Schulen Stadtrat in Dresden schützt Schulsekretärinnen vor Rückzahlung wegen Gehaltserhöhung
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21. November 2024, 21:45 Uhr
Im Sekretariat einer Schule laufen alle Fäden für Eltern, Lehrkräfte, Kinder und Schulleitung zusammen. Nun soll es für die Beschäftigten in den Dresdner Schulsekretariaten mehr Geld geben. Doch stattdessen bangte ein Viertel der Beschäftigten, Geld an die Stadt zurückzahlen zu müssen. Grund dafür sind tarifrechtliche Feinheiten. Nun hat der Stadtrat am 21. November 2024 gegen die Rückzahlung entschieden. Davon unabhängig fordern einige mehr Geld, als bislang von der Stadt vorgesehen.
- Beschäftigte in Schulsekretariaten hatten sich über eine Gehaltserhöhung gefreut. Die höhere Tarifstufe droht ihnen aber mit Einkommenseinbußen und Rückzahlungsforderung auf die Füße zu fallen.
- Betroffene denken über Klagen nach. Sie wollen wie Kolleginnen in Leipzig in die Entgeltgruppe 7.
- Die Schulsektretärinnen hoffen auf Unterstützung vom Stadtrat Ende November.
Wie mehrere Beschäftigte in Dresdner Schulsekretariaten MDR SACHSEN unabhängig voneinander erzählten, herrscht derzeit Unmut in Sachen Bezahlung. Während drei Viertel der zum Großteil weiblichen Beschäftigten im September eine Nachzahlung bekommen haben, musste das andere Viertel Einkommenseinbußen und Rückzahlungen an die Stadt fürchten. Ein Ratsbeschluss hat Ende November die Sorgen fürs erste beseitigt.
Aufgrund von Feinheiten im Tarifregelwerk, drohten etwa jeder Vierten durch eine Höhergruppierung Einbußen in Höhe zweistelliger Eurobeträge pro Monat. Dabei war das Ziel der Höhergruppierung eine Anerkennung der Stadt für hinzugekommene Aufgaben. Doch fürchten 45 Betroffene jeweils zwischen 1.000 bis 1.300 Euro an die Stadt zurückzahlen zu müssen.
Ein Viertel der Beschäftigten ist betroffen In den 148 kommunalen Dresdner Schulen arbeiten überwiegend Frauen. Wie die Stadt mitteilt, sind unter den rund 200 Beschäftigten aktuell sieben Männer und eine Person mit neutraler Geschlechtsidentität.
Große Enttäuschung und Wut
Eine Betroffene beschreibt ihre Lage mit deutlichen Worten: "Diese vermeintliche Höhergruppierung der Stadt finde ich eine Schweinerei. Es ist ein sehr beschissenes Gefühl, weil ich auf der einen Seite von der Stadt die Anerkennung bekomme, weil sich Aufgaben geändert haben. Auf der anderen Seite muss ich befürchten, dass die Stadt große Summen von mir zurückhaben möchte." Sie und zwei weitere Kolleginnen haben sich an MDR SACHSEN gewandt. Ihre Namen wollen alle drei aus Angst vor negativen Konsequenzen nicht veröffentlichen.
Mehr Aufgaben und Verantwortung
Darum geht's: Die Aufgaben in den Schulsekretariaten wurden laut Stadtverwaltung 2023 von einer Expertengruppe überprüft. Das Ergebnis: Die Schulsekretärinnen machen inzwischen weitaus mehr, als ursprünglich vereinbart. Daher wurde beschlossen, dass sie als "Sachbearbeiter Schulsekretariat" in die nächste Tarifgruppe aufsteigen - von der 5 in die 6 und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2023. Zunächst sei die Freude darüber groß gewesen, erinnert sich eine Betroffene. Doch die Freude währte nicht lange.
Einkommenseinbußen und Rückzahlungsforderungen
Der Umstand, dass die Betroffenen mit der höheren Tarifgruppe plötzlich weniger Geld in der Tasche haben sollen oder ihnen gar droht, der Stadt Geld zurückzahlen zu müssen, liegt an Besonderheiten im Tarifvertrag. De facto haben die Betroffenen mit einer Zulage und aufgrund ihrer Berufserfahrung Geld erhalten, das Ihnen in der neuen Tarifgruppe nicht zusteht.
Außertarifliche Zulage fällt weg
Wie aus die Stadt Dresden MDR SACHSEN mitteilt, falle mit dem Aufstieg in die nächste Entgeltgruppe eine außertarifliche Zulage weg. Bei Vollzeitbeschäftigten macht das 60 Euro weniger pro Monat. In der neuen Tarifstufe seien die Voraussetzungen für diese Zulage nicht mehr erfüllt. "Der Wegfall dieser Zulage schmälert das individuelle Plus aus der Höhergruppierung", erklärt die Stadt dazu MDR SACHSEN.
Berufserfahrung wird nicht anerkannt
Neben der Tarifgruppe wirkt sich die Berufserfahrung auf das Gehalt der Betroffenen aus. Gestaffelt nach Jahren gibt es innerhalb jeder Tarifgruppe bestimmte Stufen: Je mehr Berufserfahrung, desto höher die "Erfahrungsstufe", desto mehr Geld jeden Monat. Weil sich die Umsetzung der Höhergruppierung bereits seit Monaten hinzieht, sind einige Schulsekretärinnen aufgrund ihrer Berufserfahrung in eine höhere Stufe innerhalb der alten Tarifgruppe 5 aufgestiegen. Dafür haben sie mehr Geld bekommen.
