Ein Display mit der Aufschrift "bitte warten" und "bitte eintreten" hängt neben einer Tür zu einem Amtszimmer im Gerichtsgebäude in Moabit.
Die Dresdner Führerscheinstelle ist stark überlastet, was unter anderem auf den Pflichtumtausch alter Führerscheine liegt. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Bürokratie Warten in Ewigkeit: Stau in der Dresdner Führerscheinbehörde

11. Juni 2024, 12:42 Uhr

Einfach mal nach einem Verlust den Führerschein nachbestellen? Weit gefehlt. Was einfach anmutet, kann sich in Dresden gern auch ein halbes Jahr hinziehen. Im Januar dieses Jahres um einen Termin bemüht, steht die Autorin heute noch immer ohne eine neue Fahrerlaubnis da.

Das neue Jahr beginnt bekanntlich mit guten Vorsätzen. Und weil das Jahr 2024 jung und frisch ist, beschließe ich, die offenen Baustellen anzugehen. Erste Baustelle: Führerschein. Da mir mein Portemonnaie Ende November gestohlen wurde, muss ich alle Dokumente nachbestellen, natürlich auch die Fahrerlaubnis. Auf geht's.

Nix mit anrufen, nur Online-Termine möglich

Schnell wird klar: Ich brauche einen Termin, um in der Fahrerlaubnisbehörde aufzukreuzen. Dieser soll online gebucht werden. Natürlich, kein Problem. Beim Klicken muss ich das erste Mal schlucken: Den nächsten Termin gibt es am 17. März, heute ist der 10. Januar. Ich buche trotzdem, Abhaken ist das Motto des Jahres.

Fahrt an den Rand der Stadt

Zwei Monate Warten sind rum, es ist der 17. März. Ich habe kein eigenes Auto und nehme das Fahrrad. Die Fahrerlaubnisbehörde liegt am Rand der Stadt, laut Routenplaner sind es 38 Minuten. Auf der Fahrt peitscht mir der Regen entgegen. Ich bin langsamer als der Routenplaner. Langsam schwant mir, dass die Zeit knapp wird.

Frau zeigt ihren Führerschein
So glücklich wie diese Dame, würde MDR-Reporterin Katrin Tominski auch gern ihren Führerschein in den Händen halten. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Eine Nummer im Wartebereich

Nach einem Anruf lässt mich die nette Dame auch verspätet in den Wartebereich. Ein Bildschirm listet Nummern auf. Brauche ich jetzt auch eine Nummer? Nein, sagt der Infozettel. Eine Nummer brauchen nur die, die erstmalig ihren Führerschein beantragen. Ich werde aufgerufen und bin glücklich.

Das biometrische Passbild

Wo wurde Ihr Führerschein ausgestellt? Warum brauchen Sie einen neuen? Ich antworte brav und wiege mich kurz vor der Ziellinie. Ihren Personalausweis bitte! Natürlich. Und ein biometrisches Passbild bitte! Oh nein. Kann ich nicht das alte Foto nehmen? Nein, das geht nicht. Gibt es hier einen Passbild-Automaten? Leider nein. Meine Zuversicht schwindet. Sollte alles Warten vergebens gewesen sein?! Die Bearbeiterin scheint Mitleid zu haben. "Probieren Sie es im Kaufpark Nickern gleich um die Ecke, dort steht ein Automat."

Kein Automat mehr im Kaufpark-Nickern

Der Kaufpark Nickern ist mit dem Fahrrad nicht ganz um die Ecke und das Wetter immer noch schlecht. "Wir haben leider diesen Automaten nicht mehr", erfahre ich. Auch nicht in der Nähe. Jetzt heißt es Improvisieren. Vor einer weißen Wand mache ich ein Foto meiner selbst, schön frontal, ohne Brille und gut ausgeleuchtet. Ich lese das Foto im Automaten eines Elektronikmarktes ein, entwickle Passbilder und eile freudig wieder in die Führerscheinstelle.

KFZ - Zulassung / Führerscheinstelle (Hinweisschild)
Wer auf der Führerscheinstelle etwas erledigen muss, macht sich am besten eine Liste, damit es kein Weg umsonst wird. Bildrechte: IMAGO / Fotostand

Nächster Termin: 31. Mai

"Nein, die Fotos gehen auf keinen Fall", erklärt mir die Dame in der Führerscheinstelle und verweist auf die wechselnden Grau-Töne im Hintergrund. "Dann müssen Sie später wiederkommen." Ich verlasse den Raum mit hängenden Schultern und will einen neuen Termin vereinbaren. Ich scrolle auf meinem Handy: nächster Termin am 31. Mai. Unverrichteter Dinge radel ich nach Hause, wieder über 40 Minuten durch den Regen. Vier Stunden umsonst.

Knapp 1.200 Führerscheine warten in der Pipeline auf den Pflichtumtausch

Die Stadt Dresden erklärt auf Anfrage: "Die Situation rund um die gestiegenen Anforderungen insbesondere infolge des europaweit vorgeschriebenen Führerscheinpflichtumtausches stellt auch die Mitarbeitenden der Dresdner Fahrerlaubnisbehörde vor große Herausforderungen. Das bedingt zum einen eine längere Wartezeit bei der Terminvergabe, aber auch eine längere Bearbeitungszeit aller Antragsverfahren."

Verschiedene Führerscheine
In Dresden läuft aktuell das Verfahren zum Pflichtumtausch von 1.200 Führerscheinen. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / dpa | Oliver Berg

Es scheint sich also um ein größeres Problem zu handeln. Laut Stadt Dresden sind allein für den Pflichtumtausch noch knapp 1.200 Anträge abzuarbeiten. Insgesamt 2.700 Anträge per Post seien schon fertig bearbeitet.

