Familie mit drei kleinen Kindern auf einer Couch neben einem Weihnachtsbaum
Bei den Schubinskis in Görlitz kommt eine ganz besondere weihnachtliche Stimmung auf. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Weihnachtstraditionen Kein Fleisch an Heiligabend: Polnische Weihnachten in Görlitz

24. Dezember 2024, 11:07 Uhr

Die deutschen und polnischen Weihnachtstraditionen unterscheiden sich erheblich voneinander: In Polen gibt es traditionell kein Fleisch an Heiligabend, zwölf Gänge und ein Platz am Tisch bleibt frei. Der Görlitzer Manuel Schubinski ist Deutscher, seine Frau Małgorzata Polin. Sein erstes Weihnachten bei ihrer Familie war aufregend für ihn, besonders ein bestimmtes Ritual. Und auch Małgorzata lernte in Deutschland neue Weihnachtstraditionen kennen.

Es weihnachtet schon sehr am vierten Advent bei den Schubinskis aus Görlitz: Der Weihnachtsbaum ist geschmückt und auf dem Tisch steht ein Adventskranz mit vier Kerzen. Man stimmt sich schon mal ein auf den Heiligabend und die Feiertage.

Die Adventszeit ist bei den beiden eher von deutschen Traditionen geprägt. "Adventskränze kannte ich nicht aus Polen", erzählt Małgorzata Schubinski, die aus der Nähe von Zamość in Südostpolen kommt. Sie sind in Polen - so wie auch Adventskalender - viel weniger verbreitet und bekannt als in Deutschland.

Typisch deutsch: Plätzchenbacken

Die Schubinskis sind praktizierende Katholiken, ihnen gefällt die Tradition: "Die Kinder wissen genau, je mehr Kerzen angezündet werden, desto näher ist der Herr", sagt die Mutter von drei Kindern. Auch das Plätzchenbacken in der Adventszeit sei für sie deutsch. Das mache zwar viel Arbeit, aber weil es den Kindern so viel Spaß macht, wolle sie es ihnen auch nicht ganz vorenthalten.

Ab dem Heiligabend dominieren bei der Familie dann die polnischen Traditionen. "Ich komme eigentlich aus einer Familie ohne Glaubenshintergrund. Da gab es ganz klassisch Kartoffelsalat und Wiener und eher das Nötigste", erzählt Manuel Schubinski. "Die polnischen Traditionen waren für mich eine große Bereicherung."

An sein erstes Weihnachten bei der Familie seiner Frau in Polen denkt er noch gerne zurück: "Das war war schon sehr spannend: Es war so viel los und es gab viel Essen und einen festgelegten Ablauf", erzählt der 32-Jährige.

Zwölf Gänge und kein Fleisch

In Polen gibt es an Heiligabend kein Fleisch. "Man bereitet Gerichte zu mit Fisch oder zum Beispiel roten Barszcz" - eine Suppe mit Roter Beete - "mit Teigtaschen", erzählt Małgorzata Schubinski. Dafür wird aufgetischt, bis sich die Tischplatte biegt: Zwölf Gänge gibt es traditionell. "Die symbolisieren die Zahl der Apostel Jesu", erklärt die Übersetzerin in Elternzeit.

Die Schubinskis nehmen es mit der Anzahl der Gänge aber nicht so genau. "Meine Mama hat sich viel Mühe gegeben mit dem Kochen. Aber das hat auch viel Stress bedeutet. Wir sind dieses Jahr alleine, haben drei Kinder und ich möchte mich nicht vier Stunden in die Küche stellen und kochen", sagt die 32-Jährige.

Ihr Mann und die Kinder würden sich aus Fisch und den traditionellen polnischen vegetarischen Gerichten sowieso nicht so viel machen. Fleisch gebe es erst an den Weihnachtsfeiertagen. "Da blüht dann mein Herz auf, wenn es Pierogi mit Fleisch gibt", sagt Manuel Schubinski und lacht.

Ein Platz bleibt frei

An Heiligabend bleibt in Polen bei vielen Familien ein Platz frei für einen unerwarteten Gast. "Viele sagen, dass der Platz an die Personen erinnern soll, die nicht mehr da sind, die verstorben sind aus der Familie, dass man an sie denkt", sagt Małgorzata Schubinski.

