Naturschutz Waldzerstörung? - Naturschutzverein kritisiert Kahlschläge im Leipziger Auwald

19. August 2023, 09:00 Uhr

Der Leipziger Auwald ist einzigartig in Deutschland. Der Staatsbetrieb Sachsenforst und Stadtforsten Leipzig versuchen mit teils radikalen Methoden, den Wald zu verjüngen, um so auch auf den Klimawandel zu reagieren. Sie arbeiten dabei an längerfristigen Lösungen für den Auwald. Leipziger Naturschützer kritisieren das scharf. Ihrer Meinung nach werde dem sensiblen Auwald dadurch mehr geschadet, als dass es ihm nütze. Sie verlangen eine "grüne Lösung" für die grüne Lunge der Großstadt.

In der Leipziger Innenstadt ist es drückend heißt. Als Axel Schmoll und Johannes Hansmann vom Verein "Naturschutz und Kunst - lebendige Auen" (NuKLA) nach einigen Fahrtminuten den Leipziger Auwald betreten, treffen sie auf angenehme Kühle. Johannes Hansmann schaut lächelnd in die Wipfel von Eschen und Eichen: "Der Leipziger Auwald ist einer der größten in Deutschland vor allem in der Nähe zu einer Stadt. Die meisten Auwälder in dieser Größe und Form gibt es nicht mehr." Nach einigen Gehminuten erreichen die Naturschützer eine grüne Mauer aus Bäumen.

Was ist ein Auwald und was macht ihn so wertvoll? - Wenn ein Fluss regelmäßig über seine Ufer tritt, nennt sich die flussbegleitende Landschaft Aue. Je nach Entfernung vom Flussbett verändern sich der Einfluss von Grund- und Hochwasser und damit auch die Baum- und Pflanzenarten.
- Bei Auenwäldern handelt es sich um Wälder, die im Laufe des Jahres abwechselnd trockene und nasse "Füße" bekommen. Sie sind gesetzlich geschützte Biotope in Deutschland und Europa.
- Auenlandschaften filtern Sedimente und gelöste Stoffe, was das Grundwasser sauber hält. Sie können das Wasser zurückhalten und dienen als natürlicher Hochwasserschutz.
- Besonders für hoch spezialisierte Pflanzen und Tiere bieten Auen Platz zum Leben. Sie sind für einige bedrohte Tier- und Pflanzenarten letzter Rückzugsort und Lebensraum. Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Eine dichte, undurchdringbar wirkende Wand aus jungen Ahornbäumen tut sich vor Axel Schmoll und Johannes Hansmann auf. Das nennt sich "Mittelwaldumwandlung", sagt Axel Schmoll. "Dabei werden die meisten Bäume gefällt, wobei einige ältere Bäume stehen bleiben. Man schaut dann, was sich an neuen Bäumen ansiedelt." Er zeigt auf eine kniehohe Eiche. Die sollten Schmoll zufolge nach dem Willen des Staatsbetriebs Sachsenforst und des städtischen Forstbetriebs Stadtforsten hier im Leipziger Auwald wachsen, weil sie widerstandsfähiger und klimaresistenter seien.

Gewachsen sei stattdessen eine "Ahorn-Monokultur", sagt Schmoll und zeigt auf die Wand aus jungen Bäumen. "Das hat mit einem natürlichen Waldökosystem nichts zu tun. Das war hier ein sehr naturnaher Wald, den man durch die Mittelwaldumwandlung zerstört hat". Es handele sich um eine Experimentierfläche von 13 Hektar, von der aber nur etwa die Hälfte umgewandelt sei. "Durch die Klage der Grünen Liga gegen Stadtforsten im Jahr 2020 wurde immerhin erreicht, dass die weitere Umwandlung eingestellt wurde", erklärt Schmoll. Der Umweltverband hatte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen gegen die Stadt Leipzig wegen ihres Vorgehens im Auwald eingereicht.

Was macht den Leipziger Auwald so einzigartig?

  • Der Leipziger Auwaldwald liegt zum größten Teil auf Leipziger Stadtgebiet. Er gehört mit einer Fläche von circa 2.500 Hektar zu den größten erhaltenen Auwäldern Mitteleuropas.
  • Der Wald hat eine Ausdehnung in der Länge von rund 30 Kilometern und in der Breite zwischen zwei und fünf Kilometern.
  • Früher überfluteten die Weiße Elster und die Luppe regelmäßig den Auwald, bis der Wasserzufluss reguliert wurde.
  • Die flächenmäßig größten Waldbesitzer im Leipziger Auwald sind die Stadt und der Freistaat Sachsen.

Doch Schmoll zufolge ist bereits ein "ökologisches Desaster" angerichtet, weswegen der Naturschutzverein NuKLA den generellen Stopp solcher "Kahlschläge" verlangt. Stattdessen fordern die Naturschützer eine "grüne Lösung" für den Leipziger Auwald. Der Wald solle sich selbst überlassen und nur in Teilen schonend bewirtschaftet werden, schlägt Schmoll vor. NuKLA sieht sich auch durch das OVG-Urteil bestätigt, was eine generelle Verträglichkeitsprüfung vorschreibe, bevor stärker in den Wald eingegriffen werde. Doch welche Folgen hatte dieses Gerichtsurteil?

