als Standort für Lehrernachwuchs unattraktiver wird". KSS-Referentin Fay Uhlmann sieht durch das Genderverbot nicht-binäre Schülerinnen und Schüler diskriminiert. Nicht-Binär ist eine Bezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren. Auch Lehramtsstudent Firkert stößt sich daran, dass das "dritte Geschlecht in der jetzigen Sprachregelung nicht genannt wird, das Thema ist einfach gesellschaftlich relevant, auch über Schulen und Unis hinaus".

Ludwig Firkert, Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS)
Lehramtsstudent und Studentensprecher Ludwig Firkert ärgert sich über die seiner Meinung nach rigide Haltung des sächsischen Kultusministeriums. Bildrechte: Ludwig Firkert

Das Kultusministerium hatte bereits vor zwei Jahren in einer Mitteilung an die Schulen verfügt, dass für offizielle Schreiben, Briefe an Eltern und Unterrichtsmaterialien das amtliche Regelwerk des Rats der deutschen Rechtschreibung gelte und Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache tabu seien. Sie sollen etwa in Aufsätzen auch als Fehler markiert werden. Dagegen werden Paarformen wie Schülerinnen und Schüler und geschlechtsneutrale Formen wie Lehrkräfte oder Jugendliche empfohlen. Ziel sei eine für alle verständliche Sprache, hieß es. Das Ministerium beruft sich auf das Regelwerk des Rates für deutsche Rechtschreibung.

Bisher lehnte der Rat für deutsche Rechtschreibung Genderzeichen ab

Dieser tagt am Freitag. Der Rat wird dort auch aktuelle Fragen zum Gendern beantworten. Bislang lehnt der 2004 gegründete Rechtschreibrat Gendersterne oder einen Doppelpunkt im Wortinneren als "aus orthographischer Perspektive problematisch" ab. In einem "Tagesspiegel"-lnterview vom Donnerstag sprach Sabine Krome, die Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung, von "Alternativstrategien zu den verkürzenden Zeichen". Krome nannte dabei als brauchbare Wörter Publikum, Lehrkräfte oder Studierende. Gendern sei nicht gleich Gendern. Zuletzt hatte der Rat 2021 und 2018 amtliche Empfehlungen veröffentlicht.

Auch Schleswig-Holstein gegen das Gendern an Schulen

Neben Sachsen hat sich auch Schleswig-Holstein gegen das Gendern in Schulen mit Zeichen wie dem Binnen-I, zum Beispiel LehrerInnen, ausgesprochen. In Ländern wie Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Bayern gibt es kein offizielles Verbot. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter möchte "Toleranz". Wenn Schüler gendern, sollten ihnen keine Nachteile entstehen. Das Ministerium schrieb MDR SACHSEN, dass Gendern "in unserer Wahrnehmung derzeit keine herausgehobene Rolle" spiele.

Für die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) maßgeblich sind nach Aussagen von Pressesprecher Torsten Heil ebenfalls die Empfehlungen des Rates für deutschen Rechtschreibung.

Welche Formen des Genderns gibt es? - Beidnennung: Beide Geschlechter werden genannt. Zum Beispiel Lehrer oder Lehrerinnen.
- Neutralisierung: Die männliche Form wird durch geschleuchtsneutrale Formen, z.B. Lehrkraft, oder Substantivierung, z. B. Lehrende, ersetzt.
- Gender-Zeichen: Für die mehrgeschlechtliche Schreibweise wird zwischen männlicher Form und weiblicher Endung ein Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt ergänzt. Zum Beispiel Lehrer*innen. Quelle: Quarks.de

dpa/MDR (cke)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 14. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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