Außerdem wird in Polen an Heiligabend feierlich eine Oblate geteilt. "Die kauft man vorher, sie wird gesegnet und im Kreise der Familie wünscht man sich alles Gute, jeder bricht ein Stück ab und das wird gegessen." Diese Tradition sei die vielleicht wichtigste, sagt Małgorzata, "weil man sich vorher besinnen und in sein Herz schauen muss."

Wünsche für jeden am Tisch

Manuel Schubinski erinnert sich noch gut daran, wie er dieses Ritual zum ersten Mal bei der Familie seiner Frau miterlebt hat: "Ich war sehr aufgeregt damals. Es gab ein gemeinsames Gebet. Alle standen am Tisch. Und dann wird die Oblate geteilt. Damals konnte ich noch gar nicht so gut Polnisch. Da musste ich mir dann überlegen, was wünsche ich denn jetzt jedem hier am Tisch", sagt er und lacht.

Mehr zum Thema

Weihnachtsbaum in Schwarzenberg 30 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Das reich geschmückte Prager Jesukind. 30 min
Das reich geschmückte Prager Jesukind. Bildrechte: MDR/PHOENIX/ARD-Studio Prag
30 min

Es wird Weihnachten im alten Prag. Wir begleiten die junge Familie Plachý durch die mit Vorbereitungen randvoll angefüllte Adventszeit - und lernen dabei die böhmischen Weihnachtstraditionen kennen.

MDR Dok So 12.12.2021 17:00Uhr 29:40 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

7 Kommentare

DER Beobachter vor 14 Wochen

Wobei ich an dieser Stelle richtigstellen möchte, dass der Santa Claus oder Weihnachtsmann keine Erfindung von Coca Cola ist, diese aber sehr schnell, seit rotweiß-Offsetdruck billig möglich war, das eben rotweiße Marktpotential für sich entdeckten...

Sergej vor 14 Wochen

Wenn Knecht Ruprecht und der heilige Nikolaus zum Weihnachtsmann fusionieren, kann das durchaus eine tolerante Veredlung sein. Woanders kommt das Christkind, Sinterklaas, Krampusse, Pelzmärtel, Väterchen Frost mit Enkelin Schneeflöckchen, Ayaz Ata, Papá Noel, Svatý Mikuláš, Olentzero und in Polen je nach Region Gwiazdor oder Święty Mikołaj. Und wenn der Rote mit einem Erfrischungsgetränk assoziiert wird, liegt das ja nicht an dieser Firma, sondern daran, dass Weihnachten mit seiner Historie und Geschichte der Religion und Gesellschaft nicht mehr so oft erzählt wird.

Sergej vor 14 Wochen

1945 wurden die Landesteile Niederschlesiens östlich der Oder-Neiße-Linie unter polnische Verwaltung gestellt, wobei die deutschsprachige Bevölkerung fast vollständig vertrieben wurde. Der kleine Teil westlich der Lausitzer Neiße, der allerdings – mit Ausnahme des Dorfes Pechern – historisch ein Teil der Oberlausitz war, nicht zum Kernland Niederschlesiens gehörte und diesem erst nach 1815 durch die preußische Verwaltungsreform angeschlossen wurde, gehört heute zu Sachsen und Brandenburg. Es handelt sich um das Gebiet um Görlitz, Hoyerswerda, Rothenburg, Weißwasser, Niesky, Ruhland und Ortrand (Niederschlesischer Oberlausitzkreis und Landkreis Oberspreewald-Lausitz). Seit 1999 gibt es eine polnische Woiwodschaft Niederschlesien, die teilweise mit dem historischen Niederschlesien übereinstimmt. Sofern sich der Fleischer an die Original-Rezeptur hält, ist die Görlitzer Wurst eine (nieder)schlesische.In Görlitz gibt es eine niederschlesische Wurstmanufaktor,die nach Rezept 1932 fertigt.

Mehr aus Görlitz, Weisswasser und Zittau

Mehr aus Sachsen