Ein Mann mit einem Kind dreht die Heizung herunter
Um den Schock bei der Nebenkostenabrechnung zu vermeiden, ist eine Möglichkeit, die Heizung herunterzudrehen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/photothek

Abrechnung Steigende Nebenkosten: Was kommt auf die Mieter in Sachsen zu?

08. Juli 2022, 15:07 Uhr

Die Nebenkosten in Sachsen steigen. Vermieter suchen verschiedene Wege, um den Energieverbrauch zu senken und rufen auch die Mieter auf, ihre Vorauszahlungen zu erhöhen. Doch wie sollten sich Mieter jetzt konkret verhalten, um im nächsten Jahr einen Schock bei der Nebenkostenabrechnung zu vermeiden? MDR SACHSEN hat mit Experten aus dem Freistaat darüber gesprochen.

Welche Nachzahlung erwartet den Mieter bei der Nebenkostenabrechnung?

Dass die Nebenkostenabrechnungen im nächsten Jahr deutlich höher ausfallen werden, darüber sind sich Vermieter und Mietervereine einig. Doch wie hoch genau, das kann niemand sagen. "Es gibt sehr viele Faktoren, von denen das abhängt", sagt Florian Bau, Rechtsberater beim Mieterverein Dresden und Umgebung. "Es geht um die Verträge mit den Energiefirmen, um den energetischen Zustand des Gebäudes, das individuelle Verhalten der Mieter und vieles mehr." Eine Beispielrechnung hält er daher für unseriös.

VSWG: Nachzahlung um 2.000 Euro für 60 Quadratmeter möglich

Mirjam Philipp, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG), versucht sich an einer Schätzung. "Das ist natürlich nur eine grobe Prognose", schränkt sie ein. Niemand wisse genau, wie es in den nächsten Monaten mit den Energiepreisen weitergehe. "Für eine Durchschnittswohnung von 60 Quadratmetern haben wir im Januar geschätzt, dass die Nebenkostenabrechnung um rund 500 Euro steigen wird", sagt sie. Damals sei aber der Ukraine-Krieg und der Gasmangel noch kein Thema gewesen. "Aktuell gehen wir für die gleiche Wohnung von einer Nachzahlung von rund 2.000 Euro aus."

Wohnungsbaugesellschaft Mittweida rechnet mit bis zu 50 Prozent Steigerung der Nebenkosten

Mandy Rudolf, Geschäftsführerin der Wohnungsbaugesellschaft Mittweida, geht von einer Steigerung der Nebenkosten von 40 bis 50 Prozent aus. Zusätzlich zu den steigenden Energiekosten käme auch die Erhöhung des Mindestlohns dazu, der sich zum Beispiel bei Hausmeisterkosten zeigen würde. Aus ihrer Sicht drohe der extreme Preisschock im Jahr 2023. "Zurzeit haben wir noch Festverträge für die meisten Objekte", sagt Rudolf. "Das ändert sich aber nächstes Jahr und dann könnten die Preise weiter steigen."

Für eine Durchschnittswohnung von 60 Quadratmetern haben wir im Januar geschätzt, dass die Nebenkostenabrechnung um rund 500 Euro steigen wird. Aktuell gehen wir für die gleiche Wohnung von einer Nachzahlung von rund 2.000 Euro aus.

Mirjam Philipp Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG)

Wie sollten sich Mieter auf die steigenden Kosten vorbereiten?

Die meisten Vermieter empfehlen eine freiwillige Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung. "Wir haben es unseren Mietern angeboten und rund die Hälfte nutzt das auch", sagt Mandy Rudolf. Ähnliches berichtet auch die VSWG. Beide empfehlen allen Mietern im Rahmen des möglichen die Vorauszahlungen zu erhöhen.

Florian Bau rät ebenfalls zu einer Vorbereitung auf hohe Abrechnung. "Das muss aber jeder Mieter individuell entscheiden, ob er das Geld selbst zurücklegt oder dem Vermieter mehr überweist", sagt er. Rudolf weist darauf hin, dass das Geld auch beim Vermieter nicht verloren geht. "Sollte zu viel gezahlt worden sein, bekommt man es mit der nächsten Abrechnung zurück."

Für viele Mieter sei das aber nicht möglich. "Wir haben viele Mieter, die jetzt schon kaum Geld zur Verfügung haben", so Mirjam Philipp. "Für viele Betroffene ist der Vorschlag der blanke Hohn", sagt auch Bau. Beide sprechen sich für eine Deckelung der Energiekosten und ein politisches Eingreifen aus. "Es wäre unfair, die hohen Kosten nur auf die Gruppe der Mieter zu verteilen", so Bau.

Was können Vermieter tun?

Eine Wohnungsgenossenschaft in Dippoldiswalde hat wegen der hohen Energiekosten die Warmwasserzufuhr gedrosselt. Das Wasser ist dort nur noch zu bestimmten Uhrzeiten heiß. "Das sehe ich als kritisch", sagt Bau. Gerichte hätten entschieden, dass warmes Wasser rund um die Uhr zur Verfügung stehen müsse.

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia hat angekündigt, im Herbst und Winter die Heizleistung zu drosseln. Zwischen 23 und 6 Uhr soll bei Gas-Zentralheizungen die Temperatur auf 17 Grad reduziert werden. Tagsüber werde wie gewohnt geheizt. Bau hält diesen Vorschlag für umsetzbar. "Gerichte haben bereits entschieden, dass eine Nachtabsenkung zulässig ist", sagt er. Außerdem müssten alle Vorschläge der Vermieter ernsthaft diskutiert werden. "Am Ende müssen die Vermieter eine warme Wohnung gewährleisten, aber auch noch wirtschaftlich arbeiten", so der Rechtsberater.

Die Wohnungsbaugesellschaft und auch die Mitglieder der VSWG planen derzeit keine solcher Maßnahmen. "Aber natürlich werden verschiedene Optionen geprüft und diskutiert", sagt Mirjam Philipp.

Wo liegen die Grenzen beim Energiesparen?

"Mieter sollten möglichst versuchen Energie zu sparen", sagt Bau. "Aber es sollte zu den baulichen Gegebenheiten passen. Es bringt nichts, wenn dann der Altbau auskühlt und sich Schimmel bildet." Auch Erkrankungen durch zu kalte Temperaturen sieht er als Gefahr.

Bei vielen Mietern sei das Bewusstsein für das Energiesparen vorhanden, so Philipp. "Sie tun schon alles, was sie können und mehr Einsparpotential gibt es oft nicht mehr." In Mittweida gebe es einen großen Anteil an alten, alleinstehenden Frauen unter den Mietern der Wohnungsbaugesellschaft. "Ich werde diesen alten Frauen, die oft über 80 Jahre alt sind, nicht sagen, dass sie ihre Heizung abdrehen sollen", sagt Rudolf. "Wenn sie 24 Grad brauchen, um sich wohlzufühlen, ist das so."

Fehler in jeder zweiten Nebenkostenabrechnung

Falls die Mieter noch keine Vereinbarung zur höheren Vorauszahlung gemacht haben, sollten sie mit ihren Vermietern sprechen. Diese Empfehlung geben Rudolf, Bau und Philipp übereinstimmend. Bau rät außerdem dazu die Nebenkostenabrechnung prüfen zu lassen. "Jede zweite Abrechnung, die wir überprüfen, enthält Fehler", sagt er. "Oft sind es nur Kleinigkeiten, aber manchmal auch größere Beträge." Außerdem rät er dazu, sich über die Rechte von Mietern zu informieren.

MDR (al)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 08. Juli 2022 | 11:00 Uhr

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