Binden und Tampons auf einer Handfläche
Sollten Menstruationsartikel kostenlos sein? Bildrechte: MDR/Leonard Schubert

Kommunalpolitik und Menstruation Diskussion um kostenlose Menstruationsartikel in vielen Städten

16. Januar 2022, 13:24 Uhr

Seit vielen Jahren wird hitzig über zu teure Menstruationsartikel diskutiert. 2020 hat der Bundestag beschlossen, die Mehrwertsteuer dafür zu senken. Dresdens Stadtrat ging vor einem halben Jahr noch weiter und beschloss: Künftig soll es in öffentlichen Gebäuden und Schulen kostenlose Hygieneartikel für Menstruierende geben.

  • Viele Städte debattieren kostenfreie Menstruationsprodukte, in einigen gibt es sie zum Teil schon.
  • Wenn Frauen trotz Menstruation am Leben teilhaben sollen, brauchen sie Hygieneartikel.
  • Menstruationshygiene kostet jede Frau Hunderte Euro im Jahr.

Richard Kaniewski von der SPD erinnert sich noch gut an die Reaktionen, als der Antrag auf kostenlose Menstruationsartikel zum ersten Mal im Ausschuss des Dresdner Stadtrats diskutiert wurde. "Manchmal hat man auch im kommunalen Kontext das Gefühl, man redet nicht mit Erwachsenen, sondern befindet sich auf dem Schulhof." Verdruckstes Kichern, beschämte Blicke nach unten und kein Interesse, überhaupt darüber zu diskutieren.

Innerhalb der SPD sei das schon lange Thema gewesen. Inspiration gab zudem das Beispiel Schottland, wo Menstruationsprodukte seit 2020 kostenlos sind. Der deutsche Bundestag hatte im selben Jahr beschlossen, die Mehrwertsteuer auf solche Produkte von 19 auf 7 Prozent zu senken, "was aus unserer Sicht natürlich nicht ausreichend ist", sagt Kommunalpolitiker Kaniewski.

Kostenlose Menstruationsprodukte in vielen Städten Thema

Dresden wolle mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Umfrage von MDR AKTUELL ergab: Auch andere Städte stellen sich der Debatte. In Leipzig ist ein Antrag der Grünen gerade im Verfahren. In Magdeburg gibt es auf Anstoß der Linken seit Dezember kostenfreie Menstruationsartikel für ausgewählte Schulen. Auch in Halle soll ein Pilotprojekt an einer Schule starten. In Erfurt und Jena hingegen redet noch niemand darüber.

Die Debatte ist auch im Jahr 2022 schwierig, sagt der Dresdner SPD-Politiker Kaniewski. "In Parlamenten, auch wenn man sich die Zusammensetzung anguckt, wird vieles eben immer noch sehr stark aus einer männlichen Brille heraus diskutiert und entschieden. Da spielen solche Themen leider eine sehr untergeordnete Rolle." Auch die Reaktionen aus der Bevölkerung und die Diskussionen in den sozialen Netzwerken sind nicht alle wohlwollend, so Kaniewski.

So selbstverständlich wie Klopapier?

Übliche Argumente gegen kostenlose Menstruationsprodukte: Brillenträger müssten sich auch ihre Brillen selber kaufen und Hunger sei auch eine natürliche Funktionen des Körpers. Franka Frei hat zum Thema Menstruation geforscht. Sie kontert: Kurzsichtige und hungrige Männer brauchen im Unterschied zu kurzsichtigen und hungrigen Frauen am Ende eben immer noch keine Menstruationsartikel.

"Es geht in erster Linie darum, diese Produkte besser und unkomplizierter zur Verfügung zu stellen", so die Autorin und Journalistin Frei. "Denn man braucht sie einfach, um am Alltag und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das Thema ist sehr von gesellschaftlicher Scham aufgeladen. Keinen Tampon oder keine Binde zu haben, das kann einen richtig in Panik versetzen."

Wir stellen Klopapier zur Verfügung und reden da auch nicht lange drüber, ob das jetzt was kostet oder nicht.

Franka Frei, Journalistin und Autorin

Schule, Arbeit, Amtsgänge oder Kultur: Wenn Frauen trotz Menstruation am Leben teilhaben sollen, brauchen sie Hygieneartikel. Würden Tampons genauso selbstverständlich zu öffentlichen Toiletten gehören wie Klopapier und Seife, würde das dem Thema die Scham nehmen, so Frei.

Menstruationshygiene kostet jede Frau Hunderte Euro im Jahr

Auch die Ausgaben sind gerade für finanziell schwache Mädchen und Frauen erheblich. Im Schnitt kostet Menstruationshygiene pro Jahr um die 550 Euro. Diese sogenannte Perioden-Armut habe wohl auch einige im Stadtrat überzeugt, glaubt SPD-Sprecher Richard Kaniewski. "Wir haben einen Beschluss mit einer relativ knappen Mehrheit gehabt. Jetzt ist der spannende Punkt, wie die Stadtverwaltung den Beschluss umsetzt."

Je nach Umsetzung wird Dresden dann 250.000 bis 500.000 Euro pro Jahr in Menstruationsartikel investieren, die dann in öffentlichen Toiletten – also Rathäusern, Schulen oder Museen – ausliegen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. Januar 2022 | 06:00 Uhr

10 Kommentare

hilflos am 16.01.2022

Nun, das Ansinnen würde ich jetzt mal rein "grün" oder "links" sehen. Wieso werden Frauen bevorteilt? Männer können nichts dafür, dass sie keine Regel haben. Ist ein Ausgleich vorgesehen?

Maria A. am 16.01.2022

Da findet man endlich mal wieder einen kommentierbaren Beitrag und dann zu einem so unerquicklichen Thema. Ja, lieber MDR, ich weiß, dass die Schamgrenze gesunken ist. Aber es gibt noch viele Mitmenschen, durchaus auch viele weibliche, die trotz aller Natürlichkeit der Angelegenheit ein solch öffentliches Aufheben für überzogen halten. Etliche weibliche Generationen kamen klaglos damit klar, jahrzehntelang ihr Budget mit den dafür erforderlichen Einkäufen zu belasten. Sollte jetzt als Einwand kommen, dass engagierte Wesen herausgefunden haben, dass Menstruationsartikel heutzutage teuer sind - damals waren die Verdienste niedriger und so ging ein reichlicher Bedarf auch arg ins Geld. Zudem wird ein Teil "fruchtbarer" Frauen seit etlichen Jahren, was in meinen Dreißigern geradezu unvorstellbar war, dank einer gewissen Verhütungsmethode gar nicht mehr jeden Monat mit solchen Ausgaben konfrontiert. Aber egal, gut für die Nutznießerinnen, wenn ein Klagen auf hohem Niveau zu was führt.

Arbeitende Rentnerin am 16.01.2022

Vielleicht sollte die Angelegenheit bei der Grundsicherung mit einem kleinen Betrag berücksichtigt werden, ansonsten muss man nicht alles komplizierter machen als es ist, Generationen von Frauen sind zurechtgekommen. Viele Hilfsmittel für Schwerkranke/Behinderte werden auch nicht erstattet, auch wenn sie unausweichlich sind, das merkt man erst, wenn einer betroffen ist.

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