Bei einer Höhergruppierung startet die Laufzeit der jeweiligen Erfahrungsstufe jedoch von vorn. Das bedeutet: Der Stufenaufstieg aufgrund der Berufserfahrung gilt in der höheren Tarifgruppe nicht und muss zurückgenommen werden. Eine Betroffene sagt: "Mir werden dadurch 20 Monate Berufserfahrung aberkannt."
Die Enttäuschung darüber scheint groß: "In meinem Verständnis sollte man bei einer höheren Tarifgruppe am Ende des Tages mehr in der Tasche haben, statt weniger", sagt eine Betroffene.
Erfahrungsstufe | E5 plus außertariflicher Zulage in € | E6 in € | monatlicher Vorteil in € |
---|---|---|---|
1 | 2928,99 + 60 = 2988,99 | 3042,04 | 53,05 |
2 | 3117,67 + 60 = 31,77,67 | 3236,55 | 58,88 |
3 | 3245,11 + 60 = 3305,11 | 3372,94 | 67,83 |
4 | 3380,06 + 60 = 3440,06 | 3372,94 | 76,83 |
5 | 3505,47 + 60 = 3565,47 | 3640,49 | 75,02 |
6 | 3570,28 + 60 = 3630,28 | 3708,02 | 77,74 |
Da die Höhergruppierung rückwirkend erfolgen soll und sich die Umsetzung mehr als anderthalb Jahre hingezogen hat, sind einige in der Erfahrungsstufe aufgestiegen. Zusätzlich zur Zulage wurde ihnen mehr Geld ausbezahlt, als ihnen aus derzeitiger tarifrechtlicher Sicht zustehen würde.
Verwaltung will Nachteile von Betroffenen abwenden
Laut Auskunft der Stadt wurde allen, die von der Höhergruppierung profitieren, mit der Entgeltabrechnung im September 2024 eine Nachzahlung ausgezahlt. "An jene, die durch die Höhergruppierung eine Rückzahlung leisten müssen, wurde vorerst keine Rückforderung gestellt." Das Haupt- und Personalamt hat den Betroffenen in Aussicht gestellt, Rückzahlungsforderungen verhindern zu wollen.
Die Verwaltung hat eigenen Angaben zufolge eine Vorlage für den Stadtrat erarbeitet, um mit einer sogenannten "Besitzstandszulage" Einkommensverluste zu vermeiden. Laut Bericht der "Dresdner Neuen Nachrichten" sollen Betroffene demnach so lange eine Zulage erhalten, bis ihr Gehalt das ursprünglich mit der Höhergruppierung angestrebte Niveau erreicht hat.
Was heißt denn Besitzstandswahrung? Werden die "Besitzstände" übernommen, bedeutet dies, dass vertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird, die bisherigen Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bzw. einer Arbeitnehmerin in einem neuen Beschäftigungsvertrag zu übernehmen.
Sollte der Stadtrat zustimmen, wird es keine Rückfragen seitens der Stadt Dresden geben.
Stadtratsbeschluss verhindert Rückzahlungen
Die Stadtverwaltung will Nachteile für die Beschäftigten vermeiden, kann das jedoch nicht allein entscheiden. Am 21. November hat der Dresdner Stadtrat mit großer Mehrheit der Vorlage der Stadt zugestimmt. Sie gewährt den 45 betroffenen Beschäftigten die außertarifliche Besitzstandszulage. Vor der Abstimmung hatte die Stadt dem MDR bereits mitgeteilt, dass es bei einer Zustimmung keine Rückforderungen seitens der Stadt Dresden geben werde.
Weitere Forderung: Schulsekretärinnen wollen mehr Geld
Von der Stadtratssitzung unabhängig fordern einige Beschäftigte in Dresdner Schulsekretariaten mehr Geld. Sie wollen einen Aufstieg um zwei Tarifgruppen in die Tarifgruppe 7 erwirken. Schließlich seien Kolleginnen in anderen Städten, wie etwa Leipzig, auch so eingruppiert. "Das Sekretariat einer Schule ist das Herz der Schule. Hier laufen alle Fäden zusammen", argumentiert eine Beschäftigte mit der Komplexität der Aufgaben.
Das Sekretariat einer Schule ist das Herz der Schule. Deswegen fordern wir für alle Schulsachbearbeiterinnen der Stadt Dresden die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7. Wir sind es wert.
Die Leiterin des zuständigen Amts hat in einem Personalbrief an die Schulsekretärinnen angekündigt, sich dafür einsetzen zu wollen. Die Stadt indes teilt MDR SACHSEN mit, dass die Einordung in die jetzige Tarifgruppe korrekt sei. Die Tätigkeit in einem Dresdner Schulsekretariat könne nicht mit der in einem Leipziger Schulsekretariat verglichen werden. "In der Landeshauptstadt Dresden ist die Aufgabenverteilung zwischen dem Amt für Schulen und den Schulsekretariaten anders organisiert", heißt es.
Schulsekretärinnen wollen eventuell vor Gericht ziehen
Einige Betroffene haben sich an die Gewerkschaft Verdi gewandt, weil sie darüber nachdenken, gegen die Stadt Dresden vorzugehen und die Eingruppierung in Tarifstufe 7 zu erwirken. Das bestätigte der Verdi-Bezirksgeschäftsführer, Daniel Herold, MDR SACHSEN. Demnach berate Verdi derzeit mehrere Schulsachbearbeiterinnen über Klage-Möglichkeiten.