Wartezeiten unbefriedigend

Die Stadt räumt ein: "Ungeachtet dessen sind die Verfahrens- und Wartezeiten auch für die Fahrerlaubnisbehörde unstrittig unbefriedigend. Die Mitarbeitenden versuchen, allen Aufgaben gerecht zu werden." Außerdem seien wegen des Fachkräftemangels manche Stellen "für längere Zeit unbesetzt". "Das stellt alle Bereiche in der Behörde vor große Herausforderungen", erklärt die Stadt.

Passbild-Automat nicht wirtschaftlich

Doch warum gibt es in der Führerscheinstelle keinen Passbild-Automaten, wenn diese doch dringend für jeden Antrag gebraucht werden? Auch dafür hat die Stadt eine Antwort: "Eine entsprechende Anschaffung wurde bereits vor einigen Jahren in Erwägung gezogen, letztlich jedoch mit dem Ergebnis abgelehnt, dass dies für die Stadt nicht wirtschaftlich ist." Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass solch ein Passbildautomat so teuer ist.

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MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE Di 12.03.2024 19:00Uhr 03:05 min

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Ab 2025 digitale Antragstellung möglich

Fast wirkt es, als habe die Stadt Verständnis. "Im Jahr 2025 soll mit der neuen Software die digitale Antragsbearbeitung möglich sein, so erscheint es derzeit noch weniger sinnvoll, einen Automaten anzuschaffen", heißt es. Zudem habe es den Automaten eines privaten Anbieters für biometrische Passbilder gegeben. Dieser sei jedoch "aktuell defekt".

Barrierefreiheit im Amt?

Ich frage mich - wie sieht es eigentlich mit der Barrierefreiheit für ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen aus? Man könne auch einen Termin per Telefon anfragen oder per Mail beantragen, erklärt die Stadt. Ich probiere es aus. Unter der angegebenen Rufnummer antwortet eine Computerstimme, ich solle online einen Termin buchen. Eine Anruf-Option gibt es nicht. Zack, ist der Anruf von der KI-Sprachsoftware der Behörde beendet.

100 E-Mails am Tag

Bleibt die Variante E-Mail für Senioren. Ob das für sie so einfach ist? Mein Opa jedenfalls hat noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse. Selbst wenn, es würde sich wahrscheinlich auch hinziehen. "Die Mitarbeiter erhalten über 100 E-Mails am Tag, welche zeitnah bearbeitet und beantwortet werden. Die Bürger werden telefonisch kontaktiert und es wird eine zeitnahe Terminvereinbarung vorgenommen", erklärt die Stadt.

Einfach hingehen? Warum ist das nicht möglich?

Warum muss ich eigentlich digital einen Termin vereinbaren, um dann einen analogen Antrag auszufüllen? Warum ist es nicht möglich, einfach hinzugehen und zu warten, wie früher? Bindet nicht das Terminmanagement so viel Zeit, dass Anträge längst bearbeitet sein könnten? "Der Fahrerlaubnisbehörde ist es bewusst, dass ein Terminvergabesystem und die gleichzeitige Bearbeitung von Terminanfragen per E-Mail und Hotline mehr Personal bindet", erklärt die Stadt. "Jedoch wiegen die Bürgerfreundlichkeit und der dringende Bedarf kurzfristiger Termine, ohne das vorhandene Personal weiter zu belasten, höher."

Online Terminvergabe der Stadtverwaltung Bonn
Wer auf die Führerscheinstelle in Dresden will, muss vorab einen Termin vereinbaren. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / photothek

Ich fasse zusammen: Um das Personal nicht zu sehr zu belasten, wird mit zusätzlichem Personal ein Terminvergabesystem auf drei Kanälen etabliert. Die Stadt Dresden versucht zu trösten: "Eine generelle Öffnung der Fahrerlaubnisbehörde ohne Termine ist derzeit nicht umsetzbar. Im Laufe dieses Jahres ist jedoch ein neues Terminvergabeprogramm geplant, [...], so dass wir davon ausgehen, die Terminvergabe zu optimieren." Meinen Führerschein habe ich jedoch immer noch nicht, noch nicht einmal der Antrag ist gestellt.

Nächster Versuch am 31. Mai

Es ist der 31. Mai, ich starte meinen nächsten Versuch. Ich gehe in das Bürgeramt in der Altstadt, um ein biometrisches Passbild zu machen. Es gibt dort einen Automaten, allerdings werden die digitalen Aufnahmen nur an die Pass- und Meldestelle weitergeleitet, die Führerscheinstelle ist als Option nicht angegeben. Ein Ausdruck ist nicht möglich. Das darf doch nicht wahr sein! Eine Drogerie erscheint als Retter in der Not. Dort machen Mitarbeiter biometrische Passbilder für acht Euro.

Antrag abgeschickt, warten auf Post

Wieder am anderen Ende der Stadt sitze ich im Büro einer Mitarbeiterin. Sie akzeptiert meine Fotos. Ich muss per eidesstattlicher Erklärung versichern, dass ich meinen Führerschein auch wirklich besitze, auch wenn ich ihn gerade nicht besitze (30 Euro). Dann wird endlich der Antrag unterschrieben (30 Euro).

"Möchten Sie Ihren neuen Führerschein nach Hause geschickt bekommen?" Natürlich möchte ich das. Bereitwillig investiere ich 5,71 Euro, damit die neue Fahrerlaubnis bei mir im Postkasten landet. Bis jetzt ist sie dort noch nicht angekommen. Aber es ist ja auch erst der 11. Juni.

MDR (lam)

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