Vorwürfe abgelehnt: Stadt Leipzig sieht sich im Recht

Mit dem OVG-Urteil aus dem Jahr 2020 war der Beschwerde der Grünen Liga nur teilweise stattgegeben worden, verdeutlichte die Stadt Leipzig in einer damaligen Stellungnahme. Durch das Urteil ist es der Stadt weiterhin möglich, im Auwald Forstwirtschaft zu betreiben. "Im Ergebnis wird der grundlegende Ansatz der Stadt Leipzig, den Leipziger Stadtwald dauerhaft gerade auch mit den Mitteln der Forstwirtschaft zu erhalten, durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigt", sagte damals der Anwalt der Stadt, Marcus Lau.

Das heißt: Auch tiefergreifende forstwirtschaftliche Eingriffe, etwa das Fällen alter Bäume auch auf größeren Flächen, sind weiterhin ohne eine verpflichtende Prüfung zulässig. So steht es auch im aktuellen Forstwirtschaftsplan der Stadt Leipzig.

Naturschutzbund: Keine Kahlschläge sondern Landschaftspflege

Leipzig betont auf Anfrage von MDR SACHSEN, welche Grundlagen für die Forstwirtschaft im Leipziger Auwald wie für den gesamten Stadtwald Leipzig gelten: Der Wald dürfe insoweit bewirtschaftet werden, solange der Natur- und Klimaschutz sowie die Erholung für die Menschen im Auwald "ausreichend gewahrt wird". Grundlage dafür sei der Forstwirtschaftsplan. Der werde in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde und Naturschutzverbänden erarbeitet.

Es handelt sich nicht um Kahlschlag und Gewinnsucht, sondern um eine Waldbewirtschaftung, die im Leipziger Auwald auch als Landschaftspflege verstanden werden kann.

Naturschutzbund Regionalverband Leipzig

Für den Naturschutzbund (NABU) Leipzig ist die forstwirtschaftliche Nutzung des Auwaldes legitim. "Naturfreunde fragen den NABU, warum er sich nicht gegen "Kahlschlag" und die "Gewinnsucht" der Forstwirtschaft ausspricht. Es handelt sich jedoch nicht um Kahlschlag und Gewinnsucht, sondern um eine Waldbewirtschaftung, die im Leipziger Auwald auch als Landschaftspflege verstanden werden kann", heißt es dazu auf der Webseite des NABU Leipzig.

Sachsenforst ist zu Forstwirtschaft rechtlich verpflichtet

Der kritisierte Staatsbetrieb Sachsenforst bewirtschaftet nach eigenen Angaben im Leipziger Auwald im Bereich Nordwestaue eine Fläche von 650 Hektar. Hatte das OVG-Urteil Auswirkungen auf den Forstbetrieb auf den Sachsenforst-Flächen? Auf Anfrage von MDR SACHSEN teilt Sachsenforst mit: Es ging in dem Beschluss nur um Auwald-Areale der Stadt Leipzig. "Aus dem OVG-Beschluss ergab sich daher keine unmittelbare Notwendigkeit, mit ministeriellen Erlassen oder betrieblichen Verfügungen zur Staatswald-Bewirtschaftung zu reagieren." Kurz gesagt: Konsequenzen hatte das OVG-Urteil nicht.

Aus dem OVG-Beschluss ergab sich daher keine unmittelbare Notwendigkeit, mit ministeriellen Erlassen oder betrieblichen Verfügungen zur Staatswaldbewirtschaftung zu reagieren.

Staatsbetrieb Sachsenforst

Ob sich die Waldbewirtschaftung negativ auf den Auwald auswirkt, werde bereits berücksichtigt. Grundlage dafür ist der Managementplan für das Leipziger Auensystem. Sachsenforst folgt darin Verordnungen der Landesdirektion Sachsen, die Forstwirtschaft - und so auch Baumfällungen auf größeren Arealen - rechtlich regelt. Durch diese Verordnungen ist Sachsenforst nach eigenen Angaben verpflichtet, in den Auwald forstwirtschaftlich einzugreifen.

Leipziger Auwald auf Klimawandel vorbereiten

Sachsenforst und Stadtforsten wollen nach eigenen Angaben durch verschiedene Forstmethoden den Auwald klimaresistenter machen. Dazu gehöre auch die "Mittelwaldumwandklung" und andere Verfahren alte Baumareale zu verjüngen. Dabei habe die Eiche bei der Verjüngung des Auwaldes eine "Schlüsselrolle". Sie solle die bereits in großen Teilen abgestorbenen und kranken Eschen ersetzen.

Kritik zurückgewiesen: langfristigen Waldumbau im Blick

Die Kritik des Naturschutzvereins NuKLA, dass die teils radikalen Baumfällungen dem Auwald mehr schaden als nützen würden, weist Sachsenforst zurück. "Ohne Maßnahmen kann aus Sicht von Sachsenforst der wichtige Anteil der Stieleiche im Auwald nicht gesichert werden. Es geht also um den langfristigen Nutzen, der zu betrachten ist." Demnach seien "Baumfällungen notwendig", damit neu gepflanzte Bäume, wie die Eiche, genug Licht bekämen.

Den Wald sich selbst zu überlassen, ist laut Sachsenforst nur ein Teil von vielen Wegen für den Waldumbau. Doch es biete auch Chancen, nicht in den Auwald einzugreifen. Bereits jetzt werden den Angaben nach 15 Prozent der Sachsenforst-Fläche im Auwald sich selbst überlassen. Dadurch könnten bewirtschaftete Flächen mit naturbelassenen Flächen verglichen werden.

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